Spezial Gewalt: Der Krieger in uns
"Ich habe andere richtig gequält. Nachts sind wir losgezogen, um Dörfer zu überfallen. Alle, die wir trafen, haben wir kaltgemacht. Wenn uns eine Frau über den Weg lief, haben wir sie vergewaltigt. Männer haben wir geschlagen ... Nach einem Kampf töteten wir alle – außer hübschen Frauen. Die nahmen wir mit. Wenn sie sich gewehrt haben, mussten sie bestraft werden ... Kämpfen ist alles im Leben eines Mannes. Wenn ich das Feuern von Gewehren höre, wünsche ich mir nichts anderes, als zu kämpfen. Dieser Durst sitzt tief in mir."
Es fällt schwer, die unglaublichen Gräuel, die der junge Mann schildert, mit seiner ausgemergelten, aber freundlichen Miene in Verbindung zu bringen. Wir sind in Goma, einer düsteren Stadt am östlichen Ende der vom Bürgerkrieg zerrütteten Demokratischen Republik Kongo. Unser Team aus Wissenschaftlern der Hilfsorganisation "vivo international" und der Universität Konstanz sitzt fröstelnd in einem Zeltlager, in dem die Vereinten Nationen ehemalige Kindersoldaten unterbringt. Die mittlerweile jungen Männer, die per Hubschrauber oder Lkw über Hunderte von Kilometern aus dem Busch hierher gebracht wurden, sind nervös.
Seit ihrer Evakuierung aus den Kampfgebieten geschieht nichts. Ihren Drogenkonsum mussten sie schlagartig abbrechen, manche von ihnen zeigen starke Entzugserscheinungen. Ein Junge leidet an einer Lungenentzündung. Jeder seiner Atemzüge rasselt, er stöhnt im Fieber vor Schmerzen. Andere kommen mit Schussverletzungen, die sich entzündet haben.
Zunächst aber Verhöre. Kalt und misstrauisch werden die ehemaligen Kämpfer von Mitarbeitern der MONUSCO, der UN-Organisation zur Stabilisierung des Kongo, befragt: "Welche Einheit? Wer war der Kommandant? Wie groß ist eure Truppe? Wo steht ihr? Und versuch erst gar nicht zu lügen, Kerl!" Erst danach gibt es etwas zu essen und, mit ein wenig Glück, eine Hand voll Paracetamol. Dann können sie mit den Weißen sprechen – den Psychologinnen und Psychologen aus Deutschland. Vorausgesetzt, sie wollen. Doch alle wollen.
Forschungen über Gewalt müssen sich auch auf die Angreifer erstrecken – das haben wir nach vielen Einsätzen in den Krisenregionen der Erde verstanden ...
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen