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Hochwasserschutz: Dezentraler Hochwasserschutz


Als die Pegelstände an Neckar und Rhein im Winter 1993 zu Rekordmarken aufliefen, traten auch die Bäche des Kraichgaus, des Lößhügellands zwischen Odenwald und Schwarzwald, über die Ufer (Bild 1). Überregionale Medien berichteten darüber kaum, wie auch ein halbes Jahr später das extreme Hochwasser im Einzugsgebiet der Elsenz, die dort dem Neckar zufließt, fast keine Beachtung fand.

Mögen diese Ereignisse in der Provinz unspektakulär erscheinen, so sind die Folgen doch nicht weniger bedeutsam. Der von den Versicherungen erfaßte Schaden beider Hochwasser im Kraichgau belief sich auf 300 Millionen Mark – ein Zehntel des Gesamtschadens im Rheingebiet. Diese Relation überrascht vor allem bei Vergleich der betroffenen Flächen: Mit 550 Quadratkilometern ist das Einzugsgebiet der Elsenz dreihundertmal kleiner (sein Anteil an dem des Neckars beträgt etwa vier Prozent).

Es wäre deshalb verfehlt, Konzepte des Hochwasserschutzes an solchen kleineren, meist ländlichen Gebieten vorbei zu entwickeln. Hier dürften die für große Flüsse wie Rhein und Neckar erwogenen zentralen Maßnahmen wie die Rückführung von Nutzflächen als Retentionsraum oder die Anlage großer Rückhaltespeicher in der Regel zu kostspielig sein; außerdem vernachlässigen sie das in Agrargebieten oft wichtige Problem der niederschlagsbedingten Bodenerosion.

Der Einfluß des Menschen



Hochwasser werden von intensiven Regenfällen ausgelöst, doch zweifellos verschärfen Eingriffe des Menschen in die Landschaft das Problem. Belege dafür finden sich bereits in den Hochflutlehmen außerordentlicher Überschwemmungen aus historischer und vorgeschichtlicher Zeit.

Diese durch Hochwasser abgelagerten Sedimente schließen kiesige Flußanschüttungen nach oben ab; so entstanden Auenterrassen, die sich mit der Kohlenstoff-14-Methode, anhand der Jahresringe eingelagerter fossiler Baumstämme oder durch archäologische Fundstücke gut datieren lassen. Die ältesten derartigen Ablagerungen reichen in Europa weiter als 7000 Jahre zurück, also bis vor die Jungsteinzeit, in der erste Siedlungen entstanden.

Die Analyse zeigt, daß Hochwasser lange nur ein geringes Ausmaß hatten und wenig Erosionsmaterial transportierten. Erst seit der Eisenzeit sind weiter ausgreifende und mächtige Überschwemmungen belegt; die Ablagerungen deuten auf vermehrten Bodenabtrag durch zunehmende Rodung der Wälder hin. Pollenanalysen zufolge war in weiten Teilen des römischen Germaniens der Anteil des Kulturlandes ähnlich hoch wie heute. Ablagerungen von Hochwassern des Früh- und Spätmittelalters, der frühen Neuzeit sowie des 19. Jahrhunderts lassen sich mit Bevölkerungswachstum und reger Siedlungstätigkeit in Verbindung bringen. Selbst die Flutkatastrophe vom Sommer 1342, die ganz Mitteleuropa heimsuchte, dürfte nicht allein auf extreme Niederschläge zurückzuführen sein.

Um Methoden zur Hochwasservorsorge zu entwickeln und zu prüfen, wäre es hilfreich, den anthropogenen Einfluß möglichst genau zu bestimmen; dies gelingt aber bislang nur für die Wirkungen von Entwaldung, Flächenversiegelung und Flußausbau. Beispielsweise ergaben Modellrechnungen für ein Teilgebiet der Emscher von 33 Quadratkilometern, daß die von einem hypothetischen Einheits-Starkregen bei 40prozentiger Bodenversiegelung ausgelöste Flutwelle fünfmal so hoch ist und doppelt so schnell abläuft wie vor der Urbanisierung. Ebenso läßt sich ausrechnen, daß der

Scheitel des historischen Hochwassers im Winter 1882/83 bei Worms unter der Annahme eines wie 1977 ausgebauten Oberrheins nicht 5940, sondern 7760 Kubikmeter pro Sekunde betragen hätte und anderthalb Tage früher eingetroffen wäre.

Alternativ oder ergänzend zu solchen Modellrechnungen vergleicht man das hydrologische Verhalten naturnaher und bearbeiteter Flächen unter künstlicher Beregnung. Relativ unbeeinflußte Verhältnisse finden sich noch im Nadelwald höherer Mittelgebirgslagen, auf

im Mittelalter nicht erodierten Böden und im Mischwald sowie auch bei Öd- und Brachland, deren Anteile an der

Fläche der Bundesrepublik aber nur wenige Prozent ausmachen.

Untersucht wird bei solchen Experimenten das Einsickern in den Boden durch enge Hohlräume; im Unterschied zu dieser Infiltration versteht man unter der Durchsickerung die Bewegung des Wassers in tiefere Schichten, gegebenenfalls bis zum Grundwasser (Spektrum der Wissenschaft, April 1998, Seite 86). Selbst bei wassergesättigtem Boden wurden in naturnahem Wald und Ödland Restinfiltrationsraten von 50 bis über 90 Millimeter pro Stunde ermittelt – rund zehnmal soviel wie bei Vergleichsmessungen auf einem konventionell bewirtschafteten Acker.

Bewuchs, aber auch das Mulchen, also das Bedecken des Bodens mit Pflanzenteilen, mindern die Bewegungsenergie der auftreffenden Regentropfen und bremsen oberflächlich abfließendes Wasser, verringern also dessen erodierende Schleppkraft. Die Struktur der Oberfläche bleibt erhalten und damit auch die zum Einsickern erforderliche Porosität. Beispielsweise erreicht der Abfluß auf unbedecktem Acker nach 20 Millimeter Regen – also 20 Liter Wasser auf einem Quadratmeter – eine Intensität von 25 Millimeter pro Stunde, bei 55prozentiger Bedeckung mit 1,5 Tonnen Mulch pro Hektar hingegen weniger als ein Sechstel davon.

Eine vergleichbare Wirkung im Siedlungsbereich hat das Zwischenspeichern des von Dächern ablaufenden oder direkt in die Kanalisation fließenden Regenwassers in Rückhaltebecken oder eben in den Kanälen. Zusätzlich können offenporige Pflasterbeläge und Grünflächen den Versiegelungsgrad mindern. Das Ziel solcher lokalen Maßnahmen ist stets, soviel Wasser solange wie möglich auf engem Raum zurückzuhalten.

Gerade in kleinen Flußeinzugsgebieten läßt sich mit dezentralen Maßnahmen die Hochwassergefahr beträchtlich verringern. Der Anteil von Ackerland beträgt dort oft 80, der Versiegelungsgrad durch Siedlungs- und Verkehrsflächen häufig mehr als 30 Prozent. Es sei auch angemerkt, daß sich ein von Natur aus schlecht speichernder Untergrund ebenso wie eine bodenverdichtend bewirtschaftete Kulturfläche schnell quasi versiegelt verhält, wodurch urbaner und landwirtschaftlicher Raum in ihrem Abflußverhalten durchaus vergleichbar werden. Wissenschaftler des Fachgebiets Bodenkunde der Universität Trier schlagen deshalb vor, den Volumenanteil an Grobporen in verdichteten Ackerböden durch Lockern bis in 90 Zentimeter Tiefe um etwa fünf Prozent anzuheben. Bei Kosten von 1000 Mark je Hektar – anschließende nachhaltige Bewirtschaftung vorausgesetzt – würde sich das Speichervolumen dadurch langfristig um rund 30 Millimeter erhöhen.

In großen Einzugsgebieten beträgt der Anteil der Ackerflächen 30 und der urban bedingte Versiegelungsgrad im allgemeinen weniger als 10 Prozent der Gesamtfläche. Dezentrale Maßnahmen erscheinen dort zunächst nachrangig, obgleich Friedhelm Sieker von der Universität Hannover schätzt, daß der Hochwasserscheitel im Dezember 1993 am Pegel Köln immerhin um bis zu einem halben Meter niedriger hätte sein können, wenn der Abfluß auf den versiegelten Flächen im Einzugsgebiet des Rheins um ein Viertel geringer ausgefallen wäre.




