Neurowissenschaft: Das durchsichtige Gehirn
Unser Zentralnervensystem ist ein überaus verworrenes Netzwerk aus zahllosen parallel verlaufenden und sich überkreuzenden Fäden. Diese dünnen Zellfortsätze, Axone genannt, übertragen elektrische Signale zwischen Neuronen. So wie die lang gestreckten Kettfäden eines Textilgewebes dessen Schussfäden überschneiden, kreuzen auch die ausgedehnten Axone der Projektionsneurone die Fortsätze zahlreicher anderer Nervenzellen.
Um die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen, müssen Forscher entschlüsseln, wie sich diese neuronalen Knäuel auf der Ebene individueller Zellen organisieren. Zugleich dürfen sie dabei nicht die Gesamtperspektive vernachlässigen, die das ganze Hirn in den Blick nimmt. Für solche Einblicke brauchen wir spezielles Rüstzeug, denn unser Gehirn ist weder flach wie ein Textilgewebe noch durchsichtig. Im gesamten Organ, insbesondere in den Membranen der Nerven- und Gliazellen, streuen Fettmoleküle (Lipide) einfallende Lichtstrahlen in alle möglichen Richtungen. Das ist der Grund, warum wir nicht in es hineinblicken können. Bildgebende Verfahren bilden in aller Regel nur seine obersten Zellschichten ab, aber nicht die darunterliegenden Bereiche.
Eine neue Technik ermöglicht es Wissenschaftlern nun, tief in das intakte Gehirn mit seinem verworrenen Nervengeflecht hineinzusehen – es quasi durchsichtig zu machen. Sie hilft sowohl, einzelne Zellfortsätze nachzuverfolgen, als auch, deren molekulare Eigenschaften zu ermitteln. Die Methode stützt sich auf so genannte Hydrogele: wasserunlösliche Polymere, die sich zu einem dreidimensionalen Netzwerk zusammenlagern und dabei wässrige Zellstrukturen einschließen und konservieren. ...
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