Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 3: Nachtfalter I; Band 4: Nachtfalter II
Eugen Ulmer, Stuttgart 1994.
520 und 536 Seiten, jeweils DM 79,-.
520 und 536 Seiten, jeweils DM 79,-.
Als bisher einziges Bundesland fördert BadenWürttemberg im Rahmen seines Artenschutzprogramms die systematische Dokumentation der innerhalb seiner Grenzen vorkommenden Tier und Pflanzenwelt. Die Resultate erscheinen in einer beispielgebenden Publikationsreihe.
Nach vier Bänden zu den höheren Blütenpflanzen sowie je zweien über die Wildbienen und die Tagfalter (besprochen in Spektrum der Wissenschaft, April 1990, Seite 132, und April 1994, Seite 118) liegen nun wieder zwei bestens ausgestattete und richtunggebende Bände vor. In ihnen werden insgesamt achtzehn Familien der im Volksmund eher als "Spinner" und "Schwärmer" bekannten, überwiegend dämmerungsaktiven Nachtfalter behandelt; zwei weitere Bände über die Nachtfalter sind in Vorbereitung. Von den aufgeführten 199 Arten sind sechs bereits ausgestorben oder verschwunden, 13 beruhen vermutlich auf Fehlmeldungen, und drei existieren nur als Fossilien. Beide Bände sind jedem entomologisch Interessierten wärmstens zu empfehlen.
Man könnte hier mit einem Hinweis auf die durchweg positiven Besprechungen früherer Bände schließen. Und doch scheint es geboten, aus der Fülle der Einzelbeiträge auf die von Günter Ebert und Axel Hofmann zur Familie der Zygaeniden (Widderchen) hinzuweisen, die fast den Charakter einer monographischen Bearbeitung haben und in der Tiefe der Darstellung ebenso wie in der Präsentation der Ergebnisse über den üblichen Rahmen der Serie hinausreichen.
Diese Faltergruppe verdient eine solche Behandlung schon deswegen, weil sie zunehmend bei ökologischen MonitoringProgrammen als Indikatorgruppe verwendet wird, aber auch weil ihr im baden-württembergischen Artenschutzprogramm besondere Aufmerksamkeit zugewandt wurde. Die Autoren, die am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsuhe arbeiten, präsentieren nicht nur die üblichen Daten zur Verbreitung und zur Ökologie der behandelten Arten, sondern auch wichtige historische Analysen, zum Beispiel über das HaarstrangWidderchen (Zygaena cynarae), das an seinem einzigen deutschen Standort bereits in den fünfziger Jahren ausgestorben ist, und neueste Daten zur Wiederentdeckung des bereits ausgestorben geglaubten ElegansWidderchens (Zygaena angelicae elegans), einer in der Schwäbischen Alb endemischen Subspecies. Der Beitrag von Ebert und Hofmann ist in der Fachliteratur als ein Meilenstein der Zygaenidenforschung anzusehen.
Dem, der die bereits erschienenen Bände der Serie vor sich hat, drängen sich Fragen auf: Weshalb werden nicht auch in anderen Bundesländern derart sorgfältig erarbeitete Dokumentationen und Zustandsanalysen der Landesfaunen und floren vorgelegt? Warum gibt man nicht – wie etwa in der Schweiz, in Italien und in anderen Nachbarländern – umfassende Dokumentationen der Fauna und Flora für das gesamte Bundesgebiet in Auftrag, zumal das ursprüngliche biologische Inventar der natürlichen Lebensräume immer mehr verschwindet?
Während es in unserer Gesellschaft als ehrenwert und voll gerechtfertigt gilt, Millionenbeträge für den Ankauf oder die Erhaltung von Kulturgütern, historischen Dokumenten oder Baudenkmälern auszugeben, ist die Bereitschaft, sich in gleicher Weise für eine Dokumentation und Erforschung unseres Naturerbes zu engagieren, auf einem Tiefpunkt. Das zeigt sich am deutlichsten in dem vielfach beklagenswerten, mitunter skandalösen Mangel an Unterstützung für die naturwissenschaftlichen Forschungsmuseen in der Bundesrepublik. Ihre Ankaufs und Personaletats sind weit heruntergefahren, ihre Ausstattung ist nur teilweise noch als zeitgemäß einzustufen. Und dabei sind gerade sie es, die aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Dokumentationen und ihrer Sammlungen auf diesem Gebiet Richtungweisendes vorlegen könnten.
Baden-Württemberg ist allen anderen Bundesländern nicht nur in der Förderbereitschaft, sondern vor allem auch im politischen und öffentlichen Bewußtsein für die Bedeutung seiner Naturressourcen voraus. Die Umweltpolitiker anderwärts in unserer Republik haben da einiges nachzuholen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1996, Seite 122
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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