Beispielhafte Projekte

Aufgrund enormer Überflutungsschäden im gut 49 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Bauna, eines Nebenflusses der Fulda, legte das Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Gesamthochschule Kassel einen Katalog von Maßnahmen vor, die nach Detailplanung, fachtechnischer Prüfung und definitiver Entscheidung durch das Regierungspräsidium Kassel seit 1995 umgesetzt werden. Ergänzt durch weitere lokale Vorhaben, sind im einzelnen vorgesehen:

– die Anlage von alles in allem 32 Klein- und Kleinstrückhalten mit maximalen Stauhöhen von fünf Metern über Geländehöhe,

– der Ausbau des Kanalstauraums,

– die Umwandlung von zehn Prozent der Ackerfläche in Wald,

– die Wiederherstellung natürlicher Fluß- und Bachverläufe einschließlich der Anlage von bis zu zehn Metern breiten Uferrandstreifen,

– eine Entsiegelung von urbanen Flächen und Anlage von Retentionsmulden zur Regenwasserbewirtschaftung.

Vergleichbare Konzepte wurden auch im Rahmen des Naheprogramms der Landesregierung von Rheinland-Pfalz für das rund 4000 Quadratkilometer große Nahegebiet entwickelt.

Der Vorhabenkatalog des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft und des Bayerischen Landtages umfaßt Hochwasserschutzstrategien im Landwirtschaftsbereich wie die Anlage von Kleinspeichern, das Erhalten von Grünland und die Minderung des Oberflächenabflusses aus dem Wegenetz, der gemessen an den Flächen der Wege meist überproportional anfällt.

Die hessische Kurstadt Bad Orb legte ab 1991 im etwa 33 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Orb oberhalb der Stadt 400 Flutmulden von je rund zehn Kubikmetern Fassungsvermögen entlang land- und forstwirtschaftlicher Wege an (Bild 2); sie nehmen abfließendes Wasser auf, und es kann in den Mulden oder ihrer Umgebung versickern. Eigenem Bekunden zufolge blieb die Ortschaft nach Abschluß der Arbeiten von Überschwemmungen verschont. Entsprechende Projekte sind von fünf weiteren hessischen Gemeinden und Forstämtern geplant (Stand November 1997).

Erste Projekte zum Hochwasserschutz im Kraichgau gehen auf Untersuchungen des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Karlsruhe in den siebziger Jahren zurück. Die beiden genannten schweren Überflutungen haben die Planungen beschleunigt und die Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-Württemberg veranlaßt, den Gemeinden des Elsenzgebiets den Bau von 99 Rückhaltebecken – einschließlich des Ausbaus von sechs bereits vorhandenen – mit einem Gesamtspeichervolumen von etwa 3,5 Millionen Kubikmetern zu empfehlen; die Kosten würden sich auf 69,2 Millionen Mark belaufen.

Mag ein solches Beckensystem einem weit entfernten Unterlieger wie der Stadt Köln dezentral erscheinen, wirkt es vor Ort doch eher als zentrale Maßnahme: Zwar würden Gebiete flußabwärts jeweils geschützt, doch ließe sich die Überflutung und vor allem die Erosion von Böden außerhalb der Bachaue nicht verhindern.

Demgegenüber plant das Geographische Institut der Universität Heidelberg für Eppingen an der oberen Elsenz, also für ein Gebiet von 75 Quadratkilometern, ausdrücklich dezentrale, integrierte Maßnahmen:

– kleine, Sediment zurückzuhaltende Flächen,

– Rückhalteareale hinter Wegtrassen und kleinen Erddämmen mit einem maximalen Fassungsvermögen von jeweils 50000 Kubikmetern in den Auen der in die Elsenz mündenden Bäche; diese Bereiche lassen sich zudem als Weide nutzen oder dienen als Feuchtbiotope;

– Gewässerrandstreifen, um die Rauhigkeit der Oberfläche zu erhöhen, so daß Turbulenzen das abfließende Wasser verzögern;

– Entsiegelung, Steigern der Versickerung, Regenwassernutzung und andere Maßnahmen des Siedlungswassermanagements sowie

– erosions- und abflußhemmende Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Dieser Ansatz verdeutlicht, daß dezentraler Hochwasserschutz in hohem Maße auch ökologisch sinnvoll ist. Konflikte mit ökonomischen Interessen lassen sich durch geeignete Auswahl und Mehrfachnutzung von Retentionsgebieten mildern, vor allem aber durch gezielte Aufklärung darüber, daß eine Förderung des Wasserrückhalts zugleich der Erosion entgegenwirkt und so dem Bodenschutz dient.






