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Die Superplume-Episode in der mittleren Kreidezeit

Vor rund 120 Millionen Jahren brach weltweit eine Phase extremen Vulkanismus an, in deren Folge der Meeresspiegel um 250 Meter und die globalen Mitteltemperaturen um 10 Grad anstiegen. Ausgelöst wurde sie von Strömen überhitzten Gesteinsmaterials, das von der Basis des Erdmantels empordrang.

Am 13. Dezember 1989 wurde ich um ein Uhr nachts in meiner Koje an Bord des Forschungsbohrschiffes "JOIDES Resolution" von fröhlichem Lärmen in der Nachbarkabine geweckt. Da ich ohnehin um vier Uhr die Wache abzulösen hatte, wankte ich nach nebenan, um mich der spontanen Feier anzuschließen.

Anlaß war, daß die Paläontologen auf unserer Expedition im Fördermaterial der Bohrung, die wir am Grunde des Stillen Ozeans etwa 5000 Meter unter uns niederbrachten, Mikrofossilien aus dem Jura geborgen und dies meinem Co-Fahrtleiter Yves Lancelot (er ist jetzt an der Universität Marseille tätig) gerade mitgeteilt hatten. Damit waren erstmals direkte Spuren der weltweit ältesten Sedimente und vulkanischen Gesteine in der Tiefsee gefunden worden. Zwei Tage später stieß der Bohrmeißel auf ungefähr 165 Millionen Jahre altes vulkanisches Grundgebirge – ozeanische Kruste aus dem mittleren Jura. Ein zwanzigjähriges Rätsel war endlich gelöst.

In den folgenden Tagen ließ ich die lange Vorgeschichte dieser Entdeckung noch einmal Revue passieren. In den siebziger Jahren hatten meine Kollegen Clement G. Chase von der Universität von Arizona in Tucson, Walter C. Pitman III vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia-Universität in Palisades (New York), Thomas W.C. Hilde von der Texas-A&M-Universität in College Station und ich auf der Basis geophysikalischer Daten postuliert, daß es im westlichen Pazifik ein Gebiet so groß wie die USA gebe, das 145 bis 200 Millionen Jahre alt sein müsse und demgemäß aus dem Jura stamme. Doch wann immer wir in dieser Meeresregion mit der Dredsche oder durch Bohrungen Bodenproben gewannen, fanden wir Basalte, die bei Vulkanausbrüchen in der mittleren Kreidezeit enstanden und somit nur 80 bis 120 Millionen Jahre alt waren.

Die ersten marinen Basaltproben hatte eine frühe Expedition der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla (Kalifornien) schon 1950 von submarinen Erhebungen im mittleren Pazifik geborgen. Aber seither waren zu der Frage, warum offenbar überall dort, wo der Meeresboden besonders alt sein sollte, mittelkretazische Basalte anstehen und ob sich darunter möglicherweise doch die eigentlich zu erwartenden jurassischen Gesteine befinden, kaum klärende Hinweise entdeckt worden.

Doch nun deutete sich eine Antwort an. Offenbar waren die älteren Sedimente und ozeanischen Krustenteile in der Mitte der Kreidezeit, die vor etwa 135 Jahrmillionen begann und vor rund 65 Jahrmillionen endete, durch gewaltige vulkanische Eruptionen begraben worden. Unsere geophysikalischen Spekulationen der frühen siebziger Jahre konnten erstmals durch Fakten erhärtet werden: Es gab Jura-Gestein im westlichen Pazifik; Proben davon lagen wohlverwahrt an Bord unseres Schiffes.

Als Geophysiker versuche ich jedoch immer, die Erde und die darin vorgehenden Prozesse quantitativ zu beschreiben. Deshalb wollte ich unbedingt das Ausmaß der großflächigen Lavaergüsse im westlichen Pazifik bestimmen und erhoffte mir, dadurch etwas über den Ursprung dieses gigantischen Vulkanismus zu erfahren.


Beschleunigte Bildung ozeanischer Kruste

Doch dies war leichter gesagt als getan. Was sollte ich messen und wie? Ich wußte nicht einmal, was "normal" ist; wie konnte ich dann die "anomale" Vulkanismus-Episode beschreiben? Offensichtlich mußte ich meine Untersuchungen über den regionalen und zeitlichen Rahmen des mittelkretazischen westlichen Pazifik hinaus ausdehnen.

Aus diesem Grunde entschloss ich mich, in allen Ozeanbecken über deren gesamte Entwicklungsgeschichte hinweg die Geschwindigkeit zu ermitteln, mit der sich jeweils ozeanische Kruste gebildet hat. Die Anomalie in der mittleren Kreidezeit, was immer sie auch war, sollte sich dann deutlich vor diesem Hintergrund abzeichnen.

In jener fernen Vergangenheit schuf ein weitverbreiteter submariner Vulkanismus ungewöhnlich viel neue ozeanische Kruste oder begrub große Teile der alten innerhalb kurzer Zeit unter Lavamassen. Normalerweise entsteht neue Lithosphäre – sie umfaßt außer der Kruste die feste oberste Mantelschicht – unter den Meeren wesentlich langsamer und stetiger. Dabei steigt an den mittelozeanischen Rücken aus dem Erdmantel kontinuierlich neues Magma auf, kühlt ab und erstarrt. Währenddessen bewegt sich die ältere ozeanische Kruste zu den Flanken des Rückens hin und senkt sich beim weiteren Erkalten immer mehr ab. Jeder einzelne Materialschub teilt sich also, und die beiden Massen driften wie auf zwei Fließbändern in entgegengesetzter Richtung seitwärts von den mittelozeanischen Rücken weg – ein Vorgang, welcher als Sea-Floor-Spreading (Spreizung des Meeresbodens) bezeichnet wird. Dafür tauchen (sofern sich nicht wie beim Atlantik das Ozeanbecken entsprechend verbreitert) jeweils die ältesten Bereiche des Meeresbodens an Subduktionszonen an den Rändern der angrenzenden Kontinente wieder in den Erdmantel ab.

Teile der von den absinkenden neuen Krustenabschnitten gebildeten Tiefsee-Ebenen sind von regelmäßig angeordneten Hügeln und Bruchzonen senkrecht zu den mittelozeanischen Rücken durchzogen. Der Westpazifik bietet allerdings ein völlig anderes Bild. Sein Boden gleicht eher einem schlammigen, zerfurchten Feldweg im März (Bild 2). Er ist übersät mit offenbar wahllos angeordneten Ketten aus ozeanischen Plateaus und Bergen, die höher aufragen als die Tiefseehügel. Sie zeigen keinerlei systematische Altersverteilung, sondern stammen – soweit ihr Alter bekannt ist – fast alle aus der mittleren Kreidezeit.

Indem ich Flächen- und Altersdaten von Ozeanböden aus der Fachliteratur zusammenstellte und jeweils die Mächtigkeit der Kruste schätzte, konnte ich die wechselnden Produktionsraten ozeanischer Kruste für die letzten 150 Millionen Jahre berechnen. Damit erfaßte ich nahezu den gesamten Zeitraum seit dem Ursprung der ältesten heute noch erhaltenen Meeresböden.

Tatsächlich zeigt das so erstellte globale Histogramm, daß die Krustenproduktion vor 125 bis 120 Millionen Jahren plötzlich stark anstieg (Bild 3): Sie verdoppelte sich in dieser geologisch relativ kurzen Spanne. Über die folgenden 70 bis 80 Millionen Jahre nahm sie dann wieder mehr oder weniger linear ab und erreichte vor 40 bis 30 Millionen Jahren etwa die Ausgangswerte. Was war das auslösende Moment dieses Schubs?

Ich dachte, näheren Aufschluß darüber vielleicht in der Entwicklung von submarinen Hochebenen und Gebirgsketten zu finden. Ihre Produktionsrate nahm zur gleichen Zeit unvermittelt zu und ging dann ebenfalls wieder allmählich auf den Normalwert zurück. Wie sich zeigte, ist ihr relativer Anstieg sogar noch wesentlich größer: Die Zahl der Plateaus und Seamounts (Tiefseeberge) stieg auf das Fünffache. Was immer die Vulkanismus-Episode auslöste, hatte also den größten Effekt auf die Bildungsrate von marinen Plateaus und Gebirgsketten.

