Hirnforschung: Das unterschätzte Kleinhirn
Das Kleinhirn koordiniert präzise Bewegungen, hilft beim Hören von Sprache und bei anderen geistigen Leistungen. Mit dem streng geometrischen Schaltplan seiner Nervenzellen erkennt es offenbar kleinste Zeitunterschiede zwischen eintreffenden Signalen.
Die Entscheidung fällt im Bruchteil von Sekunden. Blitzschnell sprintet der Spieler vor, ergreift den Ball, wirbelt herum – zwei kurze Schritte, er wirft den Ball ins Netz. Zu Recht bewundern wir Spitzensportler und andere Virtuosen, die Bewegungsabläufe meisterhaft beherrschen, ob Rennfahrer oder Artist, Tänzer oder Musiker, Handwerker oder Maschinenschreibkraft. Dass wir alle vergleichbare Präzisionshandlungen jeden Tag viele Male vollführen, ist uns meist weniger bewusst.
In dem Augenblick, in dem ein Basketballspieler den Ball abwirft, muss er die Kontraktion von mehr als sechshundert Muskeln koordinieren: Sein Gehirn wertet blitzschnell die Meldungen der verschiedenen Sinnesorgane aus – auch derer für die Körperhaltung und Muskelanspannung – und stimmt die Muskeltätigkeit damit ab. Dass sein Körper diese enorme Aufgabe so reibungslos leistet, erreicht der Sportler nur durch Training über viele Jahre. Die dabei beanspruchten Teile des Nervensystems spielen sich durch Üben regelrecht aufeinander ein.
Das Kleinhirn trägt zum Gelingen entscheidend bei. Dass Verletzungen dieses Gehirnteils genaue Bewegungen erheblich erschweren, oft gar unmöglich machen, wissen Mediziner schon lange. In letzter Zeit entdeckten Wissenschaftler noch mehr komplexe Leistungen, an denen das Kleinhirn möglicherweise mitwirkt. Dies scheint bis hin zu einigen geistigen Funktionen wie der Wahrnehmung und Sprachkompetenz zu reichen.
Wie es diese Funktionen erfüllt – und wie weit sich seine Aufgaben tatsächlich erstrecken –, beginnt sich erst jetzt zu zeigen. Gegenüber anderen Gehirnteilen zeichnet sich das Kleinhirn durch einen ungewöhnlich regelmäßigen Aufbau aus. Es besitzt eine Hand voll im Aussehen und ihrer Rolle deutlich unterscheidbarer Nervenzelltypen. Die Verschaltung dieser Neuronen folgt einer strengen Geometrie, die fast an einen elektronischen Schaltkreis erinnert. Hierin vermuten Hirnforscher den Schlüssel zur Arbeitsweise dieser Hirnstruktur und ihrer Funktion im gesamten Gehirn. Wie wir selbst nachwiesen, kann das Kleinhirn aufgrund seines rigiden Aufbaus spezifische, rasch nacheinander eintreffende Signale als Muster erkennen. Dadurch erlaubt es dem Körper, schnelle, streng koordinierte Bewegungsabläufe durchzuführen, und befähigt wahrscheinlich auch zu bestimmten Wahrnehmungsleistungen, etwa bei der Spracherkennung. Diese Versuche bestätigen ein Modell unserer Arbeitsgruppe, nach dem zusammenpassende Signale das Kleinhirn wie eine Flutwelle durchströmen.
Als Erster beschrieb der englische Neurologe Gordon Holmes 1917 die Bedeutung des Kleinhirns für die Steuerung von – insbesondere hochkomplexen – Bewegungen. Im Ersten Weltkrieg untersuchte er Soldaten mit Kleinhirnverletzungen. Die damals neuen Projektile der Handwaffen, verbunden mit höheren Geschossgeschwindigkeiten, rissen oft einen relativ glatten Durchschuss. Viele am Kleinhirn Verletzte überlebten solche Verwundungen. Holmes erkannte, dass diese Männer selbst einfachste Alltagsverrichtungen nicht mehr wie gewohnt auszuführen vermochten. Alles wirkte ungeschickt, vergleichbar vielleicht manchen unbeholfenen Versuchen von Kleinkindern. Auch erschien jede Bewegung abgehackt. Dabei litten die Patienten keineswegs unter Lähmungen und offensichtlich auch nicht unter psychischen Veränderungen.
Typischerweise gelang ihnen die Koordination einfachster Bewegungen nicht mehr. Den Zeigefinger zur Nasenspitze zu führen, war den Versehrten selbst bei geöffneten Augen nicht möglich. Auch eine Kaffeetasse zu ergreifen, fiel ihnen äußerst schwer. Die Hand hielt entweder zu früh oder zu spät an; oft stieß sie die Tasse um. Solche Koordinationsausfälle bezeichnen Ärzte als "Ataxie". Manche der Verletzten litten auch unter unkontrollierbaren Schüttelbewegungen der Glieder, die immer dann einsetzten, wenn sie eine gezielte Bewegung ausführen wollten, zum Beispiel nach etwas zu greifen versuchten. Der "Intentionstremor" wurde tückischerweise umso stärker, je näher die Hand dem Ziel kam. Bei manchen Betroffenen schwang sie so stark hin und her, dass diese den Gegenstand nicht zu fassen bekamen.
