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Die Pathfinder-Mission zum Mars

Vor einem Jahr befuhr zum ersten Mal ein kleines Fahrzeug den Roten Planeten und fand dort Spuren einer einst offenbar lebensfreundlichen Umwelt.


Die Steine, seht Euch diese Steine an!", rief ich in die im Kontrollraum versammelte Runde, als am 4. Juli 1997 gegen 16.30 Uhr die ersten Bilder des Terrains, in dem die Mars-Pathfinder-Sonde niedergegangen war, auf unseren Monitoren erschienen. Zwar war es Aufgabe der Mission, Gesteinsbrocken auf der Oberfläche des Nachbarplaneten zu untersuchen, doch niemand hatte wissen können, ob wir überhaupt welche finden würden. Denn die Landestelle mußte anhand von Aufnahmen ausgewählt werden, auf denen sich nur Strukturen von mehr als einem Kilometer Größe erkennen ließen. Pathfinder hätte also ebensogut in einer reinen Staubwüste gelandet sein können. Die ersten Funksignale der Landesonde besagten, daß sie nahezu waagerecht stehe. Dann kamen zunächst Bilder, auf denen sie sich selbst abgelichtet hatte, damit wir ihren Zustand überprüfen konnten – und, nach einigen gespannten Minuten, schließlich die Aufnahmen einer von Brocken übersäten Ebene (Bild 1).

Warum waren wir so erpicht auf Steine? Die ausgewählte Landestelle befand sich an der Mündung eines weit ausladenden Tals, das nach Meinung der meisten Forscher von einer gewaltigen Flutwelle geformt worden war (Bild 5). Diese soll sich einst – vielleicht aufgrund der plötzlichen Entleerung eines Gletschersees – aus den alten, stark verkraterten Hochländern hierher ergossen und dabei Geröll mitgeführt haben. Aus der mineralogischen Zusammensetzung jedes einzelnen Steines sollten wichtige Informationen über dessen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte und daraus wiederum Erkenntnisse über die geologischen und klimatischen Epochen des Mars herauszulesen sein.

Pathfinder, bestehend aus der eigentlichen Landesonde und einem fernsteuerbaren Rover, war entsprechend instrumentiert worden: Der Rover verfügte – neben einer kleinen Kamera – über ein sogenanntes Alpha-Proton-Röntgenspektrometer (Alpha Proton X-Ray Spectrometer, APXS) zum quantitativen Nachweis der im Gestein enthaltenen chemischen Elemente; die Landesonde konnte mit einer Mehrkanalkamera namens IMP (Imager for Mars Pathfinder) Farbe, Oberflächenstruktur und Form der Steine ermitteln. Aus den Bild- und Meßdaten hofften wir die mineralische Zusammensetzung eindeutig ableiten zu können. Was würden wir daraus über das frühere Klima des Planeten lernen? Sollten wir womöglich Hinweise auf einst lebensfreundliche Bedingungen erhalten?

Leben kann ohne flüssiges Wasser nicht existieren. Zumindest gilt dies für die Erde, den einzigen belebten Planeten, den wir kennen. Unter den heutigen Bedingungen auf dem Mars – der Atmosphärendruck beträgt nur ein Hundertstel des irdischen Wertes, und die Temperaturen liegen unterhalb des Gefrierpunktes – kann Wasser dort jedoch nur als Eis oder Dampf existieren, aber nicht als Flüssigkeit. Ein Tropfen würde nämlich binnen kurzem gefrieren oder verdampfen, je nach Abstand vom Äquator und je nach Tages- und Jahreszeit. Allerdings zeigten schon vor mehr als 20 Jahren die Bilder der amerikanischen Viking-Sonden Strukturen der Marshochländer, die an ausgetrocknete Abflußbecken und Seen erinnern. Mithin könnte es in der Vergangenheit dieses Planeten wärmere Phasen mit höherem Luftdruck gegeben haben (siehe "Die Klimageschichte des Mars" von Jeffrey S. Kargel und Robert G. Strom, Spektrum der Wissenschaft, Januar 1997, Seite 50). Aber ob es sich dabei lediglich um kurzzeitige Erwärmungen, verursacht etwa durch Meteoriteneinschläge oder Vulkanismus, handelte oder um eine langandauernde, insgesamt wärmere und feuchtere Epoche, war bisher nicht zu entscheiden. Dies herauszufinden war eines der Ziele der Pathfinder-Mission.

Die mutmaßlichen Seebecken liegen in den Hochländern des Mars, denen die Planetologen aufgrund der starken Verkraterung ein Alter von 3,6 bis 3,9 Milliarden Jahren zuschreiben. So alt sind in etwa auch die ältesten irdischen Sedimentgesteine – und in denen haben Paläonthologen fossile Lebensspuren entdeckt. Wenn sich damals auf der Erde die ersten einfachen Organismen gebildet hatten, warum nicht auch auf dem Mars? Und wenn es sie auch dort gab, was ist aus ihnen geworden? Entsteht Leben vielleicht überall, wo es flüssiges Wasser gibt? Oder sind noch zusätzliche Umstände erforderlich? Die Erforschung unseres direkten Nachbarn im All könnte uns somit helfen, eine der brennendsten Fragen der Wissenschaft zu beantworten: Ist die belebte Erde ein Einzelfall im Universum?



Pfadfinder in der Wüste



Die Pathfinder-Mission gehörte zum Discovery-Programm der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA, einer Initiative, die unter dem Motto "schneller, billiger, besser" Raumfahrtprojekte kostengünstig und zügig durchführen will. Die Zeit zwischen Baubeginn und Start der Sonde betrug dreieinhalb Jahre, das Gesamtbudget etwa 250 Millionen US-Dollar. Das ist vergleichbar mit dem Aufwand für einen großen Hollywood-Film und sehr viel weniger als der Preis früherer Raumfahrtprojekte. Die Mission sollte eine neue Landetechnik mit Airbags erproben und eine kleine Landesonde sowie ein Fahrzeug auf dem Mars absetzen. An Bord befand sich neben den Kameras und dem Alpha-Proton-Röntgenspektrometer, die zusammen mit deutschen Instituten entwickelt wurden, noch eine Wetterstation. Auch der Rover selbst sollte als wissenschaftliches Instrument fungieren: Von zehn unterschiedlichen Experimenten erwartete man Auskunft über die Beschaffenheit der Umgebung; unter anderem testete man den Abrieb des Metallfilms auf einem der Räder und das Anhaften von Staub auf den Solarzellen des Fahrzeugs.

Zum Vergleich: Die 1975 gestartete Viking-Mission kostete etwa das Zwanzigfache. Sie bestand aus zwei Orbitern, die den Mars aus Umlaufbahnen beobachteten, und zwei Landesonden. Die Orbiter funkten mehr als 57000 Bilder zur Erde, deren Auswertung bis heute andauert. Die Landesonden lieferten über 4500 Nahaufnahmen der Marsoberfläche und führten eine lange Reihe ausgeklügelter Experimente zur Analyse des Bodens und der Atmosphäre sowie zur Wetter- und Bebenüberwachung durch. Verschiedene chemische Untersuchungen dienten dem Nachweis toter oder lebender organischer Materie im Boden – die Resultate waren allerdings negativ.

Pathfinders siebenmonatige Reise zum Mars verlief unproblematisch. Eine halbe Stunde vor der Ankunft am Roten Planeten trennte sich die Sonde vom restlichen Raumgefährt, und der schwierigste Teil der Mission begann (Bild 6): Innerhalb von nur fünf Minuten mußte der Bordcomputer mehr als 50 kritische Operationen exakt zum jeweils richtigen Zeitpunkt ausführen, damit das empfindliche Gerät die Belastungen der heftigen Abbremsung in der Marsatmosphäre, des Abstiegs und der Landung unbeschadet überstehen konnte. Zunächst sorgte ein schalenförmiger Schutzschild für eine effektive Geschwindigkeitsreduktion in der dünnen Gashülle des Planeten und hielt zugleich die Reibungswärme von der Sonde fern. Dann, 134 Sekunden vor der Landung, trennte der Computer den Schild ab und öffnete einen Fallschirm am Ende eines 20 Meter langen Seils.