Wodurch entstehen solche Strukturen am Meeresboden? Andere Forscher sind unabhängig voneinander zu der Feststellung gelangt, daß sie von sogenannten Plumes erzeugt werden: Strömen aus besonders heißem Magma, die an der Grenzschicht zum Erdkern entspringen, in Form einer schmalen Säule durch den zähplastisch verformbaren Erdmantel aufsteigen und sich unter der Lithosphäre pilzartig verbreitern, ehe sie zur Oberfläche durchbrechen (vergleiche "Große Eruptivprovinzen" von Millard F. Coffin und Olav Eldholm, Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1993, Seite 58). Insbesondere die marinen Plateaus bilden sich demnach durch die anfangs gewaltigen, schlagartigen Eruptionen der aufsteigenden Plumes.

Vereinzelt haben sich solche Ausbrüche auch auf den Kontinenten ereignet, wo man ihre Folgen direkt untersuchen kann. Regionen wie die Paraná-Basalte in Brasilien, die Dekkan-Trapps im Westen Indiens und der Sibirische Trapp im Norden Rußlands bestehen aus riesigen, mehr als zwei Kilometer mächtigen Basaltschichten, die sich über Hunderte von Kilometern erstrecken (siehe "Vulkanismus an Rifts" von Robert S. White und Dan P. McKenzie, Spektrum der Wissenschaft, September 1989, Seite 110). Die ozeanischen Basaltplateaus ähneln denen auf den Kontinenten, sind aber noch ausgedehnter; so enthält das größte (das Ontong-Java-Plateau im westlichen Pazifik) vermutlich 25mal so viel erstarrte Lava wie der umfangreichste kontinentale Deckenbasalt (die Dekkan-Trapps).

Seamount-Ketten, die von den ozeanischen Plateaus ausgehen, zeugen von fortgesetzten Ausbrüchen im Anschluß an die anfängliche Haupteruptionsphase. Dabei zeichnen sie die Bewegung der tektonischen Platte nach, die langsam über den weitgehend ortsfesten Plume hinweggleitet. Die Seamounts sollten demnach mit zunehmender Entfernung von dem Plateau immer jünger sein und schließlich in einem aktiven Vulkan enden – vorausgesetzt, der Verbindungsschacht zum tiefen Mantel ist noch offen.

Die bekannteste Seamount-Kette ist die von Hawaii. Sie erstreckt sich auch jenseits der Inseln untermeerisch noch weit nach Nordwesten und knickt jenseits des 180. Längengrades nach Norden ab. Der Magmakanal befindet sich heute unter Hawaii selbst (auch Big Island genannt), wo die Vulkane Mauna Loa und Kilauea noch immer tätig sind. Tatsächlich werden die Inseln und Seamounts, die sich wie Perlen an einer Schnur im Pazifik aneinanderreihen, zunächst nach Nordwesten und dann nach Norden sukzessive älter und bezeugen so, daß die Pazifische Platte über einen ortsfesten Plume zieht.

Als mir klar geworden war, daß die gewaltigsten Zeugen vulkanischer Aktivität in den Ozeanen während der letzten Periode des Erdmittelalters von durchbrechenden Plumes herrühren, war es nur ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis, daß die weltweiten Anomalien in jener Zeit durch einen generell wesentlich verstärkten Aufstrom von Material aus dem tiefen Mantel verursacht worden sein mußten. Gemäß der Vorliebe unserer Gesellschaft für Superlative nannte ich diese erdgeschichtliche Phase die "Superplume-Episode". Mit ihrem ersten Puls setzte schlagartig eine extrem heftige Vulkantätigkeit ein; sie hielt die ganze mittlere Kreidezeit (einige zehn Millionen Jahre) hindurch an und klang dann langsam ab.


Überhitzte Plumes

Die Superplume-Episode wurde wahrscheinlich durch den Aufstieg von einem oder vielleicht sogar mehreren gewaltigen Plumes ausgelöst (Bild 1). Der Pazifik war am stärksten betroffen, aber es gibt auch Spuren anomaler Aktivität im Indischen Ozean, im Atlantik und in der Karibik. Im Pazifik überfluteten die Laven wohl ein mehrere tausend Kilometer weites Gebiet; die betroffene Region ist mithin zehnmal so groß wie die Areale, die heute von Plumes geprägt werden.

Ich vermute, daß überhitzte Plumes von der Basis des Erdmantels aufsteigen und auch die gelegentliche Umpolung des Erdmagnetfeldes beeinflussen, das im darunter gelegenen äußeren Erdkern entsteht. Für diese Annahme spricht ein interessanter Zusammenhang: Je schneller sich nämlich neue Kruste bildet, desto seltener kehrt sich gewöhnlich das Erdmagnetfeld um (Bild 3). So wies es in Phasen intensiver Plume-Aktivität – wie während der mittleren Kreidezeit – fast durchgehend in die gleiche Richtung. Heute dagegen ist die Plume-Aktivität gering, und magnetische Umpolungen finden mit Rekordgeschwindigkeit statt (mehr als einmal pro Jahrmillion).

Wie es zu dieser Feldumkehr kommt, ist allerdings immer noch nicht völlig klar. Doch sehen Peter Olson von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (Maryland) und ich in der Korrelation mit der Krustenbildung einen vielsagenden Hinweis. Sie ließe sich durch den folgenden Mechanismus erklären.

Das Erdmagnetfeld entsteht mit ziemlicher Sicherheit dadurch, daß das schmelzflüssige Eisen, aus dem der äußere Kern besteht, wie brodelndes Wasser in einem Kochtopf durch Konvektion heftig umgewälzt wird. Da Eisen ein ausgezeichneter elektrischer Leiter ist, ruft seine konvektive Bewegung elektrische Ströme hervor, die nach dem (umgekehrten) Dynamoprinzip ein Magnetfeld erzeugen.

Nun heizt der geschmolzene äußere Kern auch den Mantel darüber auf. Dieser ist mit seinen festen Silicat-Gesteinen allerdings ein schlechter Wärmeleiter, so daß sich die aufgenommene thermische Energie in den untersten 100 bis 200 Kilometern staut. Irgendwann gewinnt das dadurch überhitzte Mantelmaterial wegen seiner geringeren Dichte schließlich genügend Auftrieb, daß es die Viskosität des darüberliegenden kälteren und dichteren Gesteins überwindet. Dann schieben sich riesige Finger aus heißer Schmelze durch nahezu 3000 Kilometer Erdmantel empor und lösen an der Erdoberfläche schließlich katastrophale Vulkanausbrüche aus.

Da das aufsteigende Material Wärmeenergie aus dem untersten Mantel abführt, erhöht sich andererseits das Temperaturgefälle im äußeren Kern, so daß sich die Konvektionsströmungen darin verstärken und er noch heftiger brodelt. Dies aber dürfte einer Umkehr des Erdmagnetfeldes entgegenwirken.


Globale Auswirkungen

Zum bisher letzten Mal ereignete sich dieser Vorgang während der Superplume-Episode vor 125 bis 120 Millionen Jahren. Ein Großteil des Materials, das damals an die Oberfläche kam, hat dem Boden des westlichen Pazifik das erwähnte Aussehen eines aufgeweichten Feldwegs verliehen. Ein solches Ereignis, bei dem sich in kurzer Zeit die Bildungsgeschwindigkeit ozeanischer Kruste im globalen Maßstab verdoppelt, muß jedoch auch weiterreichende geologische Konsequenzen haben. Tatsächlich war die mittlere Kreide infolge des Superplumes von verschiedenen tiefgreifenden Anomalien geprägt.

Die erste und wohl am wenigsten umstrittene ist ein weltweiter Anstieg des Meeresspiegels auf etwa 250 Meter über dem heutigen Niveau. Setzt man voraus, daß die Wassermenge in den Ozeanen konstant ist, spiegelt dies einfach eine entsprechende Hebung des Meeresbodens wider. Neugebildete Krustenteile und die zugehörigen tieferen Lithosphärenschichten sind noch relativ warm, also entsprechend leicht und voluminös; wenn sie abkühlen, ziehen sie sich zusammen und sinken tiefer in den zähplastischen Mantel ein. Dies erklärt auch, warum die mittelozeanischen Rücken, an denen neue Kruste gebildet wird, über den umliegenden Meeresboden emporragen.

