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Doppelstrategie gegen resistente Bakterien

Die Berberitze, ein dorniger (Zier-)Strauch, weist einen vielversprechenden Weg zur Bekämpfung von Mikroben, die gegen mehrere Antibiotika zugleich resistent sind.


Bakterien haben gegen die Vielzahl von Abwehrstoffen, die Pflanzen und Pharmazeuten gegen sie ins Feld führen, eine im Grunde recht einfache Verteidigungsstrategie entwickelt. Für die so genannte "Multi-Drug-Resistance" (MDR) produzieren sie Exportproteine, die eine ganze Palette von Giftstoffen erkennen und sie schlichtweg aus dem Bakterium herausschaffen. In Berberitzen fanden sich nun jedoch wiederum Substanzen, die diesen Rauswurf verhindern können. Dadurch behalten die giftigen Alkaloide der dornigen (Zier-)Sträucher ihre antibakterielle Wirkung. Solche Zwei-Komponenten-Systeme bieten einen neuen, aussichtsreichen Ansatz gegen die zunehmende Mehrfachresistenz bei Antibiotika, die diese wichtige Waffe gegen Mikroben in den Händen der Ärzte allmählich stumpf werden lässt.

Die nordamerikanischen Indianer verwenden verschiedene Arten der Berberitze als Heilmittel gegen Infektionen. Paradoxerweise wirkt das reine Alkaloid Berberin aber nur ganz schwach antibiotisch, während der gesamte Pflanzenextrakt das Wachstum der meisten Bakterien sehr stark hemmt. Wissenschaftler von der Colorado State University in Fort Collins und der Tufts University in Medford (Massachusetts) konnten jetzt ein weiteres Alkaloid isolieren, das die Wirkung des Berberins potenziert (Proceedings of the National Academy of Sciences USA, Bd. 97, S. 1433). Es trägt die Bezeichnung 5'-Methoxyhydnocarpin (5'-MHC) und blockiert die molekularen Pumpen der "Multi-Drug-Resistance", die das Berberin aus den Bakterienzellen heraustransportieren – zum Beispiel bei dem weit verbreiteten menschlichen Eitererreger Staphylococcus aureus.

Nun ist das 5'-MHC den Pharmakologen schon länger bekannt. Es wurde zuvor bereits aus dem Chaulmoogra-Öl isoliert, das aus den Samen des indischen Hydnocarpus-Baumesgewonnen wird. Dieses Öl diente in der traditionellen Medizin Chinas und Indiens als Hauptmittel zur Behandlung der Lepra, bevor Antibiotika zum Einsatz kamen. Möglicherweise enthält es noch ein anderes Alkaloid, das analog zum Berberin den eigentlichen Wirkstoff gegen die Bakterien darstellt. Da die Pharmazeuten bisher nur selten nach zwei verschiedenen, erst gemeinsam hochwirksamen Stoffen gesucht haben, sind ihnen möglicherweise viele nützliche Substanzen entgangen.

Mehrkomponenten-Cocktails nach dem Vorbild Berberitze könnten Modelle für die Entwicklung einer neuen Generation von Medikamenten gegen solche Bakterien abgeben, die gegen so gut wie alle Antibiotika unempfindlich geworden sind. Dazu gehören nicht zuletzt Stämme des berüchtigten Staphylococcus aureus, der in Krankenhäusern viele schwer beherrschbare Sekundärinfektionen bei geschwächten Patienten verursacht.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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