Brennstoffzellen: Das Kraftwerk im Keller
Die kalte Verbrennung von Wasser- und Sauerstoff ist der Hoffnungsträger für die Energiewirtschaft. Doch noch sind Brennstoffzellen für den Massenmarkt viel zu teuer.
Die Zukunft hat scheinbar schon begonnen: Deutschlands größter Energieversorger RWE prophezeit in einem Werbespot Brennstoffzellen in Supermarktregalen. Denn in fünf bis zehn Jahren soll diese Technologie Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Bis zum Jahr 2015 könnte sie nach Meinung des Unternehmens etwa zehn Prozent der Stromerzeugung in Deutschland abdecken."
Doch nach Branchenangaben kosten solche Kraftpakete in der Herstellung zurzeit zwischen 20000 und 50000 Euro pro Kilowatt elektrischer Leistung, konkurrenzfähig wären aber erst 1000 bis 1500 Euro. Dennoch sind die Plätze auf dem neuen Markt schon heiß umkämpft. Denn Schadstoffe wie bei der Verbrennung fossiler Energieträger fallen hier nicht an. Wasserstoff und Sauerstoff reagieren zu Wasser, dabei werden Elektronen frei – es entsteht elektrischer Strom.
Dass dabei nicht die vom Chemieunterricht bekannte explosive Knallgasreaktion erfolgt, dafür sorgt eine räumliche Trennung der beiden Partner, die nur über ein ionenleitendes Medium, den Elektrolyten, miteinander reagieren können (Spektrum der Wissenschaft 7/1995, S. 88; 9/2001, S. 66). Den Sauerstoff liefert die Umgebungsluft, schwieriger ist die Versorgung mit Wasserstoff, da eine entsprechende Infrastruktur derzeit fehlt. Als Alternative kommen Kohlenwasserstoff-Verbindungen – etwa Erdgas – in Frage, die in Hochtemperatur-Zellen von selbst in Wasserstoff, Kohlendioxid und -monoxid zerfallen. Bei geringeren Betriebstemperaturen benötigt diese Umwandlung einen aufwendigen "Reformierungsprozess".Erdgas ist reichlich vorhanden – auch bei steigendem Konsum sind die heute bekannten Vorkommen erst in rund 65 Jahren erschöpft. Zudem gibt es ein Leitungsnetz, an dem bereits viele Haushalte angeschlossen sind.
Auch ökonomisch haben Brennstoffzellen großen Charme: Das Szenario sieht so aus, dass etwa ein Hausbesitzer oder auch der Verwalter eines Hochhauses eine Brennstoffzelle erwirbt oder mietet und den überschüssigen Strom ins Netz einspeist. Damit wird er Teil eines vom Stromversorger organisierten Verbundes. Auf diese Weise könnten Tausende von Brennstoffzellen gemeinsam mit Solarzellen, Windrädern und Biomasse-Kraftwerken ein "virtuelles Kraftwerk" bilden, von einem Computersystem gemanagt. Und noch ein Pluspunkt: Statt Strom über Hunderte von Kilometern mit Verlusten zu transportieren, ist es wirtschaftlich günstiger, ihn dezentral zu erzeugen und die ebenfalls entstehende Wärme gleichzeitig zum Heizen zu nutzen.
Für Versorger wie RWE ist es daher keine Frage, ob die Brennstoffzelle kommt, sondern nur noch wann. Das Unternehmen testet in Essen je eine Anlage der DaimlerChrysler-Tochter MTU Friedrichshafen und von Siemens auf ihre Praxistauglichkeit. MTU setzt mit seinem US-Partner Fuel Cell Energy auf das so genannte HotModule, eine 250 Kilowatt Strom liefernde Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (MCFC), die bei rund 650 Grad Celsius betrieben wird (bei dieser Temperatur wird das Karbonat leitfähig und fungiert als Elektrolyt). Eine solche Anlage lief bereits 16000 Stunden mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 47 Prozent.
Wirkungsgrad: mehr als 55 Prozent
Die noch sehr hohen Kosten will das Unternehmen unter anderem mit einem vereinfachten Aufbau des Gesamtsystems senken. Denn das Drumherum um die Brennstoffzelle macht etwa zwei Drittel der Kosten aus. Das größte Einsparpotenzial bietet die Produktion. Denn jedes HotModule ist heute noch ein handgefertigtes Einzelstück. Bei Serienfertigung seien nochmals fünfzig Prozent Einsparungen möglich. Im Jahr 2006 soll es so weit sein.
Siemens hält es mit der Hochtemperatur- oder Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC, solid oxide fuel cell). Darin wird der Brennstoff bei etwa tausend Grad Celsius durch lange Röhren geschickt, deren Wandmaterial, ein yttriumdotiertes Zirkonoxid, bei der hohen Temperatur für Sauerstoff-Ionen durchlässig und somit zum Elektrolyten wird. Die SOFC bringt es auf einen elektrischen Wirkungsgrad von rund fünfzig Prozent. Eine 110-Kilowatt-Anlage lief in den Niederlanden mehr als drei Jahre im Dauerbetrieb. Wenn eine Mikro-Gasturbine nachgeschaltet wird, die aus dem heißen Abgas zusätzlichen Strom erzeugt, steigt der Wirkungsgrad steigt sogar auf mehr als 55 Prozent. Eine solche Anlagen steht seit Ende 2001 in der University of California in Irvine. Das System leistet 220 Kilowatt, wobei zwanzig Kilowatt von der Mikro-Gasturbine kommen.
Siemens baut derzeit in einem Vorort von Pittsburgh in Pennsylvania eine Fabrik für Brennstoffzellen-Kraftwerke. Die Kosten sollen unter anderem durch Materialeinsparungen gedrückt werden. Statt Röhren wollen die Entwickler künftig flache Platten mit benachbarten Öffnungen verwenden. Der Strom muss deutlich geringere Wege zurücklegen, was den elektrischen Widerstand mehr als halbiert. Die abgeflachten Zellen sollen bei gleichem Gewicht und gleichem Materialverbrauch dreimal mehr Leistung bringen.
Derartige Anlagen sind auf 250 Kilowatt bis zu fünf Megawatt ausgelegt, also ideal für größere Häuserkomplexe, Hochhäuser, Industrieanlagen, Einkaufszentren oder Krankenhäuser. Das Schweizer Unternehmen Sulzer Hexis konzentriert sich hingegen auf den Markt der "Anlagen im Keller". Ihr Heizgerät HXS 1000 Premiere soll derzeit seine Praxistauglichkeit erweisen. Seine Festoxid-Brennstoffzelle erzeugt maximal ein Kilowatt elektrischer Leistung. Geringere Materialkosten und Serienfertigung sollen die Marktreife Anfang 2005 bringen. Wettbewerbsfähige Kosten erwartet Sulzer Hexis aber erst gegen Ende des Jahrzehnts.
Der deutsche Konkurrent Vaillant favorisiert – wie die Automobilindustrie die Brennstoffzelle mit Polymerelektrolyt (PEM), die bei deutlich geringeren Temperaturen arbeitet und daher im Winter die Hilfestellung eines konventionellen Erdgasbrenners braucht. Die Kosten pro Gerät sollen ab der Serienfertigung in 2005 10000 bis 12000 Euro betragen.
Über den RWE-Werbespot sind Unternehmen wie Vaillant nicht gerade glücklich, da er suggeriert, dass eine Brennstoffzelle schon morgen in den Regalen steht. Zu viel Publicity, darin sind sich die meisten Experten der Branche einig, wecke zu große und verfrühte Erwartungen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2003, Seite 85
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben