Die Kreislaufwirtschaft hat erst begonnen
Den Umweltschutz plazieren die Deutschen in ihrer Rangliste gesellschaftlich wichtiger Belange inzwischen deutlich niedriger als noch vor wenigen Jahren. Immer häufiger stellen sie bereits erreichte ökologische Standards in Frage, und die Diskussion über Kosten gewinnt zunehmend an Gewicht. So ist auch die Kreislaufwirtschaft, obwohl ein entscheidender Faktor der Ressourcenschonung und damit des Umweltschutzes, ins Gerede gekommen. Es gilt, sie nicht nur als Gesetz, sondern auch im Bewußtsein der Bürger wieder fest und dauerhaft zu verankern. Technologische Innovationen können sie zudem verbessern.
In der Verpackungsverordnung von 1991 wurde erstmals das Prinzip der Produktverantwortung gesetzlich verankert. Hersteller von Verpackungen sind seither für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich. Im gleichen Jahr wurde die Gesellschaft Duales System Deutschland (DSD) gegründet – mit der Aufgabe, Verpackungen zu sammeln, zu sortieren und dem Recycling zuzuführen. Gegen eine Gebühr vergibt sie eine Lizenz an die Hersteller, die ihre Verpackungen mit dem Symbol Grüner Punkt kennzeichnen dürfen und damit in das Entsorgungssystem des DSD einbezogen sind. Über diese Entgelte werden die Kosten für Sammlung und Sortierung von Verpackungen bereits im Produktpreis berücksichtigt. Die Verordnung bildete damit den ersten Schritt zu einer neuen Form der Umweltgesetzgebung, die fortan beweisen mußte, daß sie funktioniert.
Das Gesetz sah vor, für 80 Millionen Bürger innerhalb von 18 Monaten ein neues Sammelsystem für Hausmüll einzurichten, das flächendeckend und verbrauchernah sein sollte. Vorher galt es, das lokal einzurichtende Sammelsystem mit allen Gebietskörperschaften abzustimmen und Vertragsverhandlungen mit über 500 Entsorgern zu führen.
Das Duale System hat sich schnell etabliert: Seit Jahren erfüllt es die hohen gesetzlichen Erfassungs- und Sortierquoten für die unterschiedlichen Verpackungsmaterialien. Dabei hat sich insbesondere das schwierige Kunststoff-Recycling erfolgreich entwickelt. Im Jahre 1992 wurden 40000 Tonnen Verpackungen aus Kunststoff gesammelt und verwertet, 1997 waren es schon über 560000 Tonnen.
Trotzdem stand das Duale System von Anfang an immer auch im Kreuzfeuer der Kritik. Umweltverbänden waren die Recyclingquoten und die Lizenzentgelte für den Grünen Punkt zu niedrig. Sie hatten sich eine Lösung gewünscht, die ihrer Ansicht nach noch bessere Ergebnisse hervorbrächte. Die betroffenen Unternehmen hingegen beklagten die hohen Zusatzkosten. Um den Interessenkonflikt zwischen ökologischen und ökonomischen Anforderungen an das System beizulegen, gibt es nur einen Weg: die Entwicklung effizienter Technologien.
Um eine hohe Qualität für Recyclingprodukte zu erzielen, ist es entscheidend, schon die Ausgangsstoffe aus dem Hausmüll sorgfältig und sauber zu trennen. Derzeit erobern innovative Recyclingtechniken aus Deutschland weltweit Märkte, und eine neue Generation von Sortieranlagen wird in Kürze großtechnisch eingeführt werden. Am Anfang des Dualen Systems sahen die Sortiertechniken allerdings noch bescheiden aus: An einfachen, teilweise aus anderen Wirtschaftsbereichen zweckentfremdeten Transportbändern wurden die Leichtverpackungen überwiegend in mühsamer Handarbeit getrennt. Nach und nach ersetzten automatische Module Bereiche der Handsortierung.
Eine moderne Abfall-Sortieranlage ist zum Beispiel mit einem oder mehreren Magnetscheidern bestückt, die Weißblechdosen vom übrigen Verpackungsmüll abtrennen. In den meisten Anlagen sind außerdem bereits Wirbelstromscheider zum Separieren aluminiumhaltiger Verpackungen installiert. Ihr Prinzip war zwar schon lange bekannt, aber erst der neue Bedarf schuf den Anreiz, sie in großem Umfang technisch einzusetzen. Mit dieser Technik wurde es möglich, wesentlich mehr Aluminium als je zuvor für die Wiederverwertung zurückzugewinnen. Allein in diese Aggregate wurden insgesamt zwischen 30 und 50 Millionen Mark investiert.
