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Interview: "Die Technologien müssen sich noch am Markt bewähren"

Während andere Unternehmen Know-how von außen zukaufen, setzt die Advalytix AG in Brunnthal bei München auf einen Expertenmix im eigenen Hause. Das sei die beste Strategie, meint der Physiker und ehemalige Spiegel-Redakteur Dr. Jürgen Scriba (38), heute Vorstand für Entwicklung und Produktion.


Spektrum: Advalytix beschäftigt Physiker, Maschinenbauer, Biotechnologen und andere Experten. Sie verfügen als Mittelständler sogar über einen eigenen Reinraum. Warum dieser Aufwand?

Dr. Jürgen Scriba: Mikrosystemtechnik erfordert einfach extrem kurze Wege und viel Know-how im eigenen Hause.

Spektrum: Angesichts des allgemeinen Trends in der Industrie, die Fertigungstiefe zu verringern, ist das erstaunlich.

Scriba: Wenn Herr Daimler bei der Konstruktion des ersten Autos schon versucht hätte, die Fertigungstiefe zu verringern, würden wir alle zu Fuß laufen. Das kann man erst machen, wenn ein Industriezweig etabliert ist.

Spektrum: Demnach steht die Mikrosystemtechnik noch am Anfang?

Scriba: In den vergangenen Jahrzehnten entstand ein Kanon hervorragender Technologien, vom Silizium-Ätzen bis zur Liga-Technik. Aber die müssen sich erst noch am Markt bewähren, und das können sie nur in Form von Produkten. Und da steht die Branche wirklich noch am Anfang.

Spektrum: An der Hochschule haben Sie und Ihre Kollegen ein Verfahren entwickelt, durch Oberflächenwellen Flüssigkeitströpfchen auf Biochips zu bewegen. Wie versuchen Sie daraus ein Produkt zu machen?

Scriba: Wir demonstrieren zunächst mit einem Prototypen, dass unsere Idee auch industriell umsetzbar ist. Erst dann suchen wir einen Kooperationspartner, der aus dem Prototypen ein anwenderfreundliches Produkt macht.

Spektrum: Aber den Prototyp machen Sie vollständig im eigenen Hause?

Scriba: Ja, denn nur so geht es. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Unser Chip ist in einen Kunststoffträger eingeklebt. Welcher Kunststoff und welcher Kleber sich dafür am besten eignen, wollten wir zunächst von einer Auftragsfirma herausfinden lassen. Doch dann mussten wir feststellen, dass es Monate dauern würde, die Anforderungen zu definieren. Können zum Beispiel biologische Pufferlösungen den Kleber angreifen? Solche Fragen lassen sich nur in ständigem Austausch der Biologen und Chemiker klären, und nicht in wöchentlichen Treffen mit einer Dienstleisterfirma.

Spektrum: Und in diesem Rahmen benötigen Sie den Reinraum?

Scriba: Richtig, da wir auch den Fertigungsprozess optimieren. Der ist übrigens so konzipiert, dass er sowohl im kleineren Maßstab unseres Reinraums als auch in großen Fabriken funktioniert. Und beim Gesamtsystem bauen wir auf Standards. Nun dürfen Sie aber nicht denken, dass wir gar nicht kooperieren. Wir arbeiten zum Beispiel mit anderen in einem BMBF-geförderten Projekt. Aber auch da muss man erst einmal eine gemeinsame Technologie-Plattform schaffen, um die auftretenden Probleme überhaupt qualifiziert besprechen zu können.

Spektrum: Wären da nicht ausgebildete Mikrosystemtechniker von Nutzen, für die es ja seit einigen Jahren Studiengänge gibt? Sie haben bislang keinen in Ihrem Team. Warum nicht?

Scriba: Dieses Berufsbild ist leider nicht klar definiert. Wir bräuchten ganz andere Mikrosystemtechniker als beispielsweise eine Firma, die optische Mikrospiegel herstellt. Klassisch ausgebildete Biologen, Chemiker, Physiker oder Elektrotechniker mit der Bereitschaft zum fachübergreifenden Austausch eignen sich da viel besser. Aus diesem Grund haben wir einen Elektroniker, der sich auch auf die Feinmechanik versteht, und einen Chemiker, der ein Top-Mann für Biochips ist. Diese Durchlässigkeit ist unsere Stärke.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2002, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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