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Die Kelten in Deutschland

Konrad Theiss, Stuttgart 2001. 542 Seiten, € 64,–


Als die Ausgräber im Juni 1996 am Fuße des Glauberges in Hessen die lebensgroße Sandsteinstatue eines Keltenfürsten zutage förderten (Spektrum der Wissenschaft 05/2002, S. 96), hatte die Keltenforschung ihre größte Sensation, seit 1978/79 das ungestörte und reich mit Beigaben versehene "Fürstengrab" von Hochdorf in Württemberg aufgedeckt worden war. Spätestens mit der damals folgenden Wanderausstellung nahm das allgemeine Interesse an "den Kelten" einen rasanten und bis heute ungebrochenen Aufschwung. Die Zahl der Museumsbesucher und der Veröffentlichungen steigt; die populäre Literatur treibt die kuriosesten Blüten. Material über die Hinterlassenschaften und Gebräuche ist reichlich vorhanden; in dem vorliegenden Werk wird es aus archäologischer Sicht überregional zusammengefasst.

Das Buch besteht aus zwei ungefähr gleich großen Teilen. Im ersten fasst Sabine Rieckhoff, Professorin für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Leipzig und zuvor lange in Süddeutschland in der Denkmalpflege tätig, auf mehr als 260 Seiten den aktuellen Forschungsstand zur Geschichte und Kultur der Kelten zusammen. Die Kelten, so die Autorin, waren mangels gemeinsamer Identität und politischen Bewusstseins zu keiner Zeit ein einheitliches Volk in einem einheitlichen Staatsgebilde, sondern ein Sammelsurium vielfältiger ethnischer Gruppen, die einerseits viele Gemeinsamkeiten über große Entfernungen, andererseits tief gehende Unterschiede auch unter engen Nachbarn aufwiesen. Mit dieser These geht Rieckhoff auf eine tour d’horizon durch sämtliche Bereiche keltischen Lebens zwischen dem 8. und 1. Jahrhundert v. Chr.: Wohnen und Arbeiten, Wirtschaft und Gesellschaft, Religion und Kunst, Tod und Nachleben.

Der zweite Teil des Buches führt alle wesentlichen heute noch in Deutschland sichtbaren Geländedenkmäler aus dieser Zeit auf. Koordiniert von Jörg Biel, dem Leiter der Archäologischen Denkmal-pflege des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg und seinerzeit verantwortlich bei der Ausgrabung des Fürstengrabs von Hochdorf, stellen hier fast fünfzig erfahrene Forscher "ihre" Geländedenkmäler von etwa 120 Orten in sechs Bundesländern vor. Die Zusammenstellung umfasst in Text und Bild alle wichtigen Siedlungen, Gräber(-felder), Werk- und Kultplätze sowie Deponierungen in ihrer ganzen Variationsbreite. Die Einträge sind knapp, aber präzise und unterrichten über Forschungsgeschichte, Befund, Funde, Funktion und zeitliche Einordnung der Anlagen. Die Auflistung erfolgt alphabetisch nach Ortsnamen, sodass die Lektüre in der Reihenfolge des Textes einem wilden Ritt durch die Südhälfte der Republik gleichkommt. Eine Übersichtskarte der aufgenommenen Orte hätte die Orientierung wesentlich erleichtert.

Viele Fragen sind noch offen und werden in der Forschung sehr kontrovers diskutiert. Das macht sich dadurch bemerkbar, dass einzelne Autoren des topografischen Teils des Öfteren andere Meinungen vertreten als Sabine Rieckhoff in ihrer Synthese, vor allem was die soziale Organisation der Kelten und ihre zivilisatorischen Leistungen angeht.

Das Kerngebiet der keltischen Kultur erstreckte sich mindestens vom Pariser Becken bis zu den Karpaten. Durch die geografische Beschränkung auf Deutschland bleiben also weite Teile außen vor; im Überblick werden darum immer wieder auch die angrenzenden Siedlungsräume, vor allem Frankreich und die Nordschweiz, aber auch der nördliche Mittelmeerraum als Herkunftsgebiet vieler Importgüter in die Darstellung einbezogen.

Ein umfassender, gut lesbarer und gleichzeitig fundierter Überblick auf aktuellem Stand.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 103
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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