Der Mukoviszidose auf der Spur
Mit dem Rasterkraftmikroskop suchen Mediziner das krankheitsbestimmende Membranprotein CFTR.
Ein defektes Gen auf Chromosom 7 verursacht eine der häufigsten Erbkrankheiten in der weißen Bevölkerung – von 2500 Menschen erkrankt immerhin einer an Mukoviszidose. Das Gen enthält den Bauplan des Eiweißmoleküls CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator), das die Epithelien insbesondere von Lunge, Leber und Bauchspeicheldrüse feucht halten sollte, indem es den Durchtritt von Ionen durch die Plasmamembran (Zellhülle) und somit den Salz- und Wassertransport reguliert. Das schadhafte Gen erzeugt ein funktionsunfähiges Protein, die Sekrete dicken ein, und die Organe verstopfen.
Häufigkeit und Schwere dieser Erkrankung haben Forscher aus vielen Disziplinen auf den Plan gerufen. Inzwischen hat sich CFTR als äußerst vielseitiges Molekül entpuppt. Zu seinen besonderen Eigenschaften zählt die Fähigkeit, mit anderen Molekülen in der Plasmamembran Cluster zu bilden, also Molekülfamilien, deren Mitgliedern verschiedene wichtige Aufgaben zukommen. So sorgt das gesunde Protein dafür, daß Chlorid-Ionen auf epitheliale Oberflächen gelangen, während es gleichzeitig den Abtransport von Natrium-Ionen über spezialisierte Proteinporen behindert. Das Resultat: Salz an der Oberfläche und damit auch Wasser.
Wichtige Erkenntnisse verdanken wir der Rastersondenmikroskopie. So wissen wir heute, daß CFTR auch mit verantwortlich dafür ist, daß größere Moleküle wie das energiereiche Adenosintriphosphat (ATP) aus dem Inneren der Zellen an deren Oberfläche geschwemmt werden und dort innerhalb eines Clusters ihre Wirkung entfalten. In Zusammenarbeit mit amerikanischen Physiologen der Yale Universität und der Johns-Hopkins-Universität gelang es an unserem Institut, eine Rastersonde so zu konditionieren, daß sie schon wenige ATP-Moleküle detektierte.
Dazu wurde ein "Muskel"-Molekül, das Myosin, auf der Tastspitze angeklebt; bei Kontakt mit ATP verändert es schlagartig seine Form und versetzt dadurch die Rastersonde für wenige hundertstel Sekunden in Schwingung. Auf diese Weise wurde zum ersten Mal ATP in "Pfützen" auf der Oberfläche von CFTR-haltigem, gesundem Lungenepithel direkt nachgewiesen (es dient hier nicht als Energielieferant für die jeweilige Zelle, sondern vermittelt Signale vom Zellinneren an die Außenwelt; nur gesundes CFTR ermöglicht diesen physiologisch wichtigen "Botengang").
Trotz der enormen Fortschritte auf diesem Gebiet wissen wir nur ungenau, wie so ein Cluster aussehen muß, damit er funktioniert. Wieviele verschiedene Familienmitglieder gibt es jeweils? Wie kommunizieren sie miteinander? Ohne molekulare, räumliche Identifikation der "Individuen" in ihrer natürlichen Umgebung ist das Organisationsprinzip der Plasmaproteine in der Zellmembran vorerst nicht zu entschlüsseln.
Auch mit Rastersondenmikroskopen gelingt es zumindest zur Zeit nicht, auf einer unversehrten Zelle nach einem wenige Nanometer großen Molekül zu fahnden. Eine Kraft von wenigen Nanonewton reicht nämlich aus, um die Plasmamembran einzudrücken und die dort verankerten Eiweißmoleküle aus dem Sichtfeld zu bewegen. Zur Lösung injizieren wir einer dem afrikanischen Krallenfrosch Xenopus Laevis frisch entnommenen Eizelle – mit einem Durchmesser von mehr als einem Millimeter ist diese Zelle sehr gut manipulierbar – Botenstoffribonukleinsäure des CFTR-Gens. Über Nacht produziert dann eine solche Eizelle Millionen dieser Proteine; auf ein Hormonsignal hin werden sie in die Zellmembran eingebaut. Rollt man die Eizelle danach für Sekunden über Glas, bleiben winzige Fragmente der Plasmamembran zurück.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Identifikation des CFTR ist noch nicht gelungen. Wir konnten bisher aber eine Vielzahl noch namenloser Membranproteine in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar machen. Demnach sitzen hunderte davon einzeln und in Gruppen in der Plasmamembran, ragen auf der einen Seite mehrere Nanometer heraus und strecken auf der anderen bestimmte Moleküldomänen ins Zellinnere. In diesem "Geröllfeld" muß sich auch das gesuchte Molekül befinden. Mehr wissen wir bislang noch nicht.
Mancher experimenteller Artefakt gibt unerwartete Details preis. Zieht sich beispielsweise der fetthaltige Anteil der Zellmembran von der Glasoberfläche zurück, hinterläßt er einige Membranproteine in voller Größe (siehe Bild vorige Seite). Dadurch ergibt sich nun die Möglichkeit, deren Volumen und Molekülmasse abzuschätzen, ein wichtiger Schritt bei der Identifizierung. Mitunter gelingt auch ein flüchtiger Blick in die Unterstrukturen eines Clusters oder auf seinen Entstehungsprozeß.
Mit der rasterkraftmikroskopischen Darstellung der Membranproteine ist ein erster Schritt zur Erkennung des "Lebens auf der Zelloberfläche" getan. In interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Biophysikern, Physiologen und Medizinern könnte es in den nächsten Jahren tatsächlich gelingen, "den Molekülen bei ihrer Arbeit" zuzusehen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 105
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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