Ein Altimeter bestimmte fortwährend die genaue Höhe über dem Boden und zündete drei kleine Raketen zur weiteren Abbremsung. Sodann füllten sich vier riesige Airbags – an jeder Seite der tetraederförmigen Sonde einer –, und der Fallschirm wurde gekappt. Mit 50 Kilometern pro Stunde prallte Pathfinder auf den Marsboden. Sensoren an Bord registrierten, daß die Sonde mindestens 15mal wieder hochhüpfte, ohne Druck in den Airbags zu verlieren. Nachdem sie zur Ruhe gekommen war, wurden die Prallschutzsäcke entleert, und die Sonde öffnete sich, um ihre wissenschaftliche Arbeit aufzunehmen.

Damit war die Hauptaufgabe der Mission, der Test dieser neuen Landetechnik, schon jetzt erfolgreich beendet. Doch auch sonst wurden die hochgesteckten Erwartungen der Ingenieure und Wissenschaftler erfüllt oder sogar übertroffen: Die Sonde arbeitete dreimal, der Rover sogar zwölfmal länger als die jeweils geplante Minimalzeit. Die Forscher empfingen 2,3 Milliarden Bits neuer wissenschaftlicher Daten vom Mars, darunter 16500 Aufnahmen der Landesonde und 550 des Rovers, sowie 8,5 Millionen Einzelmessungen von Temperatur, Druck und Windgeschwindigkeit. Der Rover erhielt von der Erde 230 Bewegungsbefehle und legte insgesamt eine Strecke von 100 Metern zurück. Dabei inspizierte er mehr als 200 Quadratmeter der Marsoberfläche, führte 16 Elementanalysen sowie diverse mechanische Untersuchungen des Gesteins durch und absolvierte auch alle technologischen Experimente erfolgreich. Die Mission schlug die Öffentlichkeit in Bann, stand eine Woche lang auf den Titelseiten der Tagespresse und war das größte Internet-Ereignis aller Zeiten: Im ersten Monat wurden 566 Millionen Zugriffe im World Wide Web registriert – 47 Millionen allein am 8. Juli.

Die große Flut



Die Landestelle von Pathfinder (19,13 Grad Nord, 33,22 Grad West) liegt in einer Chryse Planitia genannten Tiefebene, nahe der Mündung des Ares Vallis. Die ersten Umgebungsbilder fügten sich zum Rundumpanorama einer ebenen Landschaft zusammen, die zu etwa einem Fünftel mit Steinen bedeckt ist und augenscheinlich von einer gigantischen Flutwelle geformt wurde. Bereits die Aufnahmen der Viking-Orbiter von dieser Gegend hatten Ähnlichkeiten mit dem im US-Bundesstaat Washington gelegenen Channeled Scabland erkennen lassen, das sich durch plötzliche Entleerungen von Gletscherseen am Ende der letzten Eiszeit bildete. Aufgrund eines Analogieschlusses konnten wir abschätzen, daß einige hundert Kubikkilometer Wasser – vergleichbar etwa dem Wasserinhalt der heutigen Großen Seen im Norden der USA –, die innerhalb weniger Wochen abgingen, das Ares Vallis geformt haben mußten. Da die Einschläge von Asteroiden und Kometen seit der Entstehung des Mars nach und nach seltener wurden, läßt sich aus der Häufigkeit der Krater in dieser Gegend das Alter des Tales abschätzen: 1,8 bis 3,5 Milliarden Jahre.

Die Pathfinder-Aufnahmen unterstützen die Fluthypothese: Sie zeigen halbgerundete Kiesel, kiloschwere Steine und große Felsbrocken, wie sie auch auf der Erde von Flutkatastrophen abgelagert wurden. Ein südwestlich der Landestelle angrenzendes Areal, das wir "Rock Garden" genannt haben, enthält einige eckige Brocken – mit den Spitznamen "Shark", "Half Dome" und "Moe" –, die geneigt sind und im Sediment eingegraben erscheinen, so als hätte eine starke Strömung sie so plaziert. Felsen mit mehr als einem halben Meter Größe sind auf ihrer Oberseite abgeflacht und liegen teils erhöht, was ebenfalls für eine Ablagerung durch Hochwasser spricht. Die Mehrkanalkamera machte am südwestlichen Horizont zwei benachbarte Hügel aus, "Twin Peaks" genannt, die wie eine umströmte Insel aussehen.

