Die Entsorgung von Treibhausgasen
Das Deponieren von Kohlendioxid unter der Erde oder in der Tiefsee wäre vermutlich eine preiswertere Methode zum Klimaschutz als der Umstieg auf erneuerbare Energien.
Bis vor kurzem ging es in der Klimadebatte noch darum, ob der Mensch das globale Klima verändert. Heizt die Freisetzung von Treibhausgasen, welche die von der Erde abgestrahlte Wärme zurückhalten, den Planeten auf? Inzwischen untermauern jedoch immer mehr wissenschaftliche Befunde diese Vermutung. Deshalb lautet nun die große Frage: Welche Schritte kann die Menschheit unternehmen, um das Klima zu schützen?
Die "natürliche" Lösung scheidet mit Sicherheit aus: einfach abzuwarten, bis die Vorräte an fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl und Erdgas aufgebraucht sind. Darauf weist Morris Adelman, emeritierter Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und Experte für die Verwertung von Erdöl- und Erdgas, schon seit Jahrzehnten hin. Vor allem durch die Nutzung fossiler Brennstoffe ist die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre in den letzten 150 Jahren, also seit Beginn der Industriellen Revolution, um fast ein Drittel gestiegen – von 280 auf 370 ppm (parts per million, Millionstel). Allein in den neunziger Jahren betrug der Anstieg im Mittel etwa 1,5 ppm pro Jahr – mit steigender Tendenz.
Obwohl gleichzeitig auch andere Treibhausgase wie Methan und Stickoxide freigesetzt wurden, gehen nach Schätzungen der Experten etwa zwei Drittel der globalen Erwärmung auf das Konto der anthropogenen Kohlendioxidemission. Die möglichen Gefahren eines geänderten globalen Klimas sind zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen; gleichzeitig haben Umweltschützer, Regierungen und einige Industriezweige Maßnahmen zur Verminderung der Emission von Treibhausgasen ergriffen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Anreize zum Energiesparen oder die Förderung erneuerbarer Energien wie der Wind- und Solarkraft.
Man muss die Situation aber realistisch sehen. Die fossilen Brennstoffe sind billig und reichlich vorhanden. Sie werden daher unsere Autos, Wohnungen und Fabriken noch weit ins 21. Jahrhundert hinein und vielleicht darüber hinaus mit Energie versorgen. Während der letzten hundert Jahre gab es immer wieder Warnungen, dass die Brennstoffvorräte zu Ende gehen, aber kontinuierliche Verbesserungen der Erkundungs- und Förder-
methoden haben stets neue Reserven erschlossen. Außerdem ist trotz des ersten internationalen Abkommens zur Beschränkung der Emissionen von Treibhausgasen, das zahlreiche Länder auf dem "Erdgipfel" in Rio de Janeiro 1992 schlossen, der globale Verbrauch an fossilen Brennstoffen weiter gestiegen. Noch immer decken sie über 85 Prozent des Energiebedarfs der Industrie weltweit. Obwohl Anreize zum Energiesparen und zur Nutzung alternativer Energien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz darstellen, sind sie nur ein Teil der Lösung.
Selbst wenn die Menschheit den Verbrauch fossiler Brennstoffe heute deutlich einschränken würde, dürften die Nachwirkungen der früheren Emissionen der Erde noch lange zu schaffen machen. Das Klimasystem reagiert nämlich nur träge. Das freigesetzte Kohlendioxid bleibt hundert Jahre oder länger in der Atmosphäre, wenn man es sich selbst überlässt. Deshalb brauchen wir eine Reihe von technologischen Optionen, um der rasanten Anreicherung von Treibhausgasen in der Luft entgegenzuwirken. Zwar gibt es schon bedeutende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten darüber, wie Unternehmen und Privatpersonen Energie effizienter nutzen oder vermehrt erneuerbare Energieträger oh-ne Kohlenstoff einsetzen können. Aber jetzt, da immer deutlicher wird, dass diese beiden Maßnahmen einfach nicht ausreichen, findet eine dritte Option zunehmend Beachtung: das Deponieren von Kohlendioxid in unterirdischen oder submarinen Reservoiren.
In gewisser Weise ähnelt dieser Ansatz der Aufforstung. Wenn Bäume wachsen, nehmen sie – wie die Vegetation ganz allgemein – Kohlendioxid aus der Luft auf und binden es in Form von Kohlenhydraten. So speichern sie während ihres Lebens eine Menge Kohlenstoff. Nach neuesten Schätzungen sind zur Zeit etwa 600 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) des Elements in den Pflanzen gebunden. Weitere 1,6 Teratonnen (Billionen Tonnen) sind im Erdreich unterirdisch gespeichert.
Pflanzen und Erdreich könnten vielleicht weitere 100 Gigatonnen oder noch mehr aufnehmen. Aber das genügt noch nicht, die ständig steigenden Treibhausgasemissionen unschädlich zu machen. Während der letzten zehn Jahre haben wir deshalb gemeinsam eine zusätzliche Möglichkeit untersucht. Dabei wird das Kohlendioxid stationärer Quellen – beispielsweise einer chemischen Fabrik oder eines Kraftwerks – aufgefangen und in den Ozean oder das Erdreich einge-leitet. Wir betreiben diese Untersuchungen im Rahmen einer weltweiten Forschungsinitiative, an welcher sich auch das Forschungs- und Entwicklungsprogramm für Treibhausgase der Internationalen Energie Agentur (IEA) in Paris sowie andere staatliche oder industrielle Institutionen beteiligen.
Pioniertat in Norwegen
Mitten in der Nordsee, etwa 240 Kilometer vor der Küste Südnorwegens, liegt das Sleipner-Feld, eine Offshore-Erdöl- und Erdgaslagerstätte. Die Besatzung einer der Bohrinseln presst jede Woche 20||000 Tonnen Kohlendioxid in eine poröse Sandsteinschicht, die sich 1000 Meter unter dem Meeresgrund befindet. Diese Einleitung begann im Oktober 1996 und war das erste Beispiel einer neuen Strategie zum Klimaschutz: der Speicherung von Kohlendioxid in geologischen Formationen.
Wie kam es dazu? Eines der Reservoire bei Sleipner enthält Erdgas, das mit 9 Prozent Kohlendioxid verunreinigt ist – deutlich mehr als die maximal 2,5 Prozent, die Abnehmer normalerweise akzeptieren. Darum wurde das überschüssige Kohlendioxid vor Ort mit einem chemischen Verfahren extrahiert. Das Gleiche geschieht auch bei anderen Erdgasvorkommen weltweit. Dort allerdings wird das Kohlendioxid einfach in die Luft geblasen. Dagegen entschieden sich die Eigner des Ölfeldes von Sleipner – Statoil, Exxon, Norsk Hydro und Elf – für eine umweltfreundlichere Alternative. Dabei wird das Treibhausgas zuerst komprimiert und dann in eine 200 Meter dicke Sandsteinschicht hinabgepumpt, die als Utsira-Formation bekannt ist und ursprünglich mit Meerwasser gefüllt war. Auf diese Weise wurde letztes Jahr fast eine Million Tonnen Kohlendioxid bei Sleipner deponiert. Das mag nicht viel scheinen, aber in einem kleinen Land wie Norwegen entspricht das etwa drei Prozent der gesamten Emission dieses Treibhausgases in die Atmosphäre.
Ausschlaggebend für die Rückführung des Kohlendioxids in den Untergrund bei Sleipner war eine Steuer, die Norwegen seit einigen Jahren auf Offshore-Kohlendioxid erhebt. Sie betrug 1996 rund 100 Mark für jede Tonne emittierten Gases (am 1. 1. 2000 wurde sie auf 75 Mark gesenkt). Die Investition in die Verdichtungsanlage und die Kohlendioxidspeicherung kostete etwa 160 Millionen Mark. Im Vergleich hätten die Firmen von 1996 bis 1999 über 100 Millionen Mark jährlich an Steuern zahlen müssen, falls das Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet worden wäre. Die Investition hat sich somit schon nach eineinhalb Jahren bezahlt gemacht.