Wahrscheinlich hatte das Kleinhirn – fachsprachlich "Cerebellum" (lateinisch für "kleines Hirn") – in der Evolutionsgeschichte zunächst andere Funktionen. Es stellt einen sehr alten Hirnteil dar. Offenbar war es bereits bei den frühen Wirbeltieren vorhanden. So weist das noch sehr urtümliche, aalförmige Neunauge ein primitives Kleinhirn auf, dass nur als kleine Aufwölbung des Gehirns erscheint. Schon an dieser Struktur fallen parallel verlaufende Fasern auf, die beide Gehirnseiten verbinden und für unser Kleinhirn so charakteristisch sind. Doch handelt es sich beim Neunauge erst um ein kurzes, schmales Band. Mit welchen Aufgaben das Kleinhirn ursprünglich betraut war, wissen wir nicht sicher. Seine innige Verbindung zu den Gleichgewichtszentren im Hirnstamm spricht dafür, dass es sich mit dem Gleichgewicht befasste. Doch könnte es auch Wasserbewegungen und Druckveränderungen verrechnet haben, die Fische durch ein spezielles Sinnesorgan an den Körperseiten wahrnehmen. Später hat die Evolution Kleinhirne in erstaunlich vielfältiger Form und Größe hervorgebracht. Auffallenderweise bleibt aber bis auf wenige Ausnahmen die strikte innere "Verschaltung" – das Ordnungsmuster der Nervenzellen und Verknüpfungen – gleich.
Die Eigenart des Kleinhirns fällt besonders gegenüber dem Großhirn auf. Interessanterweise wurden die beiden Gehirnteile in der Evolution parallel größer. Auch während der individuellen Entwicklung reifen die beiden Hirnrinden gleichzeitig. Wie innig Groß- und Kleinhirn verbunden sind, zeigt sich darin, dass zwischen beiden Strukturen Millionen von Nervenfasern verlaufen. Den Großteil seiner Signale erhält das Kleinhirn aus dem Großhirn über eines der dicksten Faserbündel im Hirnstamm. Umgekehrt schickt es viele seiner eigenen Signale zum Großhirn.
Mehr Nervenzellen als das Großhirn
Die beiden Strukturen könnten verschiedener kaum sein. So verlaufen die Falten und Furchen der Großhirnrinde kreuz und quer in etliche Richtungen. Die Kleinhirnrinde aber ist durchgehend in derselben Richtung gefaltet, quer zur Längsachse des Körpers. Die Großhirnrinde kann mehrere Millimeter dick werden, die Rinde des Kleinhirns misst nur einige zehntel Millimeter Dicke.
In dieser Rindenschicht, der "grauen Substanz", liegen in beiden Fällen die Nervenzellen. Auch befinden sich hier die zahlreichen "Synapsen", die Kontaktstellen, an denen die Nervenzellen über verästelte Ausläufer voneinander Signale empfangen. Unter der Rinde liegt die "weiße Substanz" aus den langen Zellfortsätzen – "den Axonen" –, mit denen Neuronen Signale zu entfernteren Orten versenden. Diese Fortsätze sind zwecks schnellerer Weiterleitung der elektrischen Signale von speziellen Zellen umhüllt und wirken deswegen in Präparaten hell. Im Großhirn nehmen solche langen weiterleitenden Fasern ein enormes Volumen ein. Größtenteils verbinden sie verschiedene Regionen des Großhirns untereinander. Das Kleinhirn hingegen weist deutlich weniger weiße Substanz auf. Seine langen fortleitenden Fasern schicken die Signale außerdem ausschließlich zu anderen Hirnteilen, hauptsächlich zum Großhirn.
Ansonsten ist das Kleinhirn aber nur an Volumen – mit einem Sechstel – deutlich kleiner als das Großhirn. Denn seine Fläche entspricht ausgebreitet ungefähr der einer entfalteten Hemisphäre der Großhirnrinde. Eine Großhirnhemisphäre wirkt auseinander gezogen etwa wie ein unregelmäßig zerfranster, in allen Richtungen mehr oder weniger gleich breiter Lappen von etwa dreißig Zentimeter Durchmesser. Dagegen ergibt das Kleinhirn ein fast zweieinhalb Meter langes, schmales Band.
Erstaunlicherweise enthält das Kleinhirn fünfmal so viel Nervenzellen wie das Großhirn: ungefähr hundert Milliarden gegenüber zwanzig Milliarden im Großhirn. Nimmt man die Neuronenzahl und die Größe der Oberfläche als ein grobes Maß für die Informationsverarbeitungskapazität, dann darf man vermuten, dass das Kleinhirn zwar andere, aber ähnlich komplexe Aufgaben zu erfüllen hat wie das Großhirn – was neuere Untersuchungen auch bestätigen.
