Zytologie: Auf Tuchfühlung
Kaum jemand nahm Notiz davon, als Jean Vance vor 30 Jahren etwas Fundamentales über Zellbestandteile herausfand. Zunächst zweifelte sie sogar selbst an ihren Ergebnissen, denn der Weg zu ihrer Entdeckung war voller Hindernisse gewesen. Vance arbeitete als Zellbiologin allein in einem frisch eingerichteten Labor an der University of Alberta in Edmonton, Kanada. Bei einem ihrer Versuche hatte sie mit Rattenlebern experimentiert und daraus – so meinte sie zumindest – reine Mitochondrien isoliert, jene Zellorganellen, die einer Zelle nutzbare Energie bereitstellen und deshalb winzigen Kraftwerken ähneln. Tests ergaben jedoch, dass ihre Probe noch etwas anderes enthielt, das eigentlich nicht darin sein sollte. »Ich glaubte, einen großen Fehler gemacht zu haben«, erinnert sich die Forscherin.
Nach zusätzlichen Reinigungsschritten stellte die Zellbiologin fest, dass an den Mitochondrien verschiedene Strukturen aus dem Zellinnern klebten – wie Kaugummi an einer Schuhsohle. Es handelte sich dabei um Bestandteile des endoplasmatischen Retikulums (ER), eines weiteren Zellorganells, das einem verzweigten Kanalsystem ähnelt und der Herstellung von Proteinen und Fetten dient. Andere Biologen hatten auch schon beobachtet, dass Teile des ER mitunter an Mitochondrien hängen bleiben, dies aber als einen Effekt interpretiert, der durch die Probenbehandlung künstlich entsteht. Vance hingegen erkannte, dass die Organellen nicht grundlos miteinander verklebt sind – und hier die Lösung eines großen Rätsels der Zellbiologie liegen könnte …
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