In anderen Teilen der Welt planen Firmen ähnliche Projekte. Das Natuna-Feld im südchinesischen Meer enthält Erdgas mit fast 71 Prozent Kohlendioxid. Wenn dieses Vorkommen für die kommerzielle Ausbeutung erschlossen ist, will man das überschüssige Kohlendioxid gleichfalls zurückpumpen. Die Möglichkeiten einer unterirdischen Kohlendioxid-Speicherung in Verbindung mit Erdgasverflüssigungsanlagen werden im Gorgon-Feld auf dem Nordwest-Schelf Australiens, im Snøhvit-(Schneewittchen-)Gasfeld in der Barents-See nördlich von Norwegen sowie in den Ölfeldern am Rande Nordalaskas erforscht.
Bei allen jetzt begonnenen oder ins Auge gefassten Vorhaben muss das Kohlendioxid aus kommerziellen Erwägungen ohnehin abgetrennt werden – etwa weil das Erdgas erst nach Reinigung
einen Käufer findet. Die betroffenen Unternehmen haben dann die Wahl, es in die Atmosphäre freizusetzen oder zu speichern. Dabei muss es einen finanziellen Anreiz für die Speicherung geben. Wir erwarten, dass sich künftig noch mehr Unternehmen für diese Alternative entscheiden, wenn sie gezwungen werden, die Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Schwieriger ist es dagegen, andere Industriezweige mit beträchtlichem Kohlendioxidausstoß (wie beispielsweise Kraftwerke) zu einer Entfernung des Treibhausgases zu bewegen, da dies hohe Kosten verursacht.
Das Verfahren zum Einleiten von Kohlendioxid in den Untergrund ist technisch ausgereift – im Wesentlichen müssen dabei nur die Pumpen umgekehrt laufen wie bei der Förderung von Erdöl und Erdgas. Die Injektion von Kohlendioxid in eine Lagerstätte ist heute auf vielen Ölfeldern sogar schon üblich; denn sie erhöht die Beweglichkeit des Öls im Innern und steigert so die Produktivität der Quelle. 1998 sind in den USA im Rahmen von über 65 Projekten zur besseren Ausbeutung der Vorkommen insgesamt etwa 43 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Erde gepumpt worden. Insgesamt ist das allerdings nur eine relativ kleine Menge. Dagegen können geologische Formationen wie salzwasserführende Gesteinsschichten (zum Beispiel die Aquifere bei Sleipner), nicht abbauwürdige Kohleflöze, erschöpfte Öl- und Erdgasreservoire, Höhlensysteme und abgebaute Salzdome weltweit Hunderte, wenn nicht Tausende von Milliarden Tonnen Kohlenstoff aufnehmen.
Unterirdisch oder in der Tiefsee
Obwohl geologische Formationen also vielversprechende Speicherstätten sind, bildet doch die Tiefsee das größte potenzielle Reservoir für anthropogenes Kohlendioxid. Im Wasser der Weltmeere sind etwa 40 Billionen Tonnen Kohlenstoff gelöst – die Atmosphäre enthält nur 750 Milliarden Tonnen –, aber die Speicherkapazität der Ozeane ist noch viel größer. Selbst wenn die Menschheit den Ozeanen so viel Kohlendioxid zuführen würde, wie die Atmosphäre vor der Industriellen Revolution enthielt, würde das den Kohlenstoffgehalt der Tiefsee um weniger als zwei Prozent erhöhen. Durch langsame natürliche Vorgänge gelangen etwa 85 Prozent der heutigen Emissionen über einen Zeitraum von Jahrhunderten von selbst in die Ozeane. Uns geht es nur darum, diesen Vorgang zu beschleunigen.
Damit die Speicherung im Ozean dauerhaft ist, muss das Kohlendioxid unterhalb der so genannten Thermokline eingebracht werden. Das ist die hundert bis tausend Meter dicke obere Meeresschicht, in der die Wassertemperatur stark mit der Tiefe abnimmt. Das kühlere, dichtere Wasser darunter steigt nur extrem langsam zur Oberfläche auf; manchmal braucht es Jahrhunderte, bis es sich mit dem Oberflächenwasser vermischt hat. Deshalb ist das Kohlendioxid unter dieser Grenzschicht sehr wirksam gefangen. Generell gilt, dass das Gas für den Weg zurück in die Atmosphäre um so länger braucht, je tiefer es in den Ozean gepumpt wird.
