Datenakquisition, Segmentierung und Echtzeitverarbeitung: neue Trends
Ein übliches Tomographiegerät erzeugt zunächst ein Tomogramm: ein Bild von einer Ebene, die man sich durch den menschlichen Körper gelegt vorstellen kann. Man pflegt von Computertomographie (CT) schlechthin zu sprechen, wenn Röntgenstrahlen die Rohdaten liefern, von Magnetresonanz-(MR- oder NMR-)Tomographie, wenn es die magnetische Resonanz der Atomkerne ist (Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1980, Seite 120, und Juli 1982, Seite 40). Das Tomogramm ist fernsehbildartig zusammengesetzt aus lauter Pixeln (picture elements), die jeweils ein kleines Quadrat der Bildfläche einnehmen. Zu jedem dieser Bildpunkte gehört eine Zahl, die einer physikalischen Größe wie zum Beispiel der lokalen Elektronendichte entspricht und als Grauwert dargestellt wird.
Nachdem ein Schnittbild fertig ist, verschiebt das Gerät die Aufnahmeebe-ne zum Beispiel um einen Millimeter, macht ein neues Bild und so weiter. Alle Bilder in Gedanken übereinandergestapelt ergeben einen Datenquader, dessen Bestandteile nun – typischerweise – kleinen Würfeln (volume elements, Voxeln) entsprechen. Alle nachfolgenden Verarbeitungsschritte dienen dem Ziel, in den Datenquader gleichsam hineinzuschauen: Man will das Stück des menschlichen Körpers, das dem Quader entspricht, instruktiv darstellen.
Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, welchem physikalischen Prozeß die Pixel jedes ebenen Bildes ihre Entstehung verdanken. Außer Röntgenstrahlen und kernmagnetischer Resonanz kann es auch die Reflexion von Ultraschall sein. Dabei fallen die Daten häufig nicht in Form säuberlich gestapelter Ebenen an. Georgios Sakas berichtet in dem folgenden Beitrag darüber, wie man diese und andere Eigenheiten der Ultraschall-Daten bewältigt.
Das menschliche Sehsystem erkennt die Gestalt von Oberflächen unter anderem, indem es aus der Verteilung von Licht und Schatten – vorbewußte – Schlüsse zieht. Will man dem Betrachter zeigen, wie ein Organ, ein Blutgefäß oder auch ein Tumor geformt ist, muß man ihm die entsprechende Struktur so auf dem Bildschirm darstellen, als wäre sie beleuchtet und vor allem, als wären Haut, Knochen und was sonst davorliegt, transparent oder zumindest durchscheinend (siehe "Räumliche Bilder des Körperinneren" von Hans-Peter Meinzer, Spektrum der Wissenschaft, Juli 1993, Seite 56). Dazu muß der Bildverarbeitungsprozeß das Datenvolumen zerlegen (segmentieren). Das läuft darauf hinaus, jedem Voxel eine Kennung zuzuweisen, die angibt, zu welcher anatomischen Struktur es gehört.
Ein erstes Kriterium liefert der Grauwert selbst: Knochen absorbieren Röntgenstrahlung erheblich stärker als jedes Gewebe, weswegen sie auf klassischen Röntgenbildern auch mühelos zu erkennen sind. Andere Unterschiede, vor allem zwischen gesundem und Tumorgewebe, sind viel geringer und durch Meßungenauigkeiten zusätzlich verwischt. In diesen Fällen muß der Segmentierungsalgorithmus, ebenso wie das menschliche Sehsystem, Wissen aus anderen Quellen zu Hilfe nehmen. Daß die Augäpfel an der Stirnseite des Kopfes liegen, daß von ihnen die Sehnerven ausgehen und sich weiter innen im Kopf überkreuzen – dies ist keineswegs neu; aber wie man solches Wissen geeignet in einen Algorithmus einbaut, dafür gibt es keine generelle Antwort. Über erfolgreiche Einzelansätze berichten Udo Jendrysiak auf Seite 107, Susan Wegner, Helmut Oswald, Peter Wust und Eckart Fleck auf Seite 113 sowie Madjid Fathi, Sabine Schönewald und Ingo Hoffmann auf Seite 116.
Der Rechenaufwand für die Erzeugung solcher Bilder ist erheblich. Aber mit moderner Parallelrechner-Technologie und geschickter Programmierung gelingt es, die Rechenzeit so weit zu verkürzen, daß bis zu zehn Bilder in der Sekunde – fast wie beim Fernsehen – nicht nur abgespielt, sondern auf Anforderung in Echtzeit erzeugt werden. Jürgen Hesser und Reinhard Männer berichten darüber auf Seite 121.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1997, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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