Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Wahrnehmung: Unsere inneren Universen

Fortlaufend stellt unser Gehirn Vermutungen über die Welt da draußen an und gleicht ­Sinneseindrücke ab. Damit konstruiert es die Realität, die wir wahrnehmen, als eine Art kontrollierte Halluzination.
In geometrischen, rosafarbenen Formen dagestelltes Gehirn vor leuchtend türkisem Hintergrund.

Am 10. April 2019 saßen Papst Franziskus, der süd­sudanesische Präsident Salva Kiir Mayardit sowie der frühere Rebellenführer Riek Machar im Vatikan zusammen beim Abendessen. Sie speisten schweigend. Es war der Beginn einer zweitägigen Klausur. Ihr Ziel: die Versöhnung nach einem Bürgerkrieg, in dem seit 2013 rund 400 000 Menschen ums Leben gekommen waren.

Ungefähr zur gleichen Zeit bereitete mein Doktorand Alberto Mariola ein neues Experiment vor. Sein Ziel: Versuchspersonen sollten erleben, wie sie in einem Zimmer saßen, das es in Wirklichkeit so nicht gab.

Mancher Psychiatriepatient klagt, die Welt um ihn herum oder sogar sein eigenes Ich sei nicht mehr »real«. Was echt ist und was nicht, erscheint in unseren heutigen Gesellschaften zunehmend beliebig zu werden. Kriegsparteien nehmen unterschiedliche Realitäten wahr und glauben fest daran. Dann kann es helfen, schweigend zusammen zu essen, schafft man doch so ein kleines Stückchen gemeinsame Realität, auf das sich alle einigen können – eine sta­bile Plattform für die weitere Verständigung.

Grundlegend unterschiedliche innere Universen finden wir aber nicht nur bei Kriegen oder Psychosen. 2015 kursierte im Internet das schlecht belichtete Foto eines Kleids und spaltete die Welt: Für die einen (darunter ich) war es blau und schwarz, für die anderen (darunter die Hälfte meiner Institutsbelegschaft) erschien es weiß und golden. Beide Seiten waren von ihrer Sichtweise vollkommen überzeugt und konnten sich schlicht nicht vorstellen, dass andere das nicht so sahen.

Wie leicht sich unsere Wahrnehmungssysteme austricksen lassen, wissen wir alle …

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Faszination Gehirn: 38 Infografiken über unser Denken, Fühlen und Handeln

Weil Sprache allein nicht immer das beste Kommunikationsmittel ist, werden seit 2013 ausgewählte Inhalte auf eine andere Art präsentiert: in Infografiken. Denn manches lässt sich in Bildern so viel einfacher darstellen als mit Worten. In dieser Spezialausgabe von »Gehirn&Geist« präsentieren wir ein »Best-of« unserer Infografiken zu Psychologie, Hirnforschung und Medizin. Wie funktioniert unser Orientierungssinn? Was haben Darmbakterien mit der Psyche zu tun? Was macht eine angenehme Unterhaltung aus? Wie wirkt Alkohol im Gehirn? Und warum lassen wir uns im Supermarkt so leicht zu Spontankäufen animieren? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Sie in dieser Spezialausgabe von »Gehirn&Geist«. Jede der 38 Grafiken im Heft widmet sich einem eigenen Thema.

Spektrum - Die Woche – Wann klingt eine Sprache schön?

Klingt Italienisch wirklich schöner als Deutsch? Sprachen haben für viele Ohren einen unterschiedlichen Klang, dabei gibt es kein wissenschaftliches Maß dafür. Was bedingt also die Schönheit einer Sprache? Außerdem in der aktuellen »Woche«: Rarer Fund aus frühkeltischer Zeit in Baden-Württemberg.

Spektrum - Die Woche – Neue Reben für den Weinbau

Von Klimawandel und Krankheiten bedroht, muss der Weinbau an die neuen Bedingungen angepasst werden. Die Genschere soll den Wein der Zukunft retten. Außerdem beobachtet »Die Woche«, wie Künstlerinnen und Künstler die Welt wahrnehmen und wie sich soziale Unsicherheiten durch Social Media verstärken.

  • Quellen

Corlett, P. R. et al.:Hallucinations and Strong Priors. Trends in Cognitive Sciences 23, 2019

Powers, A. R. et al.:Pavlovian conditioning-induced hallucinations result from overweighting of perceptual priors. Science 357, 2017

Seth, A. K., Tsakiris, M.:Being a beast machine: the somatic basis of selfhood. Trends in Cognitive Sciences 22, 2018

Suzuki, K. et al.:A deep-dream virtual reality platform for studying altered perceptual phenomenology. Scientific Reports 7, 15982, 2017

Teufel, C. et al.:Shift toward prior knowledge confers a perceptual advantage in early psychosis and psychosis-prone healthy individuals. PNAS 112, 2015

Schreiben Sie uns!

3 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.