Mannigfaltigkeiten: Die Geometrie der Horizonte
Für uns ist es ein vertrautes Bild: Zwei parallele Geraden – zum Beispiel Eisenbahnschienen oder Straßenränder – scheinen sich in einem Punkt zu treffen. Auf einer Fotografie oder Zeichnung tun sie das auch. Aber in Wirklichkeit schneiden sie sich nirgends; das ist schließlich die Definition von parallel. Die Maler der Renaissance im 15. Jahrhundert setzten als Erste diesen Schnittpunkt zweier Parallelen, den es eigentlich gar nicht gibt, als Fluchtpunkt auf die Leinwand. Das löste eine Revolution in der bildenden Kunst aus: die Eroberung der Perspektive.
Damit hatten die Künstler den unendlich fernen Horizont in die Ebene hineingeholt, handhabbar gemacht und nebenbei den fundamentalen Unterschied zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen ein bisschen gemildert. Zwei Jahrhunderte später vollzog der Architekt und Mathematiker Girard Desargues (1591 – 1661) diesen Schritt in wissenschaftlicher Strenge nach. Um die verschiedenen Methoden der perspektivischen Darstellung zu vereinheitlichen, entwarf er eine Struktur, welche die gewöhnliche Ebene enthält, in der aber zwei Geraden sich stets schneiden – auch parallele. Deren Schnittpunkt ist ein "unendlich ferner Punkt", und alle unendlich fernen Punkte zusammen bilden die unendlich ferne Gerade. Damit legte er den Grundstein für das, was man heute "projektive Geometrie" nennt...
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