Direkt zum Inhalt

Astrophysik: Die ersten Sterne im Universum

Neuen Modellrechnungen zufolge waren die frühesten Himmelskörper außergewöhnlich massereich und hell, aber auch kurzlebig. Mit ihrer Entstehung nahm die Geschichte des Kosmos eine dramatische Wendung.


Wir leben in einem Universum voll strahlender Himmelskörper. In klaren Nächten vermag das bloße Auge Tausende von Sternen wahrzunehmen. Sie alle bevölkern nur einen kleinen Ausschnitt der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie; Teleskope enthüllen einen viel größeren Bereich, den das Licht von Milliarden Galaxien erhellt. Hingegen war das urtümliche Universum nach heutigem Kenntnisstand lange Zeit strukturlos und dunkel. Die ersten Sterne erschienen wohl erst 100 Millionen Jahre nach dem Urknall, und nahezu eine Milliarde Jahre verging, bevor Galaxien den Kosmos übersäten. Die Astronomen haben sich lange gefragt: Wie kam dieser dramatische Wandel vom Dunkel zum Licht zu Stande?

Nach jahrzehntelanger Forschung ist die Wissenschaft erst kürzlich der Antwort einen großen Schritt näher gerückt. Mit ausgeklügelten Computersimulationen haben die Kosmologen Modelle dafür entwickelt, wie aus den Dichtefluktuationen, die der Urknall hinterließ, die ersten Sterne hervorgingen. Zusätzlich haben Beobachtungen ferner Quasare – der lichtstärksten Objekte im All – ein Fenster weit zurück in die Zeit eröffnet und einen Blick auf die letzten Tage des kosmischen "dunklen Zeitalters" ermöglicht.

Die neuen Modelle besagen, dass die ersten Sterne ungemein massereich und leuchtkräftig waren – und dass ihre Entstehung das Universum und seine weitere Evolution fundamental veränderte. Indem diese Sterne die umgebenden Gase aufheizten und ionisierten, wandelte sich die Dynamik des Kosmos. Die frühesten Sterne erzeugten außerdem die ersten schweren Elemente und ebneten so den Weg zur späteren Bildung von Planetensystemen wie dem unsrigen. Zudem könnte der Kollaps einiger urtümlicher Sterne das Wachstum massereicher Schwarzer Löcher eingeleitet haben, die in den Herzen der Galaxien entstanden und zu den geradezu unerschöpflichen Energiequellen der Quasare wurden. Kurz gesagt, die ersten Sterne haben das Universum möglich gemacht, wie wir es heute sehen – von Galaxien und Quasaren bis zu Planeten und menschlichem Leben.

Das dunkle Zeitalter

Die Erforschung des frühen Universums wird durch das Fehlen direkter Beobachtungen erschwert. Einen Großteil der Geschichte des Alls konnten die Astronomen untersuchen, indem sie ihre Teleskope auf ferne Galaxien und Quasare richteten, die ihr Licht vor Milliarden Jahren aussandten. Das Alter jedes Objekts lässt sich durch die Rotverschiebung seines Lichts bestimmen; sie zeigt, um wie viel sich das All seit der Aussendung dieser Strahlung ausgedehnt hat. Die ältesten bisher beobachteten Galaxien und Quasare sind demnach – wenn man ein heutiges Weltalter von 12 bis 14 Milliarden Jahren annimmt – auf etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall zu datieren. Nur mit noch besseren Teleskopen werden noch fernere Objekte aus noch früheren Zeiten zu erkennen sein.

Die Kosmologen können jedoch Aussagen über das frühe Universum aus der kosmischen Hintergrundstrahlung ableiten, die etwa 400000 Jahre nach dem Urknall ausgestrahlt wurde. Die Gleichförmigkeit dieser Strahlung zeigt an, dass die Materie damals sehr gleichmäßig verteilt war. Weil es keine großen leuchtkräftigen Objekte gab, welche die kosmische Ursuppe in Wallung bringen konnten, muss sie Millionen Jahre lang gleichmäßig und strukturlos geblieben sein. Mit der Expansion des Kosmos verschob sich die Hintergrundstrahlung zu größeren Wellenlängen, und das Universum wurde immer kühler und dunkler. Diese dunkle Ära ist der astronomischen Beobachtung nicht zugänglich. Aber eine Milliarde Jahre nach dem Urknall existierten bereits einige helle Galaxien und Quasare – mithin müssen die ersten Sterne schon etwas eher entstanden sein. Aber wann und wie?

Viele Astronomen haben zur Klärung dieses Rätsels wichtige Beiträge geleistet, unter anderem Martin Rees von der Universität Cambridge und Abraham Loeb von der Harvard-Universität. Die aktuellen Untersuchungen gehen vom kosmologischen Standardmodell für die Entwicklung des Universums nach dem Urknall aus. Obwohl das junge Universum erstaunlich homogen war, sind in der Hintergrundstrahlung doch kleinräumige Dichteschwankungen zu erkennen – sozusagen Klumpen in der Ursuppe. Den kosmologischen Modellen zufolge entwickeln sich diese Klumpen allmählich zu durch Schwerkraft gebundenen Strukturen. Zuerst entstehen kleinere Systeme und verschmelzen dann zu größeren Gebilden. Die dichteren Regionen nehmen die Gestalt eines Netzwerks aus Filamenten an, und die ersten sternbildenden Systeme – kleine Protogalaxien – kondensieren in den Knoten dieses Netzwerks. Auf ähnliche Weise verschmelzen die Protogalaxien dann zu Galaxien, und diese wiederum finden sich zu Galaxienhaufen zusammen. Dieser Prozess dauert noch heute an: Obwohl die Galaxienbildung weit gehend abgeschlossen ist, sammeln sich die Galaxien zu Haufen, die ihrerseits zu einem gigantischen Filament-Netzwerk gerinnen, das sich durch das ganze Universum zieht.

Gemäß den kosmologischen Modellen sollten die ersten Systeme, in denen sich Sterne bilden konnten, 100 bis 250 Millionen Jahre nach dem Urknall aufgetaucht sein. Diese Protogalaxien hatten demnach 100000 bis eine Million Sonnenmassen und waren 30 bis 100 Lichtjahre groß. Insofern gleichen sie den Wolken aus molekularem Gas, in denen auch gegenwärtig in der Milchstraße Sterne entstehen, doch es gibt markante Unterschiede. Zum einen bestanden die Protogalaxien größtenteils aus so genannter dunkler Materie – aus hypothetischen Elementarteilchen, die vermutlich rund 90 Prozent der Masse des Universums ausmachen. In heutigen Galaxien ist die dunkle Materie von der gewöhnlichen entkoppelt: Letztere hat sich im Laufe der Zeit in den inneren Regionen konzentriert, während die dunkle Materie über einen enormen Halo verteilt bleibt. In den Protogalaxien hingegen waren gewöhnliche und dunkle Materie noch miteinander vermengt.

Das All ohne Metall

Der zweite große Unterschied ist, dass die Protogalaxien außer den beiden leichtesten Elementen Wasserstoff und Helium, die noch vom Urknall stammten, kaum andere chemische Elemente enthielten. Da die meisten schwereren Elemente nur durch thermonukleare Fusion in Sternen entstehen, konnten sie vor der Bildung der ersten Sterne noch gar nicht existieren. Die Astronomen pflegen all diese schwereren Elemente "Metalle" zu nennen. Die jungen metallreichen Sterne in der Milchstraße werden zur Population I gezählt, die alten metallarmen Sterne zur Population II. Sterne, die überhaupt keine Metalle enthalten – die allererste Generation –, heißen manchmal Sterne der Population III.

Weil es anfangs noch gar keine Metalle gab, war die Physik der ersten sternbildenden Systeme viel einfacher als die heutiger Molekülwolken. Die kosmologischen Modelle liefern im Prinzip eine komplette Beschreibung der Anfangsbedingungen vor der ersten Sterngeneration; hingegen entstehen die Sterne, die aus Molekülwolken hervorgehen, in einer komplexen Umwelt, die von früherer Sternbildung geprägt ist. Darum ist die Entstehung der ersten Sterne ein theoretisch attraktives Problem, das sich gut für Computersimulationen eignet.

Die realistischsten Simulationen haben Tom Abel von der Pennsylvania State University, Greg Bryan vom Massachusetts Institute of Technology und Michael L. Norman von der Universität von Kalifornien in San Diego gemeinsam durchgeführt. In Zusammenarbeit mit Paolo Coppi von der Yale-Universität haben wir Simulationen berechnet, die von einfacheren Annahmen ausgehen, dafür aber flexibler anwendbar sind. In Japan hat Toru Tsuribe, jetzt an der Universität von Osaka, ähnliche Rechnungen mit leistungsfähigeren Computern durchgeführt; Fumitaka Nakamura und Masayuki Umemura (jetzt an den Universitäten Niigata beziehungsweise Tsukuba) haben idealisiertere und dennoch aussagekräftige Simulationen präsentiert. Obwohl all diese Studien sich in verschiedenen Details unterscheiden, stimmen die Resultate im Prinzip gut überein.

Wie die Modellrechnungen zeigen, bilden sich die primordialen Gaswolken meist in den Knoten eines kleinräumigen Filament-Netzwerks und beginnen sich dann durch ihre eigene Schwerkraft zusammenzuziehen. Die Kompression erhitzt das Gas auf über 1000 Kelvin (Grad über dem absoluten Nullpunkt, der bei -273,15 Grad Celsius liegt). Manche Wasserstoffatome bilden im dichten heißen Gas Paare und somit Spuren molekularen Wasserstoffs. Diese Moleküle beginnen dann die dichtesten Bereiche des Gases abzukühlen, indem sie – nach der Kollision mit Wasserstoffatomen – Infrarotstrahlung emittieren. In den dichtesten Zonen fällt die Temperatur auf 200 bis 300 Kelvin, wodurch dort der Gasdruck sinkt und sich Klumpen bilden, die durch die Gravitation zusammengehalten werden.

Diese Abkühlung spielt eine entscheidende Rolle für die Trennung von gewöhnlicher und dunkler Materie. Der Wasserstoff bildet mit sinkender Temperatur ein flaches rotierendes Gebilde von klumpiger und scheibenförmiger Gestalt. Doch da die Teilchen der dunklen Materie nicht strahlen, verlieren sie keine Energie und bleiben über die ursprüngliche Wolke verstreut. Das sternbildende System ähnelt darum einer Mini-Galaxie, deren Scheibe aus gewöhnlicher Materie besteht und von einem Halo aus dunkler Materie umgeben ist. Innerhalb der Scheibe ziehen sich die dichtesten Klumpen immer weiter zusammen, bis einige von ihnen kollabieren und zu Sternen werden.

Die ersten sternbildenden Klumpen waren viel wärmer als die Molekülwolken, in denen sich gegenwärtig die meisten Sterne bilden. Staubkörnchen und Moleküle mit schweren Elementen kühlen die heutigen Wolken viel effizienter – bis auf Temperaturen von nur 10 Kelvin. Die Masse, die ein Gasklumpen wenigstens haben muss, um unter seiner eigenen Schwerkraft zu kollabieren, heißt Jeans-Masse nach dem englischen Astrophysiker Sir James Jeans (1877-1946); sie ist proportional zum Quadrat der Temperatur und umgekehrt proportional zur Quadratwurzel des Drucks. In den ersten sternbildenden Systemen herrschten ähnliche Drücke wie in heutigen Molekülwolken, aber fast 30-mal höhere Temperaturen. Darum war ihre Jeans-Masse fast 1000-mal größer.

In den Molekülwolken in unserem Bereich der Milchstraße entspricht die Jeans-Masse ungefähr derjenigen der Sonne, und ähnliche Massen haben auch die prästellaren Klumpen, die man in diesen Wolken findet. Extrapoliert man um einen Faktor von fast 1000, dann müssten die ersten sternbildenden Klumpen 500 bis 1000 Sonnenmassen gehabt haben – und tatsächlich entstehen in all den oben erwähnten Computersimulationen stets Klumpen mit mehreren hundert oder noch mehr Sonnenmassen.

Nach den Berechnungen unserer Gruppe sind die Massen der ersten sternbildenden Klumpen relativ unabhängig von den angenommenen kosmologischen Bedingungen, etwa von der Art der ursprünglichen Dichtefluktuationen. Viel wichtiger als das kosmologische Modell oder die Simulationstechnik ist die Physik des Wasserstoffmoleküls. So liefert die Tatsache, dass molekularer Wasserstoff das Gas nicht unter 200 Kelvin zu kühlen vermag, eine Untergrenze für die Temperatur der ersten sternbildenden Klumpen. Außerdem versagt die Kühlung durch molekularen Wasserstoff bei den höheren Dichten, die beim Kollaps der Klumpen auftreten. Die Wasserstoffmoleküle kollidieren dann mit anderen Atomen, bevor sie Zeit haben, ein Infrarot-Photon auszustrahlen; dies erhöht die Gastemperatur und verlangsamt die Kontraktion so lange, bis die Klumpen auf wenigstens einige hundert Sonnenmassen angeschwollen sind.

Von Klumpen zu frühen Sternen

Was wurde aus den ersten kollabierenden Klumpen? Bildeten sie Sterne mit ähnlich großen Massen oder zerfielen sie in viele kleinere Fragmente, aus denen dann entsprechend kleinere Sterne entstanden? Die Forschergruppen haben ihre Berechnungen bis zu dem Punkt getrieben, an dem die Klumpen drauf und dran sind, Sterne zu bilden – und keine Simulation lässt eine Tendenz zum Zerfall der Klumpen erkennen. Das passt zu unserem aus Beobachtungen und Simulationen gewonnenen Wissen über heutige Sterngeburten: Die Fragmentierung sternbildender Klumpen beschränkt sich meist auf die Bildung von Doppelsternsystemen. Die primordialen Klumpen dürften noch viel seltener zerfallen sein, denn die wenig wirksame Kühlung durch den molekularen Wasserstoff hielt die Jeans-Masse hoch. Die Simulationen konnten allerdings das Endergebnis des Kollapses noch nicht mit Sicherheit bestimmen, und die Entstehung von Doppelsternen lässt sich nicht ausschließen.

Die Forscherteams kommen zu etwas unterschiedlichen Abschätzungen für die Massen der ersten Sterne. Abel, Bryan und Norman meinen, diese Sterne hätten nicht mehr als 300 – nach ihrer neuesten Simulation sogar nur 100 – Sonnenmassen gehabt. Unsere eigenen Arbeiten legen bis zu 1000 Sonnenmassen nahe. Möglicherweise treffen beide Voraussagen für unterschiedliche Bedingungen zu: Die allerersten Sterne hatten vielleicht nicht mehr als 300 Sonnenmassen, während die höhere Abschätzung für Sterne zutreffen könnte, die ein wenig später aus dem Kollaps größerer Protogalaxien hervorgingen. Quantitative Vo-raussagen werden durch Rückkopplungseffekte erschwert; wenn sich ein massereicher Stern bildet, erzeugt er starke Strahlung und Materieströme, die einen Teil des Gases aus dem kollabierenden Klumpen treiben können. Doch da solche Effekte stark von der Anwesenheit schwerer Elemente im Gas abhängen, dürften sie für die ersten Sterne keine große Rolle gespielt haben. Darum spricht alles dafür, dass die ersten Himmelskörper im Universum viel massereicher und leuchtkräftiger waren als die Sonne.

Wie wirkten sich diese auf den Rest des Universums aus? Eine wichtige Eigenschaft von Sternen ohne Metalle ist ihre höhere Oberflächentemperatur: Ohne Metalle ist die Erzeugung von Fusionsenergie im Sterninneren weniger effizient, und der Stern muss heißer und kompakter sein, damit seine Energie ausreicht, der Schwerkraft zu widerstehen. Wegen der kompakteren Struktur sind auch die Oberflächenschichten heißer. Zusammen mit Rolf-Peter Kudritzki von der Universität von Hawaii und Abraham Loeb von Harvard hat einer von uns (Bromm) theoretische Modelle solcher Sterne mit 100 bis 1000 Sonnenmassen entwickelt. Demnach herrschen Oberflächentemperaturen von etwa 100000 Kelvin – rund 17-mal höher als auf der Sonne. Das erste Sternenlicht im Universum dürfte also überwiegend die Ultraviolettstrahlung sehr heißer Himmelsobjekte gewesen sein. Bald nach ihrer Entstehung müssen sie begonnen haben, das neutrale Wasserstoff- und Heliumgas in ihrer Umgebung aufzuheizen und zu ionisieren.

Dieses Ereignis nennen wir die kosmische Renaissance. Zwar können wir noch nicht abschätzen, wie viel Gas in Form der ersten Sterne kondensiert wurde, doch schon ein Hunderttausendstel der Gasmenge im Universum hätte ausgereicht, um mit den daraus entstandenen Sternen praktisch den gesamten Rest zu ionisieren. Sobald ein Stern zu leuchten begann, wuchs um ihn eine Blase aus ionisiertem Gas. Als im Lauf von hunderten Millionen Jahren immer mehr Sterne entstanden, verschmolzen die Blasen schließlich, und das intergalaktische Gas wurde komplett ionisiert.

Spuren der Renaissance

Wissenschaftler vom California Institute of Technology und vom Sloan Digital Sky Survey haben kürzlich Indizien für die letzte Phase dieses Ionisationsprozesses gefunden: Sie beobachteten starke Ultraviolett-Absorption in den Spektren von Quasaren, die ihr Licht nur 900 Millionen Jahre nach dem Urknall abstrahlten. Demzufolge wurden zu jener Zeit die letzten Zonen neutralen Wasserstoffs ionisiert. Helium braucht zwar zur Ionisation mehr Energie als Wasserstoff, aber wenn die ersten Sterne so massereich waren wie von uns berechnet, haben sie das Helium zur selben Zeit ionisiert. Falls sie hingegen weniger Masse hatten, dann wurde das Helium später durch energiereiche Strahlung ionisiert, etwa von Quasaren. Künftige Beobachtungen ferner Objekte könnten klären, wann das kosmische Helium tatsächlich ionisiert wurde.

Wenn die ersten Sterne wirklich sehr große Massen hatten, war ihre Lebensdauer eher gering – nur ein paar Millionen Jahre. Einige wären am Ende als Supernovae explodiert und hätten die durch Fusionsreaktionen in ihrem Inneren erzeugten Metalle abgestoßen. Sterne mit 100 bis 250 Sonnenmassen sollten durch energiereiche Explosionen komplett zerstört werden, und einige der ersten Sterne hatten wahrscheinlich Massen in diesem Bereich. Weil Metalle die sternbildenden Wolken viel wirksamer kühlen und zu Sternen kollabieren lassen als Wasserstoff, hätte schon das Erzeugen und Verteilen relativ kleiner Metallmengen enorme Auswirkungen auf die nachfolgende Sternbildung gehabt.

In Zusammenarbeit mit Andrea Ferrara von der Universität Florenz haben wir herausgefunden, dass schon eine Metallhäufigkeit von nur einem Tausendstel des solaren Werts ausgereicht hätte, das Gas der sternbildenden Wolken rasch auf die damalige Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung zu kühlen; diese Temperatur ist mit der kosmischen Expansion ständig gesunken – von 19 Kelvin eine Milliarde Jahre nach dem Urknall auf gegenwärtig 2,7 Kelvin. Die effiziente Kühlung ermöglichte die Bildung von Sternen kleinerer Masse und erhöhte vermutlich die gesamte Sternbildungsrate beträchtlich. Vielleicht hat sich das Tempo der Sternentstehung überhaupt erst beschleunigt, nachdem die ersten Metalle erzeugt worden waren. In diesem Fall war eher die zweite Sterngeneration dafür verantwortlich, das Weltall zu erhellen und die kosmische Renaissance einzuleiten.

Zu Beginn dieser aktiven Periode der Sternentstehung war die Temperatur des kosmischen Hintergrunds höher als die in heutigen Molekülwolken, wo sie bei 10 Kelvin liegt. Bis die Temperatur auf letzteren Wert fiel – das geschah etwa zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall –, dürfte der Prozess der Sternentstehung noch immer massereiche Sterne favorisiert haben. Eine große Zahl solcher Sterne entstand während der ersten Stadien der Galaxienbildung durch sukzessives Verschmelzen von Protogalaxien; ein ähnlicher Vorgang ereignet sich im heutigen Universum bei einem so genannten Starburst – einem plötzlichen Anstieg der Sternbildungsrate, der durch die Kollision von zwei Galaxien ausgelöst wird. Zwar sind solche Ereignisse heutzutage eine Seltenheit, doch dabei scheint eine relativ große Zahl massereicher Sterne zu entstehen (siehe "Sternentstehung in Spiralgalaxien" von Jordi Cepa Nogué, SdW 9/2000, S. 46, und "Starbursts in Zwerggalaxien" von Sara C. Beck, SdW 10/2000, S. 30).

Rätsel der Vergangenheit

Diese Hypothese über die frühe Sternbildung könnte nebenbei einige seltsame Eigenschaften des heutigen Universums erklären. Ein ungelöstes Problem ist zum Beispiel, dass die Galaxien weniger metallarme Sterne enthalten, als man erwarten würde, wenn die Metalle proportional zur Sternbildungsrate produziert worden wären. Diese Diskrepanz lässt sich erklären, wenn bei der frühen Sternbildung relativ mehr massereiche Sterne entstanden sind: Bei ihrem explosiven Ende haben sie große Metallmengen im Raum verstreut, die dann in die meisten massearmen Sterne eingebaut wurden, die wir heute sehen.

Ein anderes Rätsel ist der hohe Metallgehalt des heißen intergalaktischen Gases in Galaxienhaufen, das sich durch seine energiereiche Röntgenstrahlung bemerkbar macht. Sein Metallreichtum ließe sich am einfachsten durch eine frühe Periode rapider Sternbildung erklären, mit entsprechend vielen Supernovae, die das Gas zwischen den Galaxien chemisch anreicherten. Eine hohe Supernova-Rate in früher Zeit passt auch zu neuen Indizien dafür, dass die normale Materie sowie die Metalle des Universums größtenteils nicht in den Galaxien stecken, sondern im diffusen intergalaktischen Medium: Die Galaxienbildung muss ein dramatischer Vorgang gewesen sein, mit intensiver Produktion massereicher Sterne und einem regelrechten Feuerwerk von Supernovae, die den Großteil des Gases und der Metalle aus den Galaxien hinaustrieben.

Sterne mit mehr als 250 Sonnenmassen kollabieren schließlich und endlich zu ähnlich massereichen Schwarzen Löchern. Mehrere Computersimulationen besagen, dass einige der ersten Sterne tatsächlich derart große Massen hatten. Da die frühen Sterne in den dichtesten Regionen des Universums entstanden, wurden die aus ihrem Kollaps hervorgehenden Schwarzen Löcher durch sukzessive Verschmelzungen in immer größere Systeme integriert. Möglicherweise konzentrierten sich einige dieser Schwarzen Löcher im inneren Bereich großer Galaxien und lösten dort die Entstehung der extrem massereicher Schwarzen Löcher aus – mit Millionen Sonnenmassen –, die man jetzt in galaktischen Kernen vermutet.

Auch glauben die Astronomen, dass die Energiequellen der Quasare gigantische Gaswirbel sind, die in die Schwarzen Löcher im Zentrum großer Galaxien stürzen. Wenn es einst im Zentrum einiger Protogalaxien kleinere Schwarze Löcher gab, dann könnte die Akkretion von Materie um diese Löcher "Mini-Quasare" produziert haben. Da diese Objekte schon kurz nach den ersten Sternen auftauchten, bildeten sie vielleicht in früher Zeit eine zusätzliche Quelle von Licht und ionisierender Strahlung.

Auf diese Weise entsteht ein insgesamt schlüssiges – wenn auch in Teilen noch spekulatives – Bild von der Frühgeschichte des Universums. Die Bildung der ersten Sterne und Protogalaxien setzte eine lebhafte kosmische Evolution in Gang. Vieles spricht dafür, dass es einige Jahrmilliarden nach dem Urknall eine Phase intensivster Sternentstehung, Galaxienbildung und Quasar-Aktivität gab; all diese Prozesse sind seither weitergegangen, freilich mit abnehmender Intensität, je älter das Universum wurde. Das He-rausbilden kosmischer Strukturen hat sich seither zu größeren Maßstäben verschoben, indem die Galaxien sich zu Haufen und Superhaufen gruppieren.

In den kommenden Jahren werden die Forscher vermutlich mehr über die kosmische Frühgeschichte erfahren, in der die Strukturbildung in kleinstem Maßstab begann. Da die ersten Sterne offenbar sehr massereich und hell waren, könnte das Next Generation Space Telescope – der geplante Nachfolger des Hubble Space Telescope – einige dieser uralten Himmelskörper aufspüren. Dann würden die Astronomen direkt beobachten, wie ein dunkler, strukturloser Kosmos sich zu dem strahlenden Sternenhimmel entfaltet hat, der uns Licht und Leben schenkt.

Literaturhinweise


Vor dem Anfang. Eine Geschichte des Universums. Von Martin J. Rees. Fischer, Frankfurt am Main 1999.

In the Beginning: The First Sources of Light and the Reionization of the Universe. Von R. Barkana und A. Loeb in: Physics Reports, Bd. 349, S. 125 (2001).

The Formation of the First Stars. Von Richard B. Larson in: Star Formation from the Small to the Large Scale. Von F. Favata, A. A. Kaas und A. Wilson (Hg.). ESA Publications, 2000.


Steckbrief


- Die ersten Sterne entstanden vermutlich 100 bis 250 Millionen Jahre nach dem Urknall, und zwar in kleinen Protogalaxien, die ihrerseits aus Dichtefluktuationen im frühen Universum hervorgingen.

- Weil die Protogalaxien außer Wasserstoff und Helium praktisch keine chemischen Elemente enthielten, führte die Physik der Sternentstehung vorzugsweise zur Bildung von Himmelskörpern, die viel massereicher und leuchtkräftiger waren als die Sonne.

- Einige dieser frühesten Sterne explodierten als Super-novae und verstreuten schwere Elemente im Universum. Die massereichsten Sterne kollabierten zu Schwarzen Löchern. Als die Protogalaxien zu den heutigen Galaxien verschmolzen, konzentrierten sich die Schwarzen Löcher vermutlich in den galaktischen Zentren.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2002, Seite 26
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Der Umbau der Chemieindustrie

Täglich entstehen in riesigen Fabriken zahllose Stoffe, die wir in unserem Alltag nutzen – allerdings nur dank fossiler Rohstoffe und eines extrem hohen Energieverbrauchs. In dieser »Woche« geht es um den Umbau der Chemieindustrie hin zur Klimaneutralität. Außerdem: Gibt es sie, die »Zuckersucht«?

Spektrum der Wissenschaft – Klimawende für Energie und Industrie

»Klimawende für Energie und Industrie« zeigt auf, welche Anstrengungen unternommen werden müssen, um zahlreiche Industriesektoren auf Klimaneutralität umzustellen. Einerseits geht es dabei darum, woher die Energie in Zukunft kommen soll, wie sie gespeichert und genutzt wird, andererseits geht es aber auch darum, die Rohstoffe und die Produktionsmethoden insbesondere in den Branchen Stahl, Zement und Chemie anzupassen. Innovationen bei Techniken wie Wasserstoff, Wärmepumpen oder Kraftwerksbau können Lösungen bieten.

Spektrum - Die Woche – Gegen die Regeln

Dass das Standardmodell der Teilchenphysik Lücken aufweist, ist in der Fachwelt mittlerweile kein Geheimnis mehr, die Gründe für die häufigen Messabweichungen aber schon. Ursache könnten noch unbekannte Teilchen und Kräfte sein. Außerdem in der »Woche«: Bald schon Wasserstoffantrieb für Flugzeuge?

  • Infos

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.