Vor rund hundert Jahren hatte der spanische Anatom Santiago Ramón y Cajal (1852–1934) erstmals die einzelnen Zelltypen des Kleinhirns und die auffallende Schichtung von Nervenzellen und Fasern in der Kleinhirnrinde genau beschrieben. Er hatte eine damals neue Anfärbungsmethode so verfeinert, dass er komplette Gehirnzellen mit ihren Fortsätzen in vorher nie gesehener Detailtreue einzeln darstellen konnte. Die Zelltypen, die er im Kleinhirn beschrieb, gelten heute noch, ebenso ihre Namen (Kasten rechts).
Ramón y Cajal erkannte, dass die Kleinhirnrinde aus drei optisch unterscheidbaren Schichten besteht. Die innere und die mittlere stecken dicht voller Zellkörper, die äußere besteht hauptsächlich aus Zellfortsätzen, gespickt voller Synapsen zur Signalübertragung. In dieser äußeren "molekularen Schicht" (so genannt wegen der scheinbar homogenen Struktur bei klassischen histologischen Färbungen) spielt sich denn auch das Hauptgeschehen ab. Wie ein regelmäßiges dreidimensionales Webmuster flechten die Zellausläufer sich hier ineinander.
Strenge Arbeitsteilung der Zellen
Jede dieser drei Schichten weist besondere, in Größe, Form und Art der Kontakte charakteristische Zelltypen auf. Jeder Typ übernimmt mithin im Gesamtverband eine ganz bestimmte Aufgabe. Am größten und eindrucksvollsten wirken die "Purkinjezellen" (benannt nach dem böhmischen Physiologen Johannes E. Purkinje, 1787–1869). Deren große Zellkörper ordnen sich exakt in Reih und Glied im Abstand von fünfzig Mikrometern (fünf hundertstel Millimetern) in der mittleren, nach ihnen bezeichneten Schicht an. Als einzige Neuronen der Kleinhirnrinde senden die Purkinjezellen über ihre weiterleitenden Fortsätze Signale aus der Rinde fort ins Innere des Kleinhirns. Von dort werden diese Informationen unter anderem zum Großhirn weitergeleitet, insbesondere zur motorischen Rinde, von wo das Gehirn schließlich die Bewegungsbefehle gibt. Somit stellen die Purkinjezellen die einzigen "Ausgangsneuronen" dar, die an andere Gehirnteile Verrechnungsergebnisse der Kleinhirnrinde verschicken.
Für den Signalempfang besitzt jede Purkinjezelle einen großen, flachen "Dendritenbaum" oder besser "Dendritenfächer". Mit zahlreichen Synapsen stehen diese Fächer in der äußersten Schicht der Kleinhirnrinde dicht gepackt neben- und hintereinander, aber alle in derselben Ausrichtung quer zu den Falten der Rinde. Jeder Fächer überspannt etwa ein zehntel Quadratmillimeter, ist aber nur ein hundertstel Millimeter dick. Er weist hundert- bis zweihunderttausend synaptische Kontakte für eingehende Signale auf, eine selbst für Gehirnneuronen außergewöhnlich hohe Anzahl. Das sind bis zu zwanzigmal mehr Synapsen als auf einem typischen Neuron der Großhirnrinde. Folglich erhält eine Purkinjezelle auch aus zwanzigmal mehr Quellen Nachrichten wie Nervenzellen des Großhirncortex.
Die Purkinjezellen erhalten ihre Signale großenteils von den zahlreichen "Körnerzellen" aus der inneren der drei Schichten. Die "Körnerzellschicht" steckt dicht voller dieser kleinen Zellen, die einen weiterleitenden Fortsatz in die äußere Schicht schicken, wo dieser sich wie ein "T" gabelt. Die beiden Schenkel ziehen parallel zu den Furchen des Kleinhirns dicht an dicht je zwei bis drei Millimeter weit und durchqueren dabei die Fächer von mehreren hundert Purkinjezellen. Diese Querfasern – "Parallelfasern" genannt – bilden eine der markantesten Strukturen des Kleinhirns. Sie liegen so dicht, dass im Querschnitt auf einen Quadratmillimeter sechs Millionen Fasern kommen. Ihre streng parallele Ausrichtung dürfte der Grund dafür sein, dass die Falten des Kleinhirns alle in derselben Richtung verlaufen – in der Richtung der Parallelfasern.
Das Verschaltungsprinzip zwischen Körner- und Purkinjezellen ist sehr klar: Körnerzellen empfangen Signale von außerhalb des Kleinhirns und können dann ihrerseits Purkinjezellen in einem Zusammenspiel vieler erregender Synapsenkontakte zu mehr Aktivität antreiben. Diese senden, wenn sie stark genug erregt werden, Signale aus dem Kleinhirncortex fort.
Doch das Endergebnis bestimmen noch andere Zellen mit. So sitzen in der äußeren Schicht weitere, unauffälligere Zellen, die dort auch – allerdings eher lockere – Fächer ausbilden. Diese Dendritenbäume stehen ebenfalls quer zu den Furchen und damit senkrecht zur Richtung der Parallelfasern. Auch diese Neuronen bilden mit ihren fortleitenden Axonen Synapsen zu den Purkinjezellen. Nur versenden sie hemmende Signale, vermindern also die Gesamtaktivität des Empfängers. Das bedeutet vereinfacht gesagt, eine Purkinjezelle muss aus der Vielzahl teils sie erregender, teils sie hemmender chemischer Botschaften ein Gesamtergebnis ermitteln.
Hemmende Signale empfangen – über wieder andere "Aufpasser" – aber auch die Körnerzellen. Das verhindert vermutlich, dass die allgemeine Aktivität in der äußeren Schicht zu stark steigt. Diese hemmenden Neuronen (Golgi-Zellen genannt) sind übrigens die einzigen in der Kleinhirnrinde, die aus dem strengen Schema ausbrechen, sich mit ihren Verästelungen nur in zwei Raumrichtungen auszudehnen.
Ganz wichtig sind bei der Verarbeitung auch die "Kletterfasern", die aus dem Stammhirn aufsteigen und die Fächer der Purkinjezellen eng umranken. Auffälligerweise treten sie nur gewissermaßen als Sonderkommando in Aktion, falls nämlich eine Purkinjezelle sozusagen unpassend aktiv wird. Die Kletterfasern wirken wie Lehrer, die ihre Schüler zurechtweisen. Sie scheinen tatsächlich dann einzugreifen, wenn das Kleinhirn einen Bewegungsablauf erst lernt.
Lokal begrenzte Erregungsmuster
Das wesentliche Prinzip der Zellordnung in der Kleinhirnrinde ist offensichtlich. In der äußeren Schicht, wo zahlreiche Neuronen Kontakte zueinander aufnehmen, gibt es für die Ausläufer hauptsächlich zwei Richtungen: parallel zu den Falten oder in einer dazu senkrecht stehenden Ebene. Ganz wichtig: Die in der Parallelrichtung laufenden Axone, also die Parallelfasern, erzeugen erregende Signale, die anderen hemmende.Was nun hat diese penible, fast eintönige Ordnung mit den Aufgaben des Kleinhirns zu tun? Und welchen Sinn macht dabei die akkurate Ausrichtung der erregenden und hemmenden Elemente?
Völlig im Gegensatz zum Kleinhirn findet man in der Großhirnrinde mit wenigen Ausnahmen weder eine bevorzugte Richtung der Fasern noch eine geometrische Trennung von erregenden und hemmenden Nervenfasern. Ein wesentliches Merkmal dieses Netzwerks sind ja gerade Rückkopplungsschleifen über wie zufällig verschaltete Gruppen von Neuronen, die sich gegenseitig erregen und so hochschaukeln. Das Großhirn kann sich selbst erregen. Es muss nicht von außen angestoßen werden.
Ein Hochschaukeln kommt in der Kleinhirnrinde nicht vor: Denn von ihren Neuronen erzeugen allein die Körnerzellen durch ihre Synapsen auf den Parallelfasern Erregungen. Alle anderen Zelltypen aber liefern hemmende Signale. Da das Kleinhirn deswegen eine Erregung weder selbstständig generieren noch erhalten kann, ist es völlig auf andere Hirnteile angewiesen, um aktiviert zu werden. Es kann also nur auf Fremdsignale reagieren.
Eine Besonderheit stellt auch dar, dass das Kleinhirn jede eintreffende Information in einem sehr begrenzten Umfeld bearbeitet. Da die längsten Fasern der Kleinhirnrinde, die Parallelfasern, mit wenigen Millimetern sehr kurz sind, bleiben die Nachrichten, völlig anders als im Großhirn, praktisch an Ort und Stelle. Konkret: Jede Purkinjezelle unterliegt nur dem Einfluss der Körnerzellen wenige Millimeter in ihrem Umfeld. Im Großhirn erfolgt der meiste Informationsaustausch viel großräumiger und sogar zwischen den beiden Hirnhälften.
Perfektion durch Flutwellen
Genau diese räumliche Beschränkung ermöglicht es dem Kleinhirn, so unsere These, seine besonderen Aufgaben zu erfüllen. Valentin Braitenberg, ehemals Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, entwarf hierzu bereits 1958 ein Funktionsmodell, das wir in den letzten Jahren experimentell bestätigen konnten. Er nannte es "Flutwellentheorie des Kleinhirns". Viele der hier dargestellten neuen Ergebnisse haben wir während unserer Zeit als Mitarbeiter in seinem Institut gewonnen.
Braitenbergs Idee zufolge läuft bei einem glatten, eingeübten Bewegungsablauf auf dem jeweils beanspruchten kleinen Fleck der Kleinhirnrinde über viele benachbarte Parallelfasern eine Welle aus Signalen, die dadurch geballt auf die dortigen Purkinjezellen treffen. Die Signalwelle überschwemmt diese Ausgangsstation im Kleinhirn regelrecht, die dann das übrige Gehirn informiert. Das heißt: Nur, wenn alle eintreffenden Signale so zusammenpassen, dass eine Flutwelle entsteht, liefern die Purkinjezellen die richtigen Meldungen. Nach dieser Vorstellung müssen die von außen eintreffenden Signale bei – anschaulich gesagt – zwei und mehr hintereinander liegenden Körnerzellen genau um so viel zeitlich versetzt einlaufen, dass die Erregungen über ihre Axone (die Parallelfasern) anschließend auf gleicher Höhe laufen. Zwei benachbarte Körnerzellen müssen für eine reibungslose Bewegung also mit exakt so viel zeitlicher Verzögerung stimuliert werden, wie ein Signal entlang einer Parallelfaser benötigt, um die Strecke dazwischen zurückzulegen. Von Vorteil dürfte hierbei sein, dass die Parallelfasern Signale besonders langsam leiten. Nur wenn viele Körnerzellen unter diesen Bedingungen eingespannt werden, entsteht eine Signalflutwelle.
Wozu könnten die Flutwellen nützen? Die motorischen Zentren in der Großhirnrinde, die übergeordnet die Muskulatur koordinieren, können nur relativ langsam in gerade ablaufende Bewegungen eingreifen. Sie brauchen fortlaufend, für jeden Einzelschritt, die Rückmeldung aus dem Körper und von den Sinnesorganen, und das benötigt Zeit. Blitzschnelle, glatte, automatische Bewegungen vermag die Großhirnrinde allein nicht schnell genug zu steuern. Dafür benötigt sie offensichtlich die Hilfe des Kleinhirns. Dieses erkennt, so Braitenbergs Idee, jeweils spezifische Komplexe aus vielen Signalen, die über die Körnerzellen innerhalb weniger Millisekunden zusammen bei ihm eintreffen. Nur wenn die Signale zeitlich in bestimmter Weise zusammenpassen, kann eine Flutwelle entstehen. Diese Signale stammen von Sinnesorganen aus dem ganzen Körper – also unter anderem aus dem Bewegungsapparat, von den Augen und Ohren und dem Gleichgewichtssystem – und auch vom Großhirn. Die Flutwellen sind sozusagen ein Ausdruck dessen, dass ein beim Kleinhirn eintreffendes Sequenzmuster "passt". Das Kleinhirn stellt regelrecht einen "Sequenzdetektor" für die Zeitmuster in solchen Signalkomplexen dar.
Purkinjezellen – die Signale zu den motorischen Zentren im Großhirn schicken – würden besonders stark aktiviert, wenn möglichst viele Parallelfasern sie gleichzeitig "anspornen". Genau das würde durch eine Flutwelle geschehen. Denn mit ihren quer zu den Parallelfasern aufgespannten Dendritenfächern könnten die Purkinjezellen eine durchrasende Welle in einem winzigen Sekundenbruchteil erfassen. Gleiches gilt für die genauso aufgespannten Dendritenfächer der anderen Zelltypen, die bei der Verarbeitung der Information helfen.
Die Theorie der Flutwellen basierte zwar auf den bekannten anatomischen Gegebenheiten. Doch wusste niemand, ob in der Kleinhirnrinde wirklich solche Flutwellen auftreten können – ob also der postulierte Sequenzdetektor überhaupt funktionieren würde.
Wir haben dies an Rattengewebe geprüft. Bei in Nährlösung gehaltenen Präparaten von Kleinhirnrinde versuchten wir kleine künstliche Flutwellen über elektrische Reizelektroden zu erzeugen. Dazu bastelten wir einen "Kamm" mit "Zinken" (feinen Spitzen) aus Metalldraht. Über die Zinken schickten wir kurze, schwache Stromstöße zu hintereinander liegenden Körnerzellen, als würden sie jeweils von neuronalen Signalen verschiedener Herkunft erregt.
Das zeitliche Muster der nebeneinander gesetzten Stromstöße variierten wir, die Anzahl blieb jedoch gleich. Mal ließen wir die Stromstöße schneller, mal langsamer den Kamm entlang laufen. Auch konnten wir die Richtung umkehren, oder wir erzeugten eine Zufallsverteilung des Reizmusters.
Das Experiment brachte tatsächlich das in der Flutwellentheorie vorhergesagte Ergebnis. Die einzelnen Körnerzellen mussten so schnell hintereinander stimuliert werden, wie die Parallelfasern Signale weiterschicken. Dann liefen die Erregungen synchron über die Parallelfasern. Die Gesamtaktivität in einem Abschnitt zu einer bestimmten Zeit wurde schwächer, wenn die Reize einander schneller beziehungsweise langsamer als das Idealtempo folgten. Und sie blieb gering, wenn die Reize am Kamm in beliebiger Reihenfolge gesetzt wurden. Die Purkinjezellen wiederum erzeugten die besten Signale, wenn die Parallelfasern an ihrem Empfangsfächer synchron aktiv waren. Dies konnten wir später auch an narkotisierten Tieren bestätigen.
Ob Baseballer oder Trapezkünstler, Pianisten oder Rennfahrer: Sie alle sind sozusagen Profis für Flutwellen. Doch im Grunde sind wir das normalerweise alle. Unser Kleinhirn ist ein Künstler darin, verschiedenste komplexe Bewegungsabläufe glatt abspulen zu lassen. Dazu gehören selbst viele nur scheinbar einfache Handbewegungen. Schon um einen Kugelschreiber zu ergreifen, müssen viele Muskeln in Hand und Arm genauestens nach einem flexiblen, an die Situation anpassungsfähigen Zeitplan zusammenarbeiten. Damit das möglich ist, integriert das Kleinhirn Signale von verschiedenen Sinnen, in dem Fall Informationen von den Augen, über die Körperhaltung und Stellung der Gliedmaßen, Haltung von Hand und Fingern und über die Muskeltätigkeit, und führt sie mit Impulsen vom Großhirn zusammen. Das Ergebnis teilt es dann kontinuierlich der Großhirnrinde mit, die nun den Bewegungsablauf entsprechend anpasst. Wie das Großhirn diese Informationen abfragt und in seine Entscheidungen integriert, wissen wir allerdings noch nicht im Einzelnen.
Ein Baseballspieler beispielsweise muss für einen scharfen, gezielten Weitwurf die Finger mit einer zeitlichen Präzision von einer tausendstel Sekunde öffnen, sonst wirft er zu hoch oder zu tief. Wie kooperieren Groß- und Kleinhirn dabei? Das Kleinhirn empfängt aus der Großhirnrinde das Kommando zum Werfen. Daran muss es, abgestimmt mit der Körperhaltung und der Orientierung zum Ziel, die Muskelkontraktionen anpassen. Jede der vielen möglichen Situationen, zum Beispiel ob der Spieler gerade läuft oder aus dem Stand heraus wirft, verlangt einen anderen Bewegungsablauf – oder genauer gesagt eine andere Abfolge von Muskelkontraktionen. Jede Kombination von Zielvorgaben aus der Großhirnrinde und Signalen zur Körperhaltung des Werfers trifft irgendwo im Kleinhirn so zusammen, dass eine Flutwelle entsteht. Jede Kombination, so die Vermutung, ist also an einem eigenen Ort repräsentiert.
Die Koordination von Bewegungen muss teilweise durch jahrelanges Üben erlernt werden, angefangen mit einfachsten Abläufen wie dem Gehen bei Kleinkindern. Dabei stellen wir uns vor, dass die erregenden Eingänge zu den Körnerzellen des Kleinhirns während der Kindesentwicklung ständig an unterschiedlichen Orten neu entstehen oder wieder abgebaut werden. Eingänge, die zu erfolgreichen Bewegungen beigetragen haben, bleiben bestehen, die übrigen verschwinden wieder. Beim Erwachsenen können sich wahrscheinlich keine neuen Eingänge mehr bilden. Daher wird hier ein zweiter Lernmechanismus wichtig. Wahrscheinlich lernt ein Erwachsener neue komplexe Bewegungsabläufe dadurch, dass die Kletterfasern solche Purkinjezellen sozusagen abschalten, die auf "ungeeignete" Flutwellen reagiert haben: Deren erregende Eingänge werden derart abgeschwächt, dass bei einem erneuten Auftreten der gleichen Flutwelle die Zelle nicht mehr antwortet. Andere Purkinjezellen, deren Aktivität zum Erfolg der Bewegung beigetragen hat, werden hingegen verstärkt. Auf diese Weise werden die zahlreichen, während der Kindesentwicklung etablierten Flutwellen den veränderten Bewegungsansprüchen des Erwachsenen angepasst.
Mitsprache bei geistigen Prozessen
Die sonderbar gestreckte Form des entrollten Kleinhirns wird nun verständlich. Sein Cortex besteht nach unserer Vorstellung gewissermaßen aus einzelnen Zeilen aus jeweils vielen Parallelfasern. Im entfalteten Kleinhirn verlaufen diese Zeilen quer – auf den Körper bezogen also von rechts nach links und umgekehrt. Jede Zeile erfasst den Einzugsbereich derjenigen Purkinjezellen, die auf dieser Höhe nebeneinander stehen. Nimmt man den Abstand zwischen zwei Purkinjezellen in der Längsrichtung als Zeilenhöhe, dann besitzt das Kleinhirn fast fünfzigtausend Zeilen. Die Zahl möglicher spezifischer Flutwellen mag sogar weitaus größer sein, wenn pro Zeile viele Signalkombinationen verarbeitet werden. Demnach sind im Kleinhirn sicherlich um ein Vielfaches mehr Bewegungsabläufe repräsentiert, als es Zeilen aufweist.
Die Zeilenstruktur erklärt, wieso die Fortsätze der hemmenden Neuronen in der Kleinhirnrinde quer zu den Parallelfasern verlaufen, also in der Längsrichtung des entfalteten Kleinhirns. Dank dieser Anordnung unterdrückt die jeweils am stärksten erregte Zeile die Aktivität in ihren Nachbarzeilen. So ist dafür gesorgt, dass nur die offenbar am besten zusammenstimmende Kombination von im Kleinhirn eintreffenden Signalen in der Großhirnrinde einen Effekt erzielt. Ähnliche, nicht ganz so gute Kombinationen würden den klaren Bewegungsablauf nur stören und werden unterbunden. Dieses Prinzip, Nachbarn zu hemmen, um eine gesonderte Information besonders deutlich herauszustellen, tritt im Nervensystem öfter auf. Zum Beispiel gelingt es so den Zellen in der Netzhaut, Konturen zu verschärfen.
Mit diesem Bild vor Augen lässt sich vorstellen, wieso Kleinhirnläsionen die präzise Steuerung von schnellen Bewegungsabläufen unmöglich machen. Rasche Willkürbewegungen enthalten immer auch "automatische" Komponenten. Kleinhirnläsionen verringern die zeitliche Präzision der Muskelkontraktionen. Dies könnte auch erklären, wieso viele der Patienten Gleichgewichtsprobleme haben und so leicht hinfallen. Um den Körper aufrecht zu halten, muss vermutlich die Aktivität der einzelnen Muskelpartien ständig korrigierend zeitlich genau aufeinander abgestimmt werden.
Erst spät erkannten die Forscher, dass das Kleinhirn neben der Bewegungssteuerung noch mehr Aufgaben besitzt. Die modernen tomographischen Verfahren, die das unversehrte Gehirn gewissermaßen in Aktion zeigen, ermöglichten vor gut einem Jahrzehnt zum ersten Mal, auch das tätige menschliche Kleinhirn zu beobachten. Im Jahre 1989 wendete die Arbeitsgruppe um Peter Fox von der Universität von Texas in San Antonio die Methode bei einer sprachlichen Assoziationsaufgabe an. Zunächst sollten die Probanden Objekte auf Bildern benennen, etwa einen Hund. Erwartungsgemäß war das Kleinhirn dabei aktiv, denn Sprechen erfordert komplexe Muskelkoordinationen. Dann aber sollten die Versuchspersonen zu den Bildern ein passendes Verb finden, wie zu einem Hund das Wort "bellen". Zur Verwunderung der Forscher war das Kleinhirn beim Nennen des Verbs viel stärker aktiv als beim Substantiv. Da die Anforderung an die Motorik für das Sprechen wohl bei beiden Aufgaben gleich groß war, musste die Mehraktivität im Kleinhirn durch die zusätzliche Assoziationsleistung zu Stande gekommen sein, so schlossen die Wissenschaftler. Offenbar beteiligte sich das Kleinhirn bei diesen sequenziellen Denkaufgaben (viele Tätigkeitswörter beinhalten ja gedachte Handlungssequenzen).
Würde das Kleinhirn auch bei anderen geistigen Tätigkeiten mitarbeiten? Zusammen mit James Bower vom California Institute of Technology in Pasadena untersuchte das Team von Fox dies 1996 mit Tastexperimenten. Die Probanden sollten Objekte in einem Beutel entweder nur aufheben und wieder fallen lassen. Oder sie sollten die Objekte, die verschieden raue Oberflächen hatten, anfassen und mit den Fingern voneinander unterscheiden. Wieder erschien den Forschern die motorische Leistung in beiden Fällen vergleichbar. Auch bei dieser Aufgabe war das Kleinhirn beim Ertasten der Oberflächenstruktur viel aktiver als beim Anfassen allein – für Fox und seine Kollegen ein Zeichen, dass das Kleinhirn auch wichtige Aufgaben bei der Wahrnehmung übernimmt.
An Sprache beteiligt
Diese und andere verblüffenden Befunde regten etliche Arbeitsgruppen zu einer Reihe weiterer Studien über eine Beteiligung des Kleinhirns an höheren geistigen Leistungen an. Mehrfach bestätigten Forscher, dass dieser Gehirnteil bisher unterschätzt wurde. Doch bei aller Faszination regte sich auch Kritik an vorschnellen und zu weit reichenden Schlussfolgerungen. Bei solchen Deutungen kann man nicht vorsichtig genug sein. Es ist nämlich viel schwerer, als man meinen sollte, Verhaltensversuche zu entwerfen, bei denen sich geistige von rein motorischen Vorgängen eindeutig trennen lassen. Ein Objekt zu ergreifen, anzuheben und fallen zu lassen ist von den Bewegungen her nicht das Gleiche wie es anzufassen und zu betasten. Auch dürfte Ersteres im Alltag öfter vorkommen, darum eingeübter sein und deshalb dem Kleinhirn weniger Anstrengung abverlangen.
