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Die Suche nach Pillen für ein besseres Gedächtnis

Wird es bald Medikamente geben, die uns erinnern helfen, wohin wir unseren Autoschlüssel verlegt haben? In naher Zukunft nicht, doch Wissenschaftler arbeiten intensiv daran.


Kaum acht Monate nach Veröffentlichung seiner Erfolge bei der gentechnischen Erzeugung intelligenterer Mäuse schloss sich Joe Z. Tsien von der Universität Princeton, Autor des Hauptartikels, mit dem Investor Charles Hsu zusammen. Die neu gegründete Firma – Eureka Pharmaceuticals – will mittels Genomforschung körpereigene Moleküle identifizieren, die in "Hirnleistungsstörungen" involviert sind. Zu entwickelnde Wirkstoffe gegen Gedächtnisprobleme und Demenz könnten hier eventuell ansetzen. "Wir gehen davon aus, dass die Verfahren, die Tsien und seine Kollegen erarbeitet haben, schon bald als Ausgangsbasis zur Entwicklung von Therapeutika dienen können", sagt Hsu, Geschäftsführer von Eureka. Tsien, als wissenschaftlicher Berater im Hintergrund, will in Princeton bleiben.

Anvisiert wird unter anderem der NMDA-Rezeptor, durch dessen genetische Manipulation Tsiens Team die cleveren Doogie-Mäuse erzeugt hat. Dieses mehrteilige Protein stellt im Wesentlichen einen Ionenkanal dar, der auf zwei getrennte, aber gleichzeitige Signale hin Calcium in Nervenzellen einströmen lässt. Somit bietet er eine Voraussetzung dafür, dass sich die kommunikative Verbindung zwischen zwei simultan aktiven Nervenzellen festigen kann. Solche Verstärkungen bilden vermutlich die Grundlage für Lern- und Gedächtnisprozesse.

Schon seit gut zehn Jahren testen Pharmafirmen diverse Substanzen, die am NMDA-Rezeptor angreifen. Allerdings wollen sie damit nicht die Intelligenz steigern, sondern Sekundärschäden nach einem Hirnschlag begrenzen. Anders als bei den Doogie-Mäusen muss dazu die Aktivität des NMDA-Rezeptors gedrosselt werden. Denn wenn in einem Hirnbereich Sauerstoffmangel herrscht, wie nach einem Arterienverschluss bei einem Schlaganfall, können die Nervenzellen dort Unmengen der erregenden Botensubstanz Glutamat freisetzen. Der Überschuss wirkt toxisch: Glutamat heftet sich an die NMDA-Rezeptoren benachbarter Nervenzellen und lässt eine wahre Flut von Calcium-Ionen einströmen, was mehr Zellen zum Absterben bringt als der bloße Sauerstoffmangel.

Bislang jedoch hat die Suche nach NMDA-Rezeptorblockern, die sich als Medikamente zur Behandlung frischer Schlaganfälle eignen, "zutiefst ernüchtert", so der Neurowissenschaftler Robert C. Malenka von der kalifornischen Stanford-Universität. Das Problem liege darin, eine Substanz zu finden, die sich genau an der richtigen Stelle und in exakt der gewünschten Weise an den NMDA-Rezeptor heftet, ohne dass sie anderweitige neurologische Effekte hervorruft. Man denke nur an die Droge Phencyclidin, auch als PCP oder "Engelsstaub" bekannt; sie blockiert den Ionenkanal, ruft aber Halluzinationen hervor.

Der mangelnde Erfolg mit NMDA-Rezeptorblockern sowie das Risiko, dass an den Rezeptor andockende Substanzen toxisch sein können, hat den Enthusiasmus in Fachkreisen auch für die umgekehrte Strategie gedämpft. "Niemand denkt meines Wissens ernsthaft daran, zur Stärkung des Gedächtnisses die Aktivität des NMDA-Rezeptors zu steigern", sagt Malenka, "dennoch ist nicht auszuschließen, dass eines Tages ein findiger Kopf mit einem Wundermittel daherkommt, das den Rezeptor genau in die gewünschte Richtung kitzelt."

Die wohl Erfolg versprechendere Strategie – die auch Tsien verfolgen will – ist eine subtilere Beeinflussung des NMDA-Rezeptors. Die zu entwickelnden Wirkstoffe sollen Effekte des Rezeptors modulieren, ohne sich direkt an ihn zu binden, so Ira B. Black von der Universität für Medizin und Zahnheilkunde von New Jersey. Sie untersucht einen körpereigenen Stoff mit dem Namenskürzel BDNF (für brain-derived neurotrophic factor, zu Deutsch "vom Gehirn stammender nervenzellfördernder Faktor"). Er fördert das Anheften von Phosphatgruppen an bestimmte Teile des NMDA-Rezeptors, der dann gewöhnlich aktiver wird.

Gleichwohl bleiben immense Schwierigkeiten. Ein Mittel, das ohne Nebenwirkungen uns das Pauken von Prüfungsstoffen und das Wiederfinden des Schlüsselbundes erleichtert, wird wohl noch länger auf sich warten lassen, darüber jedenfalls sind sich die meisten Neurowissenschaftler einig.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 41
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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