Wenn nun wie zu Beginn der mittleren Kreidezeit viel neue Kruste entsteht, liegt der Meeresboden insgesamt auf höherem Niveau, und die Wasseroberfläche muß dementsprechend ansteigen. Infolgedessen waren damals zahlreiche niedrig gelegene Landstriche überflutet. Als das Meer sich dann weltweit wieder zurückzog, hinterließ es Carbonat- und Kreideablagerungen wie die berühmten weißen Klippen von Dover in England oder die Kreidefelsen auf Rügen.

Als Folge der Superplume-Episode wurde es auf der Erde auch erheblich wärmer. Mit der austretenden Lava entwichen Gase, zu denen insbesondere Kohlendioxid gehörte. Seine Anreicherung in der Atmosphäre verstärkte den natürlichen Treibhauseffekt, so daß die globale Mitteltemperatur um ungefähr zehn Celsiusgrade zunahm. Indem wir die Auswirkungen der erhöhten Kohlendioxidwerte zu jener Zeit untersuchen, können wir auch Hinweise auf die künftige Entwicklung des Erdklimas gewinnen; denn derzeit läßt der exzessive Verbrauch fossiler Brennstoffe und die großräumige Entwaldung den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre gleichfalls emporschnellen.

Zudem wurde in der mittleren Kreidezeit überdurchschnittlich viel organischer und anorganischer Kohlenstoff (in Form von Kohlenwasserstoffen und Carbonaten) abgelagert. Dies hängt seinerseits mit dem hohen Meeresspiegel sowie dem warmen Klima zusammen. In den oberen, lichtdurchfluteten Schichten der Ozeane leben winzige Pflanzen und Tiere; dieses Phyto- und Zooplankton gedieh bei den ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen besonders gut.

Wenn die Organismen nach dem Absterben absinken, zersetzen sie sich normalerweise unter dem Einfluß des im Wasser gelösten Sauerstoffs sowie des mit der Tiefe schnell zunehmenden Drucks, bevor sie den Meeresboden erreicht haben. In der mittleren Kreidezeit lebte ein Großteil des Planktons jedoch in den nur bis zu einige hundert Meter tiefen Flachmeeren über den überfluteten Kontinentalregionen, so daß sich die toten Organismen unzersetzt auf dem Grund ansammeln konnten. Aus ihren Kalkskeletten entstanden Kreidekliffs wie die von Dover, während sich ihre organischen Überreste – sofern sie später unter anderen Ablagerungen begraben und in tiefere Erdschichten verfrachtet wurden – schließlich in Kohlenwasserstoffe verwandelten. Diese machen bis zu 50 Prozent der heutigen globalen Erdölvorräte aus. Ironischerweise ist diese Folge des verstärkten mittelkretazischen Treibhauseffekts also der Treibstoff für die sich abzeichnende Verstärkung des Treibhauseffekts in der Gegenwart.

Zu den geologischen Besonderheiten, die mit der Superplume-Aktivität der mittleren Kreidezeit zusammenhängen, gehört ferner die Bildung eines Großteils der Diamantlagerstätten. Diamanten bestehen aus reinem Kohlenstoff in der dichtestmöglichen Kugelpackung, welche erst bei Drücken stabil ist, wie sie in mindestens 200 bis 300 Kilometern unter der Erdoberfläche herrschen. Die meisten dieser Edelsteine sind vor mehr als einer Milliarde Jahren gebildet worden und damit selbst nach geologischen Maßstäben uralt. Doch gelangten nach Untersuchungen von Stephen E. Haggerty von der Universität von Massachusetts in Amherst viele erst in der mittleren Kreidezeit an die Erdoberfläche: Sie wurden durch vulkanische Strukturen gefördert, die nach der Bergbauregion bei Kimberley in Südafrika Kimberlit-Pipes genannt werden und tief in die Erdkruste, ja vermutlich sogar bis in den oberen Mantel reichen. Wahrscheinlich rissen aufsteigende Plumes die Diamanten mit und transportierten sie so von ih-rem Entstehungsort im Erdmantel an die Oberfläche.

