Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Pharmaforschung: In der Sackgasse

Trotz immenser ­Investitionen gibt es noch immer kein Mittel gegen Alzheimer­­­­demenz. Verfolgt die Wissenschaft eine grundlegend falsche Fährte?
Seniorin

Es ist noch früh am Morgen, dennoch sind viele der 840 Plätze im großen Ballsaal des Walter E. Washington Convention Center besetzt. Getanzt wird hier heute nicht. Alzheimerforscher, Pharmavertreter und Journalisten warten an diesem 22. Juli 2015 auf die Vorstellung eines Hoffnungsträgers: Kann das Medikament Solanezumab, ein Antikörper aus dem Haus des Pharmariesen Eli Lilly, das schleichende Abtauchen in die Demenz bremsen oder gar aufhalten?

Die Ankündigung klinischer Befunde schlägt schon vor der Internationalen Alzheimerkonferenz in Wa­shington hohe Wellen. Der Aktienkurs von Eli Lilly erreicht einen Spitzenwert. Sara Reardon schreibt im Fachblatt "Nature", es scheine zum ersten Mal gelungen zu sein, das Fortschreiten der Krankheit zu verlang­samen. "Die Zeit" wittert eine Sensation und überschreibt ihren Artikel mit: "Endlich Hoffnung".

Auch Konrad Beyreuther von der Universität Heidelberg äußert sich nach der Veranstaltung sehr zuversichtlich. "Es ist schon ein Durchbruch", betont der Alzheimerforscher in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen". Der Antikörper könne bei einigen Patienten den kognitiven Abbau um gut ein Drittel verringern. "Die bisherigen Daten sind auf jeden Fall ein Beweis, dass Amyloid der molekulare Verursacher der Alzheimerkrankheit ist."

Dahinter steckt die "Amyloid-Hypothese". Demnach sind es die klumpigen Ablagerungen aus dem körpereigenen Eiweißstoff beta-Amyloid (kurz A-beta), welche die Nervenzellen abtöten und damit den geistigen Verfall bei Alzheimer­patienten verursachen. Gelänge es, die Bildung dieser unlöslichen Plaques zu hemmen oder sie zu entfernen – etwa mit Hilfe von Antikörpern –, könnte die Demenz gestoppt oder verlangsamt werden, so die Hoffnung.

Alois Alzheimer selbst hatte die Ablagerungen im Gehirn der 56-jährigen Auguste Deter 1907 mit nur zwei Sätzen erwähnt ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wie das Immunsystem wieder normal werden könnte

Neue Hoffnung bei Autoimmunkrankheiten: Erfahren Sie in unserem Artikel, wie innovative Behandlungsansätze das Immunsystem wieder normalisieren könnten. Plus: Warum gehen Wahlen oft knapp aus? Einblicke in die Mathematik politischer Entscheidungen.

Spektrum - Die Woche – Süßes Gift?

Entdecken Sie die Vorteile und Risiken einer zuckerfreien Ernährung in unserem Artikel »Süßes Gift«. Plus: Erfahren Sie in unserer Kolumne, warum im amerikanischen Wahlsystem nicht immer die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt. Jetzt mehr erfahren!

Spektrum - Die Woche – Die Intelligenz des Lebens

Können Pflanzen, Pilze und Zellen denken? Die Diskussion um »minimal intelligence« fordert uns heraus, das Verständnis von Kognition zu überdenken und unsere Ansätze in vielen Lebensbereichen zu verändern. Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der aktuellen Ausgabe »Spektrum - Die Woche«.

  • Quellen

Albrecht, H., Bahnsen, U.: Endlich Hoffnung. In: Die Zeit, 14.7.2015, S. 29-30

Alzheimer, A.: Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde. In: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin 64, S. 146-148, 1907

Alzheimer, A.: Über eigenartige Krankheitsfälle des späten Alters. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 4, S. 356-385, 1911

Demetrius, L. A. et al.: Alzheimer's Disease: The Amyloid Hypothesis and the Inverse Warburg Effect. In: Frontiers in Physiology 5, 522, 2015

Doody, R. S. et al.: Phase 3 Trials of Solanezumab for Mild-to-Moderate Alzheimer's Disease. In: New England Journal of Medicine 370, S. 311-321, 2014

Eikelenboom, P. et al.: Inflammation and Alzheimer's Disease: Relationships between Pathogenic Mechanisms and Clinical Expression. In: Experimental Neurology 154, S. 89-98, 1998

Grübler, B.: Die Forschung steht unter Druck. In: Deutsches Ärzteblatt 109, S. A26-A28, 2012

Henneka, M. T. et al.: Effect of Pioglitazone Medication on the Incidence of Dementia. In: Annals of Neurology 78, S. 284-294, 2015

Henneka, M. T. et al.: Neuroinflammation in Alzheimer's Disease. In: The Lancet Neurolgy 14, S. 388-405, 2015

Lansdall, C. J.: An Effective Treatment for Alzheimer's Disease Must Consider both Amyloid and Tau. In: Bioscience Horizons 7, hzu002, 2014

Lomangino, K.: Taking Stock of New Alzheimer's Drug Coverage: A "Landmark breakthrough" that Offers no "Clinically Apparent Benefit". In: HealthNewsReview, 24.7.2015

Lüthi, T.: Sind die Forscher auf dem Irrweg?In: Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 21.2.2015

Ming, C. et al.: Scientific Truth or False Hope? Understanding Alzheimer's Disease from an Aging Perspective. In: Journal of Alzheimer's Disease 24, S. 1-10, 2011

Morris, G. P. et al.: Inconsistencies and Controversies Surrounding the Amyloid Hypothesis of Alzheimer's Disease. In: Acta Neuropathologica Communications. 2, 135, 2014

Müller-Jung, J.: Heilung - wie nah ist man wirklich dran?In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.8.2015

Pahnke, J. et al.: Cerebral ABC Transporter-common Mechanisms May Modulate Neurodegenerative Diseases and Depression in Elderly Subjects. In: Archives of Medical Research 45, S.738-743, 2014

Pluta, R. et al.: Sporadic Alzheimer's Disease Begins as Episodes of Brain Ischemia and Ischemically Dysregulated Alzheimer’s Disease Genes. In: Molecular Neurobiology 48, S. 500-515, 2013

Rafii, M. S., Aisen, P. S.: Advances in Alzheimer's Disease Drug Development. In: BMC Medicine 13, 62, 2015

Reardon, S.: Alzheimer's Drugs Show Progress. In: Nature 523, S. 509-510, 2015

Selkoe, D. J.: Resolving Controversies on the Path to Alzheimer's Therapeutics. In: Nature Medicine 17, S. 1060-1065, 2011

Underwood, E.: Antibody Drugs for Alzheimer's Stir Hope and Doubts. In: Science, 22.7.2015

Zinkant, K.: Heillose Gerüchte um ein neues Alzheimermedikament. In: Süddeutsche Zeitung, 25.7.2015

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.