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Strategien zur Speicherung von Kohlendioxid in der Tiefsee: Man kann es in mittlere Tiefen von 1000 bis 2000 Meter einleiten, wo es sich im Wasser löst, oder das Gas tiefer als 3000 Meter hinabbringen, wo es sich unter dem hohen hydrostatischen Druck verflüssigt, auf den Grund sinkt und dort eine Art zusammenhängenden Kohlendioxidsee bildet. Die erste Methode sucht durch Verdünnen des Kohlendioxids die Auswirkungen auf die marine Umwelt gering zu halten, während die zweite eine möglichst lang Verweilzeit des Kohlendioxids im Ozean anstrebt.
Die Idee der Kohlendioxidspeicherung im Meer geht bis ins Jahr 1977 zurück. Damals machte Cesare Marchetti vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (Österreich) den Vorschlag, das Gas bei Gibraltar ins Mittelmeer zu leiten; von dort würde es mit dem dichten Salzwasser, das in den Atlantik strömt und dort absinkt, in die Tiefsee verfrachtet. Auch heute noch scheint der Bau einer Pipeline, die vom Land ins Meer und an dessen Boden entlang bis zu einer ausreichend tiefen Stelle führt, eine der realistischeren Optionen zum Deponieren von Kohlenstoff. Es gibt aber auch andere Vorschläge – etwa
- Trockeneis (gefrorenes Kohlendioxid) von Schiffen aus einfach ins Meer fallen zu lassen,
- die Einleitung von Kohlendioxid in 1000 Meter Tiefe durch einen Schlauch, den ein Schiff hinter sich her zieht, oder
- die Installation einer senkrechten Rohrleitung von einer Plattform auf hoher See, die bis hinab zu Mulden im Meeresgrund in Tiefen von 3000 Metern oder mehr reicht.
Die Technologien zum Deponieren von Kohlendioxid im Untergrund oder in der Tiefsee sind also vorhanden. Dagegen müssen die Folgen für die Umwelt noch genauer erforscht werden.
Umweltverträglich und sicher?
Natürlich soll die Kohlendioxid-Endlagerung weniger umweltschädlich sein als die Freisetzung des Treibhausgases in die Atmosphäre. Beim Deponieren im Erdreich muss daher vorab sichergestellt werden, dass die als Reservoir vorgesehene Formation langfristig stabil ist. Sie sollte unversehrt und abgeschlossen sein,
damit das Gas nicht allmählich in die
Atmosphäre zurückgelangt. Außerdem könnte ein plötzliches Entweichen in besiedelte Gebiete zu einer Katastrophe führen. Kohlendioxid ist schwerer als Luft; größere Mengen würden den Sauerstoff am Erdboden verdrängen und Menschen und Tiere ersticken. Immerhin existieren natürliche unterirdische Reservoire von Kohlendioxid wie den McElmo-Dom im südwestlichen Colorado, die das Gas über Jahrmillionen gespeichert haben. Das beweist, dass es sichere Lagerstätten gibt.
Das Einleiten ins Meer bringt andere Probleme mit sich. Die Hauptsorge gilt dem Säuregehalt des Wassers. Je nach der Methode, wie das Kohlendioxid eingebracht wird, kann der pH-Wert in der Umgebung der Einleitungsstelle auf schwach saure Werte zwischen 5 und 7 fallen. Ein pH-Wert von 7 gilt als neutral; Meerwasser hat normalerweise einen Wert um 8, ist also leicht basisch.
Eine deutliche Versauerung des Wassers beeinträchtigt das darin treibende Zooplankton sowie Bakterien und Lebewesen am Meeresboden, die nicht in weniger saure Gewässer schwimmen können. Auf einen Ausweg weisen aber Untersuchungen hin, die einer von uns (Herzog) mit seinem MIT-Kollegen E. Eric Adams zusammen durchgeführt hat. Danach dürften sich die Probleme mit dem Säuregehalt minimieren oder gar völlig vermeiden lassen, wenn das Kohlendioxid im Meerwasser genügend verdünnt wird. Bei einer Verdünnung im Verhältnis eins zu einer Million ändert sich der pH-Wert um weniger als 0,1. Um das zu erreichen, kann man das Kohlendioxid tröpfchenweise aus einer Leitung am Meeresgrund oder aus einem fahrenden Schiff freisetzen.