Schließlich sind die meisten Gebirgsketten an den Westküsten Nord- und Südamerikas ein Ergebnis der letzten Superplume-Episode. Die Sierra Nevada und die Anden entstanden durch verstärkte Subduktion pazifischer Kruste unter Nord- und Südamerika. Subduktion ist ein plattentektonischer Vorgang, bei dem ozeanische Lithosphäre unter einen Kontinentalrand geschoben und im Erdmantel wieder aufgeschmolzen wird. Erinnern wir uns, daß die ausbrechenden Plumes das Sea-Floor Spreading im Pazifik enorm beschleunigten. Weil eine gesteigerte Krustenbildung – sofern der Erdradius gleich bleibt – auch eine erhöhte Subduktionsrate bedingt, schoben sich in der mittleren Kreidezeit ungewöhnlich große Mengen ozeanischer Kruste tief unter die Ränder Nord- und Südamerikas.

Während diese Kruste mit ihrer Deckschicht aus marinen Sedimenten in mehrere Hundert Kilometer Tiefe abtauchte, begannen sich bei steigenden Drücken und Temperaturen die Minerale mit den niedrigsten Schmelzpunkten zu verflüssigen. Reibungswärme ließ auch einen Teil der kontinentalen Kruste erweichen. Die resultierende halbflüssige Gesteinsmischung stieg wegen ihrer geringeren Dichte wieder bis in die Nähe der Erdoberfläche auf und erstarrte dort zu den Granitkernen jener Gebirgskette, die sich wie ein Rückgrat an der Westküste Amerikas entlangzieht.


Wann kommt der nächste Superplume?

Die Erdgeschichte ist zum großen Teil durch Vorgänge geprägt, deren Ursprung beinahe 3000 Kilometer unter unseren Füßen liegt. Erst jetzt fangen wir Geowissenschaftler an, auch Hinweisen auf frühere Superplume-Episoden nachzugehen, und es gibt eine lebhafte Diskussion darüber, wann sie stattfanden. Bisher läßt sich allerdings nur sagen, daß unser Planet sich seit der letzten Superplume-Phase wieder weitgehend beruhigt hat.

So verlief die Bildung von Ozeanplateaus und Seamount-Ketten in den letzten 40 Millionen Jahren sehr viel langsamer. Der Meeresspiegel ist fast auf ein Rekordtief gesunken, und wir befinden uns in einer kurzen warmen Zwischenphase innerhalb einer generellen Eiszeit. Aus erdgeschichtlicher Warte könnte man das heutige Klima deshalb eher mit dem Wort "Kühlhaus" umschreiben als mit "Treibhaus". Wie für Zeiten geringer Plume-Aktivität erwartet, polt sich das Erdmagnetfeld derzeit öfter um denn je, und an der Basis des Erdmantels herrscht ein außergewöhnlich steiler Temperaturgradient: Nach heutigen Schätzungen nimmt die Temperatur über die untersten 100 bis 200 Kilometer um 1000 bis 1500 Celsiusgrade zu. All dies deutet darauf hin, daß die Konvektion im äußeren Kern relativ schwach ist.

Es zeigt aber auch, daß die Erde an der Wende zum nächsten Superplume-Ereignis steht. Zwar können wir nicht genau vorhersagen, in wie vielen Jahrmillionen es soweit sein wird. Insofern befinden wir uns als Wissenschaftler in einer ähnlichen Situation wie ein Landwirt, der an den aufblühenden Weidenkätzchen den nahenden Frühling erkennt. Wir können nur feststellen, daß eine weitere Episode extrem heftigen Vulkanismus nach geologischen Zeitmaßstäben kurz bevorsteht.

Literaturhinweise

- The Mid-Cretaceous Super Plume, Carbon Dioxide, and Global Warming. Von K. Caldeira and M. L. Rampino in: Geophysical Research Letters, Band 18, Heft 6, Seiten 987 bis 990; Juni 1991.

– A Superplume in the Mantle. Von K. G. Cox in: Nature, Band 352, Heft 6336, Seiten 564 bis 565; 15. August 1991.

– Superplumes and Superchrons. Von Mike Fuller und Robin Weeks in: Nature, Band 356, Heft 6364, Seiten 16 bis 17; 5. März 1992.

– The Mesozoic Pacific: Geology, Tectonics, and Volcanism. Herausgegeben von Malcolm S. Pringle, William W. Sager, William V. Sliter and Seth Stein. American Geophysical Union, 1993.

– Superkimberlites: A Geodynamic Diamond Window to the Earth's Core. Von Stephen E. Haggerty in: Earth and Planetary Science Letters, Band 122, Heft 1/2, Seiten 57 bis 69; März 1994.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1995, Seite 48
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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