Ein möglicher Beitrag der Landwirtschaft

Dieses Argument sticht vor allem im Kraichgau, der vermutlich großflächig am stärksten durch Erosion gefährdeten Agrarlandschaft der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen 1978 und 1987 wurden Jahr für Jahr Bodenverluste mit Spitzenwerten von mehr als 300 Tonnen pro Hektar festgestellt (Bild 3). Der Durchschnitt betrug bei typischer Fruchtfolge 30 bis 60 Tonnen pro Hektar und Jahr je nach Hanglage; davon wurden 20 bis 90 Prozent am Fuß des Hangs wieder abgelagert, der Rest gelangte ins Gewässernetz.

Erste Untersuchungen zeigten, daß Bodenerosion und Wasserabfluß sehr eng miteinander verknüpft sind und jeweils durch Niederschlag ausgelöst werden. Beispielsweise fällt im Kraichgau statistisch gesehen einmal in zehn Jahren ein 12 Stunden dauernder Sommerregen von insgesamt 47 Millimetern. Der Starkregen, der das Hochwasser im Juni 1994 verursachte, überdeckte fast den gesamten Kraichgau.

Insbesondere die Sinsheimer Landeskulturgesellschaft Bioplan entwickelt seit 1995 in Feldversuchen Methoden, das Ausmaß solcher Schäden künftig zu minimieren (den Auftrag erteilten verschiedene Kommunen und die Landwirtschaftsämter Sinsheim und Eppingen). Beregnungsexperimente auf konventionell und alternativ bebauten hängigen Ackerflächen ergaben, daß sich dort jeglicher Oberflächenabfluß selbst bei extremem Niederschlag auf ein unschädliches Maß reduzieren läßt.

So wurde ein 30minütiger natürlicher Starkregen von 20 Millimetern Höhe, wie er laut Statistik einmal in sieben Jahren vorkommt, bei herkömmlicher Pflugbewirtschaftung eines Kartoffelversuchsfeldes durch kleine Querdämme im Abstand von etwa einem Meter zurückgehalten (Bild 4 unten); hingegen floß das Wasser ohne solche Sicherung weitgehend ab. Diese Feldfrucht setzt man in Längsdämmen; dank der quer dazu etwa 20 Zentimeter hoch aufgehäufelten Erde konnte der Regen problemlos seitlich versickern. Im Experiment wurden selbst noch höhere Niederschläge verkraftet: Während 24 Millimeter Regenhöhe nach 40 Minuten (was alle acht Jahre einmal vorkommt) auf einer gepflügten Kartoffelparzelle ohne Querdämme als Sturzbach abflossen, war auf dem benachbarten Feld mit dieser Sicherung und in den Boden eingearbeiteter Mulchung erst nach weiteren 20 Minuten Beregnung ein leichter Anstau hinter den Querdämmen in der Fahrspur erkennbar; insgesamt fielen dabei 46 Millimeter Niederschlag, was statistisch gesehen einmal in 95 Jahren geschieht.

Große Unterschiede in der Versickerungsrate ergab auch der Vergleich von Maisfeldern im nordöstlichen Kraichgau, die teils herkömmlich gepflügt, teils flach (also nicht wendend) bearbeitet und mit Mulch bedeckt wurden oder in die man direkt einsäte: Auch bei starker Beregnung floß in den letzten beiden Fällen kein Wasser oberflächlich ab.

