Aphasie: Die Frau, die schließlich schwieg
Die 51 Jahre alte Apothekerin konsultierte mich wegen Problemen mit ihrer Aussprache, die sich in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert hätte. Sie arbeitete noch in der Apotheke, zog es inzwischen allerdings vor, im Hinterzimmer zu bleiben, statt die Kunden zu beraten. Davon abgesehen war Frau W.* bei bester Gesundheit.
Während unserer Unterhaltung fiel mir tatsächlich auf, dass die Französin langsam und mit sehr monotoner Stimme sprach. Außerdem artikulierte sie die Laute, die so genannten Phoneme, so undeutlich, dass sie für mich manchmal schwer zu unterscheiden waren: Das sch ähnelte eher einem s, und das t bewegte sich irgendwo zwischen t und d. Auch gerieten die Reihenfolge und Auswahl der Phoneme bisweilen durcheinander. Auf meine Bitte hin, das Wort »chasseur« (französisch für Jäger, Aussprache in etwa »Schassör«) auszusprechen, sagte sie Saschör, vertauschte demnach s- und sch-Laut. Statt »mardi« (Dienstag) sagte sie »mawerdi«, integrierte also die Silbe we, die darin gar nichts zu suchen hatte. Dagegen konnte sie die Wörter ganz richtig schreiben. Als ich ihr ein Bild zeigte und sie darum bat, dieses schriftlich zu beschreiben, fielen mir zwei Sätze auf: »Waschbecken ist voll« und »Mann steht auf Stuhl« – hier ließ sie die Artikel (der, die, das) weg. Andererseits hatte Frau W. keine erkennbaren Probleme zu verstehen, was ich ihr erklärte ...
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben