Neurowissenschaft: Die genetische Kartierung des menschlichen Gehirns
Während Sie diese Worte lesen, tasten Sie mit den Augen die Seite ab und registrieren Muster, denen Ihr Verstand eine Bedeutung zuordnet. Gleichzeitig kontrahiert und entspannt sich Ihr Herzmuskel regelmäßig, Ihr Zwerchfell hebt und senkt sich beim Atmen, und Ihre Rückenmuskeln regulieren die Körperhaltung. Hinzu kommen tausende bewusste oder unbewusste grundlegende Vorgänge, gesteuert von den ungefähr knapp 100 Milliarden Neuronen sowie einer vergleichbaren Anzahl Hilfszellen im Gehirn.
Für Hirnforscher stellt eine scheinbar selbstverständliche Tätigkeit wie das Lesen einer Zeitschrift eine höchst erstaunliche Leistung des Nervensystems dar, aber auch ein Beispiel für das vielleicht schwierigste aktuelle wissenschaftliche Problem: Wir können nach wie vor nicht genau erklären, wie das menschliche Gehirn arbeitet und weshalb etwa das eines Affen nicht die gleichen kognitiven Leistungen erbringen kann wie unseres. Zwar untersuchen Neurowissenschaftler schon seit über einem Jahrhundert intensiv die Funktionsweise des Gehirns. Dennoch fühlen sie sich auch heute oft noch wie Entdecker, die an der Küste eines unbekannten Kontinents gelandet sind und diesen erst einmal kartieren müssen.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts legte der deutsche Mediziner Korbinian Brodmann (1868 – 1918) Schnitte menschlichen Hirngewebes unter sein Mikroskop, um den Aufbau der Großhirnrinde, des so genannten Kortex, zu untersuchen. Diese äußere Schicht "grauer Substanz" ist für den überwiegenden Teil unseres Wahrnehmens, Denkens und Erinnerns zuständig. Brodmann unterteilte die Hirnrinde in mehrere Dutzend Areale, wobei er sich an ihrer Gestalt orientierte sowie daran, wie die Zellen in den verschiedenen Regionen nach Anfärben mit unterschiedlichen Farbstoffen aussahen. ...
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