Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Wissenschaftsgeschichte: Vom Weltstar zum Eremiten

Der Sohn eines russischen Anarchisten und einer deutschen Aussteigerin entkommt in Frankreich knapp den Nazis, steigt trotz mangelhafter Schulbildung kometenhaft zu einem der bedeutendsten Mathematiker der Welt auf und zieht sich im Alter von 63 Jahren in die selbst gewählte Einsamkeit zurück: Das Leben des Alexander Grothendieck war von einzigartiger Dramatik.
Grothendieck in Vietnam

Mehr als 20 Jahre lang war der Mann, den man mit einiger Berechtigung den größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts nennen darf, praktisch unauffindbar. Alexander Grothendieck hatte sich 1991 von fast allen menschlichen Kontakten zurückgezogen. Die Öffentlichkeit erfuhr erst wieder etwas über ihn, als er am 13. November 2014 in Südfrankreich starb. Dies war das Ende eines in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Lebens. "Wie es mir im Leben ergangen ist, würde viele Bücher beanspruchen, die noch nicht geschrieben sind", so Grothendieck selbst in einem Brief vom 29. September 2006 an einen Schulkameraden.

Nicht nur seine wissenschaftlichen Leistungen sind beispiellos; auch sonst hat er sich weit von allen Normen der bürgerlichen Gesellschaft entfernt. Grothendieck war stets ein Einzelgänger. Er lebte in einer anderen Welt, und sein Leben gibt in vielfacher Hinsicht unlösbar erscheinende Rätsel auf. Bereits sein Beginn war alles andere als bürgerlich. Grothendiecks Vater, ein russisch-jüdischer Anarchist namens Alexander Schapiro, Jahrgang 1890, hatte sich schon als etwa 15-Jähriger anarchistischen Gruppen angeschlossen, die um 1905 gegen das Zarenregime kämpften. Er wurde 1907 gefangen genommen, zum Tod verurteilt, wochenlang täglich zum Erschießungsplatz geführt und dann wegen seiner Jugend zu lebenslanger Haft begnadigt. Die nächsten zehn Jahre verbrachte er in russischen Lagern und Gefängnissen. Im Verlauf der Oktoberrevolution befreit, schloss er sich sogleich den nationalistisch-anarchistischen Kämpfern des ukrainischen Generals Nestor Machno an. Er wurde erneut gefangen genommen, dieses Mal von der Roten Armee, wieder zum Tod verurteilt, konnte jedoch in den Wirren des Ersten Weltkriegs entkommen und gelangte nach Berlin, wo er seinen Lebensunterhalt als Straßenfotograf verdiente. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Auf ewig Postdoc

Sie hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, pendeln von Kontinent zu Kontinent. Kein Wunder, dass Postdoc-Beschäftigte zunehmend unzufrieden mit ihren Lebensverhältnissen sind. Außerdem stellen wir in dieser Ausgabe die ersten Bilder von Euclid vor und fühlen de Kategorientheorie auf den Zahn.

Spektrum der Wissenschaft – Unendlichkeiten

Die Mathematik des Grenzenlosen - Mengenlehre: Wie ordnet man das Unermessliche? • Arithmetische Dynamik: Zahlenfolgen in Bewegung • Kategorientheorie: Überblick durch Abstraktion

Spektrum der Wissenschaft – Wie alt können wir werden?

»Spektrum der Wissenschaft« klärt die Frage, wie alt wir werden können und was uns altern lässt. Außerdem im Heft: Sieht der Kosmos wirklich überall gleich aus? - Giftige Algenblüten gefährden Ernährung - Phosphor-Recycling aus Abwasser.

  • Quelle

Scharlau, W.: Wer ist Alexander Grothendieck? Anarchie, Mathematik, Spiritualität, Einsamkeit. Teil 1: Anarchie. Dritte korrigierte und ergänzte Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2011.
Teil 3: Spiritualität. Books on Demand, Norderstedt 2010. (Teile 2 und 4 in Vorbereitung)

Schreiben Sie uns!

2 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.