Die Arbeitsgruppe um Fox begegnete der Kritik mit einem weiteren Experiment. Diesmal durften die Probanden im zweiten Versuch nicht selbst tasten, sondern die zu unterscheidenden Objekte wurden an ihren Fingerkuppen gerieben. Aber sogar das erzeugte eine höhere Kleinhirnaktivität als das Heben und Fallenlassen. Das spricht für die Deutung dieser Wissenschaftler, dass das Kleinhirn wirklich noch anderes leistet als früher angenommen. Auch diese Wahrnehmungsleistung könnte man als eine sensorische Unterscheidung von Sequenzen interpretieren.
Doch wenn das Kleinhirn auch mit der Wahrnehmung und mit Assoziationen befasst ist – leiden Kleinhirnpatienten dann an intellektuellen Defiziten? Erfreulicherweise konnten Wissenschaftler dies in mehreren Studien eindeutig widerlegen. Im Intelligenzquotienten unterscheiden die Patienten sich von anderen Testpersonen überhaupt nicht, so demonstrierte das etwa die Arbeitsgruppe um Irene Daum und Hermann Ackermann von der Universität Tübingen.
Hingegen zeigten diese Forscher, dass Kleinhirnkranke bestimmte Sprachlaute schwerer unterscheiden können. Immer dann, wenn man in einer gehörten Silbe die Dauer eines Intervalls präzise erkennen muss, das weniger als hundert Millisekunden beträgt, bekommen solche Menschen Schwierigkeiten. Zum Beispiel dauert im Wort "Boten" die Pause nach dem "o" etwas länger als bei "Boden". Spielt man Gesunden eine Aufnahme des Wortes "Boden" vor und verlängert diese Pause elektronisch um ein bestimmtes winziges Maß, hören sie stattdessen "Boten". Kleinhirnkranke vermögen die beiden Wörter allein an dieser Pause von vornherein nicht zu unterscheiden. Im Alltag behindert sie das allerdings gewöhnlich kaum, denn Sprache enthält genügend redundante akustische Signale, um den Defekt auszugleichen.
Die Erkenntnisse der letzten Jahre haben unser Verständnis vom Kleinhirn nicht nur erweitert, sondern auch grundlegend verändert. Wegen der anatomischen Verbindungen hatten Hirnforscher schon länger vermutet, dass das Cerebellum außer für schnelle Bewegungen auch für manche so genannten höheren Hirnfunktionen wichtig sein könnte. Hierfür mehren sich nun Hinweise.
In neuem Licht erscheint das Kleinhirn, seit wir den Sinn seiner hoch geordneten Anatomie zu verstehen beginnen. Trotzdem bleiben auch zur Erzeugung von Bewegungen noch viele Fragen zu klären. Wie etwa – und auf welchen Bahnen – gehen die Signale aus dem Kleinhirn in die Steuerung von Bewegungsabläufen durch das Gesamtnervensystem ein? Genaues wissen wir darüber bisher sehr wenig. Fest steht nur, dass es den motorischen Zentren der Großhirnrinde auf dem Weg über den Thalamus ständig Informationen liefert. Was dann damit geschieht – wie das Großhirn die Signale bei der Bewegungsplanung und -steuerung einbezieht –, ist eine besonders spannende Frage.
Die neuen Erkenntnisse regen an, nun die Interaktionen des Kleinhirns mit den verschiedenen Arealen der Großhirnrinde gründlicher zu untersuchen. Hiervon erwarten wir in Zukunft wesentliche neue Einsichten in die Gesamtorganisation des Gehirns.
Literaturhinweise
Gehirngespinste. Neuroanatomie für kybernetisch Interessierte. Von Valentin Braitenberg. Springer Verlag, Berlin 1973.
A role for the Cerebellum in Learning Movement Coordination. Von W. T. Thach in: Neurobiology of Learning and Memory, Bd. 70, S. 177 (1998).
The Detection and Generation of Sequences as a Key to Cerebellar Function. Experiments and Theory. Von Valentin Braitenberg, Detlef Heck und Fahad Sultan in: Behavioural and Brain Sciences, Bd. 20, S. 229 (1997).
The Cerebellum and Cognition. Hrsg. von Jeremy D. Schmahmann. Academic Press, San Diego 1997.
Steckbrief
Das Problem
Die Nervenzellen in der Kleinhirnrinde sitzen akkurat in Reih und Glied. Auch ihre Ausläufer stehen senkrecht zueinander. Wie steuert das Kleinhirn mit Hilfe dieses strengen Verflechtungsmusters Bewegungen?
Die These
In der Kleinhirnrinde eintreffende Signale müssen eine gemeinsame Erregungswelle, eine "Flutwelle", erzeugen. Nur dann sendet das Kleinhirn eine Meldung an das Großhirn.
Die vermutete Lösung
Dank der geometrischen Trennung von erregenden und hemmenden Zellkontakten besteht die Kleinhirnrinde aus vielen Tausenden von "Zeilen". In den einzelnen Abschnitten jeder Zeile steckt sozusagen die Koordination für jeweils ganz bestimmte Bewegungen, passend zur Situation. Nur Signale für sauber koordinierte Bewegungen werden ans Großhirn weitergeschickt.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 36
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