Wichtige Voraussetzung für eine saubere Sortierung ist ein nicht zu dichter Verpackungsstrom auf den Transportbändern. Dafür sorgen intelligent kombinierte Förder- und Vereinzelungsvorrichtungen wie Steigbänder, Schwing- und Trommelsiebe sowie Windsichter, die flächige Verpackungen – wie Folien – aus dem Materialstrom herausblasen. Es gibt bereits automatische Erkennungssysteme, die auch Getränkekartons abtrennen können. So entwickelte eine norwegische Firma ein Aggregat, das die Nah-Infrarot-Spektroskopie nutzt: Alle Größen, Formen und Farben von Getränkekartons lassen sich mit Hilfe von Spektralanalysen erfassen. Nachdem ein Karton so identifiziert und seine Position auf dem Transportband bestimmt ist, wird er beim Passieren von Druckluftventilen in die vorgesehenen Sammelbehälter geblasen. Selbst das Glasrecycling sieht heute anders aus als noch vor wenigen Jahren. Mit automatischen Farberkennungssystemen auf Laserbasis lassen sich Flaschen und Gläser erheblich zuverlässiger sortieren.
In der Sortieranlage 2000 wird keine Handarbeit mehr erforderlich sein. Dennoch kann sie weitaus reinere und damit hochwertigere Materialien, insbesondere bei den Kunststoffen, für das Recycling bereitstellen, weil sie nicht mehr wie bisher nach Artikeln sortiert, sondern durchgängig nach Stoffeigenschaften. Noch heute fallen rund zwei Drittel der aussortierten Kunststoffe als Mischpolymere heterogener Qualität an; in der neuen Sortieranlage jedoch entstehen sortenreine Polyolefine, die direkt für das Recycling einsetzbar sind, sowie eine Polystyrolfraktion. Dadurch erübrigen sich kostspielige Aufbereitungsschritte, wie sie derzeit noch erforderlich sind. Anders als heute fallen auch keine Sortierreste mehr an, da mit einem nassen Aufbereitungsverfahren bei einer geschickt gewählten Anlagenkonfiguration auch sehr kleinteilige Verpackungen in verwertbare Sekundärrohstoffe überführt werden.
Ein Prototyp dieser neuen Anlagentechnik, die Kommunale Aachener Kunststoff-Aufbereitungstechnologie zur umweltfreundlichen Sekundärrohstoffverwertung, kurz KAKTUS, steht in der Nähe von Aachen. Ende 1999 wird eine erste großtechnische Anlage in der Nähe von Hannover in Betrieb gehen. In den kommenden acht bis zehn Jahren sollen 80 bis 100 derartige Anlagen die 320 heutigen ablösen.
Um sicherzugehen, daß die eingeschlagenen Wege für das Recycling, insbesondere bei den Kunststoffen, ökologisch richtig waren, gab das Duale System bereits 1995 Ökobilanzen in Auftrag. Inzwischen international ausgezeichnet und als wegweisend gewürdigt, belegen sie, daß Recycling besser ist als die Verbrennung. Die Ergebnisse werden auch durch eine Studie der internationalen Firma Coopers & Lybrand gestützt, die im Auftrag der Europäischen Kommission die Vorgaben der EU-Richtlinie überprüfen sollte. Für fast alle Verpackungsmaterialien werden darin maximale oder hohe Recyclingquoten empfohlen. In jüngster Zeit wurden zwar neue Bilanzen veröffentlicht, wonach die Müllverbrennung fast gleichwertig zu den stofflichen Recyclingverfahren sein soll. Sie gelten aber nicht für deutsche Müllverbrennungsanlagen, da diese meist nicht ganzjährig in Fernwärmenetze eingebunden sind und wegen der strengen Luftreinhaltungsvorschriften eine energetisch aufwendige Rauchgasreinigung betreiben müssen.
Das Duale System hat einen sehr hohen ökologischen Standard erreicht, den es bei sinkenden Kosten auch in Zukunft halten wird. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft hat sich als nachhaltig richtiger Weg erwiesen, den mit Sicherheit auch andere Wirtschaftszweige erfolgreich beschreiten können und sollten.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 74
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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