Springers Einwürfe: Das Märchen von der Selbstregulation des Marktes
Die Wirtschaft ist – wie das Wetter – ein komplexes Phänomen, das sich nicht durch einfache Modelle beschreiben lässt. Doch während niemand auf die Idee käme, ein Klimamodell aufzustellen, in dem der lokale Ausgleich der Temperaturunterschiede global zu dauerhaft mildem Wetter führt, behauptet das Standardmodell der Marktwirtschaft genau dies: Angebot und Nachfrage pendeln sich in freiem Wech-selspiel stets zu Preisen ein, welche die optimale Verteilung aller Güter garantieren.
Spätestens die völlig überraschende Bankenkrise von 2008 hat den Ruf der gängigen einfachen Markttheorien angekratzt. Dafür stieg das Prestige so genannter Ökonophysiker, die seit rund 20 Jahren komplexe Modelle aus Strömungsforschung, statistischer Mechanik und Festkörperphysik auf Wirtschaftsprozesse anwenden und zeigen, wie instabil diese sich verhalten. An der Universität Bremen hat nun eine Gruppe theoretischer Physiker um Stefan Bornholdt die "Ökonophysik anpassungsfähiger Energiemärkte" untersucht und in Simulationen demonstriert, dass solche Märkte zu katastrophalem Kollaps neigen.
Ihr Modell beschreibt Individuen, die flexibel auf kurzfristig schwankende Energiepreise reagieren können, indem sie beispielsweise mit dem Anschalten der Waschmaschine warten, bis der Strom ein wenig billiger wird. Ein Marktwirtschaftler wird darin das ideale Mittel sehen, den Strombedarf einem Energieangebot anzupassen, das bei hohem Anteil von Wind- und Sonnenenergie rasch schwankt: Wenn Strom aktuell knapp und somit teurer wird, drosseln die Verbraucher ihre Nachfrage und warten in der Hoffnung, dass der Preis mit steigendem Angebot bald wieder fällt. ...
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