Zusammen mit den Viking-Aufnahmen, welche die Landestelle von oben zeigen, ergab sich folgendes Bild dieser Gegend: Von den "Twin Peaks" geht in nordöstlicher Richtung ein breiter, sanft gewölbter Bergkamm aus, an dessen Flanke sich die Landestelle befindet. Der Kamm könnte sich durch Ablagerungen im Strömungsschatten der Hügel gebildet haben. Kleine Rinnen, die sich überall in der Umgebung finden, erinnern an ähnliche Strukturen im Channeled Scabland, wo in der letzten Phase der Überflutung das ablaufende Wasser feinere Ablagerungen fortgespült hat.

Es gibt kaum Anzeichen für Veränderungen seit der großen Flut. Nur eine geringfügige Winderosion konnte Pathfinder feststellen: Gelblich-brauner Staub hat sich über Teile der an sich dunkelgrauen Steine gelegt und im Windschatten einiger Brocken gesammelt. Wahrscheinlich ist dieser Staub von gleicher Art wie jener in der Atmosphäre und sehr feinkörnig, mit typischen Korngrößen von einem Mikrometer (tausendstel Millimeter); dies weiß man aus Messungen der Lichtstreuung anhand von Mehrkanalaufnahmen in verschiedenen Richtungen relativ zur Sonne.

Einige Steine zeigen Abschliffe – vermutlich hervorgerufen von windgetriebenen Sandkörnern mit weniger als einem Millimeter Durchmesser (Bild 3). Zudem machte der Rover Sandverwehungen in einer Senke hinter dem "Rock Garden" aus (Bild 4). Einige Steine weisen am unteren, einige Zentimeter breiten Rand eine andere Färbung auf – wahrscheinlich hat sie der Wind um dieses Stück aus dem Untergrund befreit.

Sedimentgestein auf dem Mars?



Uns Planetologen standen vor der Pathfinder-Mission nur wenige Proben von Marsgestein zur Verfügung, und zwar ausschließlich Meteorite, die vermutlich einst durch gewaltige Asteroiden-Einschläge vom Roten Planeten in den Weltraum emporgeschleudert wurden und nach einigen Jahrmillionen auf der Erde landeten. Bei allen aufgefundenen Mars-Meteoriten handelt es sich um Mafite, also um Erstarrungsgesteine mit relativ hohem Magnesium- und Eisen-, aber geringem Siliciumgehalt. Solche Basalte entstehen, wenn schmelzflüssiges Material aus dem oberen Mantel eines Planeten durch vulkanische Prozesse aufsteigt und in der Nähe der Oberfläche erstarrt. Diese Gesteinsart ist auf der Erde weit verbreitet und wurde auch auf dem Mond gefunden.

Auf dem Mars erwarteten wir sie nun ebenfalls, denn die dortigen Landschaften, insbesondere die alten Hochländer, sehen in weiten Bereichen ganz so aus, als wären sie durch basaltischen Vulkanismus geformt worden. Dem Rover gelang es mit dem Alpha-Proton-Röntgenspektrometer, die chemische Zusammensetzung von acht Steinen unterschiedlicher Größe zu ermitteln. Zu unserer Überraschung fand sich in einigen von ihnen relativ wenig Eisen und Magnesium, dafür aber wesentlich mehr Silicium als in den Mars-Meteoriten. Es konnte sich also nicht um Basalt handeln.

Für einen vulkanischen Ursprung der betreffenden Marssteine spricht freilich die Bläschenstruktur ihrer Oberfläche, die beim Erstarren gasreicher Schmelzen entsteht. Nun gibt es auf der Erde vulkanische Gesteine mit ähnlich hohem Siliciumgehalt, sogenannte Andesite. Sie bilden sich, wenn die aufsteigende basaltische Schmelze längere Zeit in der Erdkruste verweilt und dabei abkühlt, so daß mit Eisen und Magnesium angereicherte Kristalle auszufallen beginnen; diese sinken wieder nach unten, und das sich auf die Oberfläche ergießende Magma weist nun einen erhöhten Silicium-Anteil auf. Der Fund von Andesiten an der Pathfinder-Landestelle kam überraschend, und es gibt noch keine zufriedenstellende Erklärung dafür. Denn sollten die untersuchten Brocken repräsentativ sein für das Gestein der Hochländer, dann müßte die chemische Zusammensetzung der frühen Marskruste derjenigen der irdischen Kontinentalkruste ähneln; wegen der unterschiedlichen geologischen Entwicklung beider Planeten wäre dies jedoch nur schwer zu verstehen.