Mehrere groß angelegte Experimente in den kommenden Jahren sollen klären helfen, wie viel Kohlendioxid sicher und umweltverträglich gespeichert werden kann. So wird im Sommer 2001 eine Gruppe von Forschern aus den USA, Japan, Norwegen, Kanada, Australien und der Schweiz eine Untersuchung vor der Kona-Küste von Hawaii beginnen, um die technische Machbarkeit der Kohlenstoffspeicherung im Ozean und ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu erforschen. Zwei von uns werden an diesem Projekt mitwirken, Herzog im Technischen Ausschuss und Eliasson im Lenkungskomitee.
Geplant ist eine Serie von zehn Versuchen innerhalb von zwei Wochen, bei denen mit verschiedenen Methoden jeweils Kohlendioxid in 800 Meter Tiefe freigesetzt wird. Wir werden die Ausbreitung der "Gaswolke" verfolgen und verschiedene Parameter wie den pH-Wert des Wassers und seinen Gehalt an gelöstem anorganischem Kohlenstoff messen. Mit diesen Daten hoffen wir, unsere Computermodelle verfeinern und die Ergebnisse soweit verallgemeinern zu können, dass sich die Reaktionen der Umwelt auf das Deponieren von Kohlendioxid genauer vorhersagen lassen. Wir wollen auch herausfinden, bei welcher Methode sich das Gas am schnellsten verdünnt.
Entscheidend: der Kostenfaktor
Außer der Umweltverträglichkeit und der Machbarkeit spielt auch der Kostenfaktor eine wichtige Rolle. Ein Drittel des Kohlendioxids, das weltweit in die Luft geblasen wird, stammt von Kraftwerken. Da sie zugleich kompakte Emissionsquellen sind, bilden sie ein nahe liegendes Objekt für die Kohlenstoffspeicherung. Außerdem haben Kraftwerke bereits Erfahrung in der Abgasreinigung. Allerdings betrifft sie bisher Beimengungen wie Schwebeteilchen, Schwefel- und Stickoxide oder auch Kohlenmonoxid – aber kein Kohlendioxid.
Filter in Form elektrostatischer Abscheider kamen erstmals um 1910 in Gebrauch. Sie halten einen Großteil der Partikel zurück, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen, haben den Strompreis aber kaum erhöht. Modernste Anlagen zur Entfernung von Schwebeteilchen sowie Schwefel- und Stickoxiden aus dem Abgas machen bis zu 30 Prozent der Kosten eines heutigen Kraftwerks aus. Der Preis einer Kilowattstunde steigt dadurch aber nur um etwa drei Pfennige.
Die Abgase von Kraftwerken, die fossile Brennstoffe verfeuern, enthalten normalerweise nicht mehr als 3 bis 15 Prozent Kohlendioxid. Daher wäre es unwirtschaftlich, sie komplett in eine Lagerstätte zu pumpen. Vielmehr muss das Treibhausgas zunächst abgetrennt werden. Leider ist dies mit heutigen Verfahren noch recht teuer (40 bis 70 Dollar pro Tonne Kohlendioxid). Die Entwicklung einer billigeren Trennmethode ist also ein wichtiges Ziel.
Beim gebräuchlichsten derzeitigen Verfahren wird das Abgas in einem speziellen Absorptionsturm bei Zimmertemperatur durch eine verdünnte Lösung von Monoethanolamin (MEA) geleitet. Das Kohlendioxid bleibt dabei in der Flüssigkeit zurück, weil es mit dem Amin eine schwache Bindung eingeht. Diese wird in einem nachgeschalteten Desorptionsturm durch Erhitzen der Lösung auf etwa 120 Grad Celsius wieder gebrochen und das Kohlendioxid freigesetzt. Anschließend wird das Gas komprimiert, getrocknet, abgekühlt, verflüssigt und (falls nötig) gereinigt. Die MEA-Lösung geht in den Kreislauf zurück.
