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Die Rechenmaschinen von Konrad Zuse.

Springer, Berlin 1998. VIII+221 Seiten, DM 58,–.

Konrad Zuse (1910 bis 1995) war zweifellos einer der genialsten Erfinder unseres Jahrhunderts. Aber was hat er eigentlich erfunden?

Den Computer? Zuse selbst hat dieser Zuschreibung nicht widersprochen; aber sein guter alter Freund Friedrich L. Bauer, einer der Gründerväter der numerischen Mathematik in Deutschland, relativiert und präzisiert sie sehr eingehend. Zu einem heutigen Computer gehört eben etliches mehr als das, was Zuse realisiert oder auch im Kopf hatte.

Aber das kann seinen Ruhm nicht schmälern. Die unglaubliche Geschichte Zuses ist in dieser Zeitschrift verschiedentlich (Juni 1990, S. 32, Januar 1997, S. 78, und Mai 1997, S. 54) erzählt worden: Der gelernte Bauingenieur konstruierte in den dreißiger Jahren im Wohnzimmer seiner Eltern aus handgesägten Blechen, später aus Telephonrelais vom Schrott, die erste programmgesteuerte Rechenmaschine mit Gleitkommaarithmetik. Nach dem Kriege gründete und leitete er eine Firma für – inzwischen elektronische – Computer, die nach etlichen erfolgreichen Jahren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und schließlich 1964 verkauft wurde. Als nahezu Achtzigjähriger hat er das Kunststück vollbracht, seine erste Maschine, die Z1, die samt allen Unterlagen dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen war, aus dem Kopf nachzubauen.

Es ist schon nicht einfach zu verstehen, wie ein Computer in den elementarsten Einzelheiten funktioniert. Die Realisierung dieses Prinzips mit beweglichen Blechen und Stiften ist ein Kunststück für sich, und beides aus Zuses Schriften herauszulesen erfordert lange und geduldige Forscherarbeit. Raúl Rojas, Professor für Informatik in Halle und Berlin, hat das für die logische Struktur der mechanischen Z1 und der logisch nahezu äquivalenten Relaismaschine Z3 geleistet; seine Beschreibung bildet einen wesentlichen Teil des vorliegenden Buches. Einzelheiten der Mechanik gehen aus einer Patentschrift Zuses hervor, die Götz Widiger vom Deutschen Technikmuseum Berlin mit großer Sorgfalt aufbereitet hat. Georg-Alexander Thurm von der Universität Halle beschreibt eine von ihm programmierte Computersimulation der Z3.

Trotz aller Aufbereitung bleibt die Lektüre ein gutes Stück Arbeit. Sie kann einen Ehrfurcht lehren vor der Genialität Zuses.

Um so absurder erscheint der Streit um das Patent für die „programmgesteuerte Rechenmaschine“, den Hartmut Petzold vom Deutschen Museum in München im Detail nacherzählt. Die zugehörige Patentanmeldung Zuses mit dem Aktenzeichen Z391 ist, mit zahlreichen Kommentaren und Erläuterungen von Rojas und Thurm versehen, ebenfalls abgedruckt. Zuse hatte erstmals 1936 den Versuch unternommen, nicht nur Einzelheiten der Mechanik, sondern das gesamte Funktionsprinzip seiner Maschinen durch ein Patent schützen zu lassen. Dreißig Jahre samt Krieg und Neugründung des Reichspatentamts als Bundespatentamt vergingen, bis 1967 das Bundespatentgericht seinen Antrag in letzter Instanz ablehnte. Selbst der Anwalt der Gegenseite hatte die „überragende Leistung“ Zuses, „als erster eine Programmrechenmaschine in der Praxis verwirklicht zu haben“, voll anerkannt, aber allen Ernstes eingewandt, sämtliche Zutaten zum Bau einer solchen seien zum Zeitpunkt der Patentanmeldung bereits bekannt gewesen, so daß ein Fachmann sie ohne besondere „erfinderische Kraft“ zur kompletten Maschine hätte zusammenfügen können. Dieser Argumentation sind die Patentrichter schließlich gefolgt. Da kratzt sich der Leser, der bereits zum Nachvollziehen dieser angeblich so wenig kreativen Zusammenfügung erhebliche Denkkraft aufbringen mußte, ratlos am Kopf.

Petzold unterstellt den Patentjuristen an keiner Stelle Ignoranz oder Böswilligkeit; ihm bleibt nur der resignierende Schluß, daß ihre Argumentation „außerhalb des juristischen Kontexts kaum nachvollzogen werden kann“. Zuse sei wohl schlecht oder gar nicht beraten worden.

Da das Berliner Technikmuseum unter Geldmangel leidet, geht es der nachgebauten Z1 schon wieder schlecht. Man rührt besser nicht daran, sonst verbiegen sich noch mehr der empfindsamen Bleche, und die noch von Zuse selbst aufgeklebten Merkzettelchen blättern allmählich ab. Eile ist geboten; sonst drohen, den heroischen Anstrengungen der Autoren zum Trotz, die Einzelheiten einer überragenden Erfindung zum zweiten Mal in Vergessenheit zu geraten.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1999, Seite 113
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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