Eine Überraschung war ebenfalls, daß offenbar nicht alle untersuchten Felsbrocken vulkanischen Ursprungs sind: Einige weisen Schichtungen auf wie irdisches Sedimentgestein, das sich durch Ablagern von Schwebeteilchen und Grus in Gewässern bildet. In der Tat lassen Aufnahmen des Rovers abgerundete Kiesel und Schotter auf dem Marsboden erkennen. Und einige größere Felsen sehen aus, als wären in ihnen gröbere Brocken eingebettet oder aus ihnen herausgebrochen (Bild 7); hierbei könnte es sich um Konglomerate aus abgeschliffenen Kieseln, Sanden, Schlamm und Ton handeln, die durch Sedimentation entstanden, sich schließlich verfestigten und durch die Flutwelle an ihren jetzigen Fundort verfrachtet wurden. Sollte diese Hypothese zutreffen, wäre dies ein Beleg für eine langanhaltende warme Epoche mit flüssigem Wasser in der Frühzeit des Mars, denn die Bildung von Sedimentgesteinen dauert sehr lange.

Der Untergrund in der Umgebung der Pathfinder-Landestelle besteht größtenteils aus feinkörnigem Material, dessen Farben von Hellrot über Dunkelrot bis Dunkelgrau reichen (Kasten auf den Seiten 72/73). Im Mittel enthält es weniger Silicium als die Steine, dafür mehr Schwefel, Eisen und Magnesium. In der chemischen Zusammensetzung gleicht es somit im wesentlichen den von den Viking-Sonden analysierten Bodenproben. Dies ist bemerkenswert, denn die Landestelle von Viking 1 liegt 800 Kilometer weiter westlich, die von Viking 2 sogar ungefähr auf der entgegengesetzten Seite der Nordhalbkugel. Dieses Bodenmaterial ist also offensichtlich recht gleichmäßig über den gesamten Marsglobus verteilt. Die unterschiedliche Färbung mag auf Variationen im Eisengehalt und in den Korngrößen und -formen zurückzuführen sein.

Ein Stück des Bodens, den der Rover inspiziert hat, ist von einer hellroten bis pinkfarbigen Schicht bedeckt. Sie hat eine ähnliche Zusammensetzung wie das übrige Bodenmaterial, ist aber offenbar verhärtet, denn die Räder des Marsfahrzeugs hinterließen dort keine Spuren.

Pathfinder untersuchte auch die Staubpartikel in der Atmosphäre, indem er deren Ablagerung auf einer eigens dafür vorgesehenen Reihe magnetischer Flächen auf der Sonde registrierte. Der Staub erwies sich als stark magnetisch. Er könnte aus kleinen Silicat-Partikeln, vielleicht Ton, bestehen, in die das eisenhaltige Mineral Maghemit eingelagert ist. Dies wäre ein weiterer Hinweis auf flüssiges Wasser in der Vergangenheit des Mars. Denn das Eisen könnte durch Wasser aus dem Krustengestein herausgelöst worden und später, als das Klima des Planeten kälter und trockener wurde, nach Sublimation des Eises als Niederschlag übriggeblieben sein.

Der Himmel des Mars erscheint auf den Aufnahmen von Pathfinder wie auch auf denen der Viking-Landesonden karamelfarben, was auf feinkörnigen Staub in der dünnen Atmosphäre hinweist. Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop, die der Pathfinder-Mission vorausgegangen waren, ließen allerdings eine sehr klare Atmosphäre erwarten; manche Wissenschaftler spekulierten sogar, einen blauen Marshimmel vorzufinden. Für den gegenteiligen Befund gibt es zwei Erklärungen: Entweder befindet sich immer ein wenig Staub in der Atmosphäre, der durch lokal begrenzte Stürme aufgewirbelt wurde, oder die atmosphärische Trübung kann innerhalb kurzer Zeit stark variieren.

