Die Schutzfunktion des Bodens
Böden vermögen Stoffe, die durch natürliche oder anthropogene Prozesse eingetragen werden und mit dem Sickerwasser tiefer wandern, in gewissem Maße zu filtern, zu speichern, umzuwandeln und – im Falle organischer Substanzen – auch zu zersetzen. Durch alle diese Vorgänge schützen sie das Grundwasser vor Verunreinigung.
Feste Partikel werden im Boden mechanisch zurückgehalten. Diese Filterwirkung ist gering bei Sedimenten von grober Textur wie Sanden oder bei solchen mit hohem Skelettanteil wie Grus- und Steinböden, die aus Teilchen mit Durchmessern von mehr als zwei Millimetern bestehen. Lehm- und tonreiche Böden hingegen lassen kaum Feststoffe passieren; allerdings ist – vor allem bei Tonböden – auch der Wasserdurchsatz gering.
Ein weiterer wesentlicher Schutzmechanismus für das Grundwasser ist die Bindung von Schadstoffen. Mineral- und Humuspartikel können im Sickerwasser gelöste Substanzen elektrostatisch anziehen und an ihrer Oberfläche festhalten; da diese meist eine negative Ladung trägt, werden überwiegend positiv geladene Ionen (Kationen) adsorbiert, in sauren Böden lagern sich aber auch negative Ionen (Anionen) an. Außer dieser relativ unspezifischen elektrostatischen Anziehung können sehr feste, spezifische Bindungen gebildet werden, wenn reaktive chemische Gruppen an den Oberflächen der Bodenteilchen gegen solche der Schadstoffe ausgetauscht werden (Bild).
Zudem fallen manche Schadstoffe unter den im Boden herrschenden Bedingungen in Form schwerlöslicher Salze wie Hydroxide, Oxide oder Carbonate aus. Darin können auch Spurenstoffe mit eingebaut werden, die sich wegen zu geringer Konzentration nicht als reine Verbindungen ausscheiden. Ferner vermögen organische Bodenbestandteile Kationen zu komplexieren, das heißt, sie wie in einem Käfig einzuschließen und somit dem Sickerwasser zu entziehen.
Nicht geladene, unpolare Verbindungen können durch Van der Waalssche Wechselwirkungen gebunden werden; diese Kräfte sind zwar sehr schwach, aber nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, sondern praktisch an jeder Stelle eines Moleküls wirksam, so daß sie bei größeren Molekülen wegen ihrer Vielzahl durchaus wesentlich dazu beitragen können, insbesondere organische Schadstoffe zurückzuhalten.
Schließlich werden organische Substanzen durch Mikroorganismen zu Wasser, Kohlendioxid und mineralischen Bestandteilen wie Phosphat, Nitrat und Sulfat zersetzt oder in unschädlichere Verbindungen umgewandelt. Eine gute Versorgung des Bodens mit Wasser, Luft und Nährstoffen sowie ein ausreichend hoher Humusgehalt schaffen günstige Lebensbedingungen für Kleinstlebewesen und fördern somit den biologischen Abbau von Schadstoffen. Besonders intensiv ist er im engeren Einflußbereich von Wurzeln, weil dort aufgrund von Ausscheidungen der Pflanzen meist eine deutlich höhere mikrobielle Aktivität herrscht als im übrigen Boden.
Die Eigenschaften eines Bodens und damit seine Schutzfunktion für das Grundwasser können selbst auf engstem Raum erheblich variieren und sich durch natürliche Prozesse der Bodenbildung sowie durch menschliche Aktivität auch mit der Zeit ändern. Versauert der Boden etwa infolge entsprechender Niederschläge, werden zuvor zurückgehaltene Schwermetalle unter Umständen wieder freigesetzt.
Die Speicherkapazität für Schadstoffe ist also keineswegs konstant und ganz sicher auch nicht unbegrenzt. Effektiver Schutz des Grundwassers erfordert deshalb, die Schadstoffeinträge in Böden möglichst gering zu halten. Sie dürfen nie größer sein als die aus ökotoxikologischer Sicht tolerierbaren Mengen, die aus dem Boden in Grundwasser und Nahrungskette gelangen. Dabei ist zudem zu bedenken, daß bereits fixierte Schadstoffe um so eher wieder mobil werden, je mehr belastende Substanzen mit dem Sickerwasser hinzukommen. Lange bevor die maximale Speicherkapazität erreicht ist, können daher bereits die geltenden Grenzwerte für die Schadstoffbelastung des Trinkwassers überschritten werden.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1998, Seite 91
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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