Diese Erfahrungen will man nun regional umsetzen. So hat der Maschinenring Kraichgau mit Sitz in Sinsheim, ein Zusammenschluß von Bauern zur gemeinschaftlichen Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen, mehrere teure Mulch- und Direktsaatgeräte für den Maisanbau angeschafft. Dazu gehören Grubber, also Eggen mit wenigen, aber kräftigen Zinken, die den Mulch am Ort belassen, sowie Kreiseleggen, also rotierende Rundeggen. Schlitzfräsen schneiden den Boden auf und legen die Maiskörner in die Öffnung. In der Kartoffelregion südlicher Kraichgau, Zabergäu und Heilbronner Senke wird seit 1996 mit finanzieller Unterstützung von Land, Kommunen und Anbauverbänden der überbetriebliche Einsatz eines speziell für diese Feldfrucht entwickelten Geräts zur oberflächlichen Lockerung und Querhäufelung erprobt.

Schonende Bodenbearbeitung und andere dezentrale Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind noch Neuland und werden derzeit nur auf kleineren, überschaubaren Flächen exemplarisch erprobt. So hat Bioplan ein entsprechendes Schutzkonzept für das 2,2 Quadratkilometer große und zu 80 Prozent ackerbaulich genutzte Einzugsgebiet des Massenbachs oberhalb des gleichnamigen Ortes im östlichen Kraichgau ausgearbeitet. Dabei soll auf konventionellen Dammbau verzichtet und das bestehende Flur-, Fließgewässer- und Wegesystem erhalten werden.

Ein von den Landwirten und der Stadt Schwaigern angenommener Vorentwurf erfaßt die kritischen offenen Ackerflächen, deren Anteil bei 30 Prozent liegt. Ermittelt wurden zudem beobachtete oder aufgrund der Fallinien wahrscheinliche Abflußbahnen bei Starkregen auf Wegen und im Gewann (einem durch Wirtschaftswege begrenzten Flurstück gleichlaufender Parzellen). Auf dieser Grundlage wurden gewannbezogene Rückhaltungen festgelegt (Bild 5 links). Wie diese am Ende einer Starkregenbahn aussehen sollen, ist im einzelnen noch nicht völlig geklärt; man denkt an teichähnliche Mulden. Für Bereiche mit geringerem und eher flächigem Oberflächenabfluß – wie etwa im Südosten des Gebietes – wurden Schutzstreifen und Schutzflächen ausgewiesen, die nur zweimal im Jahr gemäht werden und somit wie gemulcht wirken. Zudem werden seit letztem Jahr die pfluglose Bewirtschaftung zur Erhaltung der Grobporen und ein Fruchtwechsel – und damit ein Alternieren offener und beispielsweise gemulchter Böden – auf hangabwärts folgenden Parzellen erprobt (Bild 5 rechts).

Der Hochwasserschutz in kleinen Einzugsgebieten kann also, wie die Beispiele zeigen, auf einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zurückgreifen. Trotz des hohen Schadenspotentials auf Flächen im ländlichen Raum wird davon aber außerhalb der Bach- und Flußauen bisher noch zu wenig Gebrauch gemacht. Das mag nicht zuletzt am hohen technischen Standard des klassischen Hochwasserschutzes, aber auch an der Skepsis Neuem gegenüber liegen. Des weiteren lassen sich derzeit noch nicht alle Fragen zum Rückhaltevermögen der Landschaft beantworten. Zwar sind die wirksamen Fließprozesse grundsätzlich bekannt; inwieweit sich die in ausgewählten kleinen Gebieten gewonnenen Erkenntnisse auf andere übertragen lassen, ist aber noch Gegenstand intensiver hydrologischer Forschung.

Auch für größere Flußgebiete mögen solche dezentralen Maßnahmen spürbare Entlastung bringen, sofern sie nicht als Insellösungen gedacht, sondern sorgfältig geplant und, durch Szenariorechnungen begleitet, in integrative Gesamtkonzepte eingebettet sind. Ein Schritt in die richtige Richtung ist beispielsweise die Initiative des Zentrums für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung in Müncheberg, den Einfluß der Landnutzung auf die Hochwasserentwicklung im Odergebiet abzuschätzen. Eine internationale Arbeitsgruppe Tschechiens, Polens und Deutschlands soll die Wechselwirkung zwischen Landnutzungsstruktur und bodenhydrologischer Dynamik im Einzugsgebiet untersuchen.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1998, Seite 84
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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