Pathfinder bestätigte auch frühere Ergebnisse der Viking-Sonden, wonach die Staubpartikel in der Atmosphäre ungefähr ein tausendstel Millimeter groß sind und der Feuchtigkeitsgehalt der Gashülle einem Wasserfilm von nur einem hundertstel Millimeter entspricht. Auf irgendeine Weise muß Mars seinen früheren Wasservorrat verloren haben; heute ist er jedenfalls staubiger und trockener als jede irdische Wüste.

Gefrorene Luft



Einen weiteren Befund der Viking-Sonden vermochte Pathfinder zu bestätigen: Druck und Temperatur variieren sowohl im Tagesverlauf als auch längerfristig. Mittags gegen 14 Uhr Ortszeit war es mit -10 Grad Celsius jeweils am wärmsten, kurz vor Sonnenaufgang mit -76 Grad am kältesten. Der atmosphärische Druck des Mars weist viel stärkere jahreszeitliche Schwankungen auf als derjenige der Erde; denn während des Winters auf der Nordhalbkugel erreicht der Mars auf seiner relativ stark elliptischen Bahn zusätzlich den größten Abstand von der Sonne. Dann ist es dort so kalt, daß 20 bis 30 Prozent des gesamten in der Atmosphäre vorhandenen Kohlendioxids ausfrieren und sich als dicke weiße Schicht von Trockeneis um den Nordpol herum niederschlagen; diese Polkappe kann einen Radius von weit über tausend Kilometern erreichen. Den mit 6,7 Millibar niedrigsten Druck, was etwa einem 150stel des irdischen Luftdrucks auf Meereshöhe entspricht, registrierte Pathfinder am 20. Marstag nach der Landung. Das war offenbar der extremste Tag des nördlichen Winters – mit der dünnsten Atmosphäre und der größten Nordpolkappe.

Morgens zeigte die Temperatur starke Variationen in Abhängigkeit sowohl von der Zeit als auch von der Bodenhöhe. Wärmefühler waren an einem Mast in 25, 50 und 100 Zentimeter Höhe über der Sonde angebracht: Ihren Messungen zufolge würde ein stehender Mensch auf dem Mars an seiner Nasenspitze um 20 Grad kältere Temperaturen ertragen müssen als an seinen Füßen – ein völlig ungewohntes Phänomen. Offenbar wird die kalte Morgenluft durch den Marsboden erwärmt und steigt dann durch Konvektion langsam nach oben. Bis zum Nachmittag haben sich die bodennahen Schichten schließlich in ihrer Temperatur angeglichen.

Dafür traten während der warmen Tageszeit kleine Windhosen – sogenannte Staubteufel – auf, die über die Landestelle hinwegzogen. Sie gaben sich durch kurzzeitige Druckschwankungen zu erkennen; zudem beobachtete die Kamera mehrfach Staubwirbel am Horizont. Auch die Viking-Landesonden und Orbiter hatten kleinere und größere Wirbelstürme festgestellt, die Staub hochrissen. Womöglich sorgt dieser Prozeß für die nahezu gleichförmige Verteilung des feinkörnigen Oberflächenmaterials auf dem Mars. Ansonsten registrierte Pathfinder nur schwache Winde mit Geschwindigkeiten von weniger als 36 Kilometern pro Stunde.

Während seines Landeabstiegs registrierte Pathfinder – wie auch schon eine der Viking-Sonden – die atmosphärischen Basisdaten in größeren Höhen. Oberhalb von 60 Kilometern waren die Temperaturen niedriger als die von Viking gemessenen, was allein an den jahres- und tageszeitlichen Unterschieden liegen mag. Denn während Pathfinder um 3 Uhr niederging, landete Viking um 16 Uhr, also während der warmen Tageszeit. In mittleren Höhen registrierten beide Sonden allerdings ähnliche atmosphärische Daten. Vermutlich sorgt dort der Staub für einen effektiven Ausgleich von Temperaturunterschieden.

Präzession des Planeten



Die Funksignale von Pathfinder konnten die Missionswissenschaftler nicht nur zur Kommunikation mit der Sonde, sondern auch für präzise Geschwindigkeits- und Positionsmessungen nutzen. Denn einerseits schwankte aufgrund des Doppler-Effekts die Senderfrequenz je nach der momentanen Radialgeschwindigkeit der Sonde relativ zu den Antennen auf der Erde. Und andererseits konnten die Forscher durch Anpeilen mit zwei Antennen die Position der Sonde auf 100 Meter genau ermitteln. Als erstes entdeckte man eine jahreszeitliche Schwankung der Rotationsperiode des Mars. Diese erklärt sich ganz leicht durch das An- und Abschwellen der Polkappen aus Trockeneis.