Dieses Verfahren arbeitet schon recht effizient, aber sein Energieverbrauch muss noch gesenkt werden, bevor es im großen Stil zur Kohlenstoff-Endlagerung dienen kann. Zur Zeit filtern nur eine Hand voll Kraftwerke Kohlendioxid aus ihren Abgasen. Sie deponieren es jedoch nicht, sondern verkaufen es als kommerzielles Produkt, das beispielsweise zum Gefriertrocknen von Hühnern oder zum Versetzen von Getränken mit Kohlensäure gebraucht wird.
Vielversprechend scheint auch eine andere Verwendung des abgetrennten Kohlendioxids. Bei seiner Reaktion mit Wasserstoff entsteht Methanol, das heute schon als Energieträger genutzt werden kann. Die Methanol-Erzeugung aus reinem Kohlendioxid wäre zwar teurer als die derzeit praktizierte Gewinnung aus Erdgas. Aber die Wiederverwendung von Kohlendioxid, das auf diese Weise einen Marktwert erhält, böte einen Anreiz, kostengünstigere Verfahren zu seiner Abtrennung zu entwickeln. Dies könnte die Schwelle für den Übergang zur generellen Filterung von Kohlendioxid aus Abgasen senken.
Wissenschaftler, Politiker und die Öffentlichkeit müssen sich mit der Tatsache auseinander setzen, dass Kohle, Öl und Erdgas ihre Bedeutung als Energieträger auch in einer Welt behalten, über der das Damokles-Schwert einer Klimaänderung schwebt. Die Technologie zur Nutzung dieser Energieträger in klimaverträglicher Weise ist im Prinzip vorhanden. Die gegenwärtigen Verfahren zur Filterung des Kohlendioxids aus den Abgasen der Kraftwerke würden die Kosten der Stromerzeugung zwar um 50 bis 100 Prozent erhöhen. Solarstrom aber ist mindestens drei- bis viermal so teuer. Außerdem wirkt sich die Abtrennung des Kohlendioxids nicht auf die Kosten der Stromübertragung und -verteilung aus, die ihrerseits einen bedeutenden Teil der Verbraucherpreise ausmachen. Deshalb werden die Endpreise für die Stromabnehmer nur um etwa 30 bis 50 Prozent steigen. Verbesserungen der Filtertechnologie dürften diesen Wert weiter senken.
Was hat zu geschehen, damit sich
die Kohlendioxid-Endlagerung generell durchsetzt? Zunächst müssen Wissenschaftler die Machbarkeit der verschiedenen Speicheroptionen zweifelsfrei nachweisen. Zweitens brauchen wir Vorreiter in Wirtschaft und Politik, die demonstrativ auf diese Technologie setzen. Und schließlich gilt es, die Kosten für die Kohlendioxid-Abscheidung in den Kraftwerken durch verbesserte Verfahren zu senken. Das Sleipner-Projekt hat gezeigt, dass die Kohlendioxid-Endlagerung eine realistische Option ist, die Emissionen des Treibhausgases zu reduzieren, falls ein wirtschaftlicher Anreiz existiert. Während der letzten hundert Jahre hat sich unsere Energieversorgung grundlegend gewandelt. Von einem stationären System auf der Basis von Kohle und Dampfkraft entwickelte sie sich hin zu einer mobilen Form, die mit flüssigen Brennstoffen, Gas und Elektrizität operiert. Die Änderungen in den nächsten hundert Jahren werden kaum weniger tief greifend sein.
Literaturhinweise
Auf dem Weg zur Erfüllung der CO2-Emissionsziele: Die Rolle der CDR-Technologie. Von C. A. Hendricks und W. C. Turkenburg. IPTS-Report. Institute for Prospektive Technological Studies. Sevilla, Juli 1997.
Bewertung von Technologien zur Verringerung der Emission und zur Entsorgung von Kohlendioxid. Von Manfred Daun. Shaker, Aachen 1993.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2000, Seite 48
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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