Wissenschaftsgeschichte: Der Kampf um das unendlich Kleine
Wie berechnet man den Flächeninhalt eines Kreises, einer Ellipse oder allgemein einer krummlinig begrenzten Figur? Oder in drei Dimensionen: Wie bestimmt man das Volumen einer Kugel, eines Kegels oder eines Zylinders? Die klassische Geometrie der griechischen Antike, niedergelegt in den berühmten "Elementen" des Euklid, stellt nicht unmittelbar Antworten auf diese Fragen bereit. In einem Geniestreich gelang es Archimedes von Syrakus (um 287 – 212 v. Chr.), mit den eigentlich unzulänglichen Mitteln der euklidischen Geometrie gewisse spezielle Flächeninhalte und Volumina zu bestimmen. Insbesondere fand er die Fläche des Kreises und damit eine bis dahin unerreichte Näherung an die Zahl p.
Mehr als anderthalb Jahrtausende später unternahm der italienische Mönch, Mathematiker und Astronom Bonaventura Francesco Cavalieri (1598 – 1647) Schritte über Archimedes hinaus. Seine "Methode der Indivisiblen" zeigt starke Ähnlichkeiten mit heute üblichen Näherungsverfahren. Um zum Beispiel das Volumen eines krummflächig begrenzten Körpers zu finden, kann man ihn in dünne Scheiben schneiden. Das Volumen jeder Scheibe wäre nach Archimedes gleich deren Dicke mal dem Flächeninhalt ihrer Oberfläche – wenn die niedrigen Seitenwände der Scheibe exakt senkrecht stünden, so dass man die Scheibe als verallgemeinerten Zylinder auffassen könnte. Aber dieser Fehler ist klein und geht vor allem gegen null, wenn man die Scheibchen unendlich dünn macht.
Ein solches unendlich dünnes Scheibchen nennt Cavalieri eine "Indivisible" ("Unteilbare"), weil man etwas unendlich Kleines nicht weiter zerkleinern kann. Entsprechend zerlegt er eine krumme Fläche in indivisible Geradenstücke und eine Strecke in indivisible Punkte, "so wie ein Buch aus einzelnen Blättern und ein Tuch aus einzelnen Fäden besteht". ...
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