Die zweite, viel wichtigere Entdeckung ergab sich durch den Vergleich mit ähnlichen Messungen, die man vor mehr als 20 Jahren auch schon bei Viking durchgeführt hatte. Es ließ sich nun feststellen, daß die Rotationsachse des Mars ihre Richtung im Raum geändert hatte. Solch eine Präzessionsbewegung – wie sie sich am besten an einem rotierenden Kreisel veranschaulichen läßt, den man umzukippen sucht – führt auch die Erdachse aus. Die Geschwindigkeit dieser periodischen Taumelbewegung hängt vom Trägheitsmoment eines Planeten ab und dieses wiederum von seiner Masse und ihrer Verteilung im Planeteninneren. Das Trägheitsmoment war bisher die einzige noch unbekannte mechanische Grundgröße des Mars.

Aus dem gemessenen Wert konnte nun auf einen sehr schweren, metallischen Kern geschlossen werden, der einen Radius zwischen 1300 und 2400 Kilometern hat. Die aufgrund der Elementanalysen der Mars-Meteoriten entwickelten Modelle des Planeteninneren berücksichtigten zwar auch schon einen metallischen Kern, doch dessen Größe war vollkommen ungewiß. Mit dem neuen Wissen und den mineralogischen Befunden über das Mantelmaterial und die Kruste, die auf den von Pathfinder untersuchten Steinen beruhen, können die Marsforscher nun bessere Modelle des Planetenaufbaus entwickeln.

Als Resumee sämtlicher Pathfinder-Ergebnisse läßt sich sagen: Der Mars erscheint uns heute erdähnlicher als zuvor. Einige Gesteine ähneln vom Siliciumgehalt her den kontinentalen Krusten auf unserem Heimatplaneten. Die gerundeten Kieselsteine, die Konglomerate, der reichlich vorhandene Sand und der feine Staub – alles spricht für einen einst an flüssigem Wasser reichen Planeten. Die Umweltbedingungen dort waren früher womöglich deutlich wärmer und feuchter – vielleicht so wie auf der jungen Erde. Aber nachdem vor 1,8 bis 3,5 Milliarden Jahren eine große Flutwelle die Umgebung der Pathfinder-Landestelle geformt hatte, entwickelte sich der Mars zu einem völlig anderen Planeten. Weil die Umgebung der Landestelle sich seitdem offensichtlich kaum verändert hat, kann dort keine signifikante spätere Erosion durch Wasser mehr stattgefunden haben.

Wenngleich wir noch immer nicht völlig davon überzeugt sein können, daß Mars während einer längeren Epoche in seiner Frühzeit erdähnlicher war als heute, hat uns Pathfinder doch in dieser Einschätzung bestärkt. Weitere Erkenntnisse dazu wird demnächst der Mars Global Surveyor liefern, der zur Zeit den Erdnachbarn auf immer enger werdenden Bahnen umkreist und von Monat zu Monat schärfere Aufnahmen der Marslandschaften macht.

Literaturhinweise

– Die Mars-Mission. Pathfinder, Sojourner und die Eroberung des Roten Planeten. Von Holger Heuseler, Ralf Jaumann und Gerhard Neukum. BLV, München 1998.
– Mars – Aufbruch zum Roten Planeten. SuW Spezial 3, Sterne und Weltraum, Heidelberg 1998.
– Mars. Herausgegeben von Hugh H. Kieffer, Bruce M. Jakosky, Conway W. Snyder und Mildred S. Matthews. University of Arizona Press, 1992.
– Water on Mars. Von Michael H. Carr. Oxford University Press, 1996.
– Mars Pathfinder Mission and Ares Vallis Landing Site. Von Matthew P. Golombek und anderen in: Journal of Geophysical Research, Band 102, Heft E2, Seiten 3951 bis 4229, 25. Februar 1997.
– Mars Pathfinder. Von Matthew P. Golombek und anderen in: Science, Band 278, Seiten 1734 bis 1774, 5. Dezember 1997


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 62
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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