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Genregulation: Das interaktive Buch des Lebens

Die Ära nach dem Humangenomprojekt ist gekennzeichnet durch eine verblüffende Erkenntnis: Nicht unser genetisches Erbe macht uns zu dem, was wir sind – sondern das, was von ihm in uns realisiert ist! Und darauf hat die Umwelt entscheidenden Einfluss.

In der ersten »Nature«-Ausgabe des neuen Jahrtausends erschien am 6. Januar 2000 ein Aufsatz der amerikanischen Biochemiker Brian D. Strahl und C. David Allis, der große Beachtung verdient gehabt hätte. Er beschäftigte sich mit den Histonen: jenen Eiweißmolekülen, die zusammen mit der Erbsubstanz das Chromatin bilden, aus dem die Chromosomen aufgebaut sind. Dass dieser Stoff zu etwa gleichen Teilen aus DNA und Proteinen besteht, wusste man seit Jahrzehnten. Lange wurde in seiner Eiweißkomponente jedoch nur eine Art Verpackungsmaterial für die kostbare Erbsubstanz gesehen.

Die Analyse von Strahl und Allis, die damals in Charlottesville am Health Science Center der University of Virginia arbeiteten, ging weit darüber hinaus: Nicht nur in der Sequenz des Erbmoleküls, auch in den Aminosäureketten der Histone verstecke sich ein Kode. In für trockene Wissenschaftsprosa ungewöhnlich blumigen Worten fuhren die Autoren fort: »Wir haben begonnen, die atemberaubende Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass jede Aminosäure (...) eine spezifische Bedeutung besitzt und Teil des Vokabulars des Gesamtkodes ist. (...) Ein Verständnis der Regeln und Konsequenzen dieses Histon-Kodes wird wahrscheinlich auf viele, wenn nicht alle DNA-vermittelten Prozesse Einfluss haben – mit weit reichenden Implikationen für Biologie und Krankheit des Menschen.«

Die Öffentlichkeit erfuhr von dieser »atemberaubenden Möglichkeit« so gut wie nichts. Noch war die Zeit nicht reif; denn die Aufmerksamkeit der Medien wurde von einem wissenschaftlichen Großprojekt in Anspruch genommen, das eine ganz andere Stoßrichtung verfolgte und nur sechs Monate später mit einer berühmten Pressekonferenz seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Gemeint ist das Humangenomprojekt (HGP), an dem über 1000 Wissenschaftler aus 40 Ländern beteiligt waren. Im Juni 2000, nach mehr als zehn Jahren intensiver Forschung und einer Investition von mehreren Milliarden Dollar, präsentierten US-Präsident Bill Clinton und der über Satellit zugeschaltete britische Premierminister Tony Blair ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Allis, C. D. et al. (Hg.): Epigenetics. Cold Spring Harbor Laboratory Press, Cold Spring Harbor 2007

Fraga, M. F. et al.: Epigenetic Differences Arise during the Lifetime of Monocygotic Twins. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 102, S. 10604 – 10609, 2005

Gilbert, S. F., Epel, D.: Ecological Developmental Biology. Integrating Epigenetics, Medicine, and Evolution. Sinauer, Sunderland 2009

Gluckmann, P., Hanson, M.: Aus dem Tritt geraten. Warum unsere Welt nicht mehr zu unseren Körpern passt. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, Heidelberg 2007 Strahl, B. D., Allis, C. D.: The Language of Covalent Histone Modifications. In: Nature 403, S. 41 – 45, 2000

Kegel, B.: Epigenetik – Wie Erfahrungen vererbt werden. Dumont, Köln 2009

Sachbuch des Autors zum Thema des Artikels

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