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Dreidimensionale Analyse der Luft auf Schadstoffe mittels LIDAR

Ein kompaktes mobiles Lasersystem erlaubt, im Umkreis von einigen Kilometern die räumliche Verteilung von Gasen und Aerosolen zu ermitteln. Es ist damit für die ambulante Umweltüberwachung ebenso geeignet wie für die Aufnahme von Basisdaten für Smog-Vorhersagen.

Das Problem des Sommersmogs ist in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Während längerer Hitzeperioden bilden sich unter dem Einfluß der Ultraviolettstrahlung im Sonnenlicht aus Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen in den unteren Atmosphärenschichten hohe Konzentrationen des Reizgases Ozon. Obwohl die Ursachen des Phänomens weitgehend klar sind, werfen Entstehung und Dynamik von Smog-Situationen doch noch vielfältige Fragen auf, die weiter untersucht werden müssen.

Dafür können Daten über die dreidimensionale Verteilung der Schadstoffe eine wichtige Basis abgeben. Während konventionelle Punktmessungen mit physikochemischen Methoden nur über die Verteilung von Spurengasen in Bodennähe Auskunft geben (außer man erhebt die Daten mit großem Aufwand per Flugzeug), lassen sich mit optischen Fernmeßverfahren beispielsweise auch Vertikalprofile ermitteln.


Das Meßprinzip

Von den verschiedenen optischen Techniken zur Fernerkundung der Atmosphäre liefern LIDAR-Verfahren die reichhaltigsten Informationen, von denen viele mit anderen Techniken gar nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind. Der Name des Verfahrens leitet sich von englisch light detection and ranging (Erkennen und Sondieren mit Licht) ab. Man sendet einen kurzen Laserpuls in die Atmosphäre, wo die Moleküle der Luft sowie kleine Schwebteilchen (sogenannte Aerosole) die elektromagnetische Strahlung streuen. Mit einem Teleskop und einem empfindlichen Detektor sammelt und analysiert man schließlich den kleinen Teil des Streulichtes, der zurück in das Meßsystem fällt. Die räumliche Information steckt in der Laufzeit des Laserpulses und damit im zeitlichen Verlauf des Rückstreusignals.

Will man das räumliche Konzentrationsprofil eines Luftschadstoffs vermessen, bietet sich das sogenannte DIAL-Verfahren (nach englisch differential absorption lidar; Bild 1) an. Es beruht darauf, daß der zu untersuchende Schadstoff selektiv elektromagnetische Strahlung ganz bestimmter Wellenlängen absorbiert. Deshalb sendet man im Wechsel Laserpulse zweier Wellenlängen aus, die so gewählt sind, daß das Licht der ei-nen Frequenz von dem Schadstoff verschluckt wird, das der anderen dagegen nicht. Liegen die Wellenlängen dicht beieinander, ist das Streuverhalten der Pul-se praktisch gleich. Ein Intensitätsunterschied der Rückstreusignale beruht dann allein auf Absorptionsdifferenzen; und daraus läßt sich die Konzentration des Schadstoffs berechnen.

LIDAR liefert demnach Meßdaten, die über eine gewisse Strecke integriert sind. Der Nutzer kann die Länge des Integrationsweges wählen; allerdings ist sie mit der Nachweisgrenze verknüpft. Bei hohen Konzentrationen – beispielsweise in Schadstoffwolken aus Schornsteinen – kann man mit kurzen Integrationsstrecken von wenigen Metern arbeiten. Sehr empfindliche Messungen erfordern dagegen Laufwege von einigen 100 Metern Länge. Die maximale räumliche Auflösung wird von der Laserpulsdauer und der zeitlichen Auflösung der Detektionselektronik bestimmt.

Welcher Spektralbereich zu verwenden ist hängt von den zu messenden Schadstoffen ab. Smogrelevante Massenschadstoffe wie Ozon, Stickoxide und Schwefeldioxid, aber auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol oder Toluol haben starke Absorptionsbanden im nahen Ultraviolett bei Wellenlängen von 200 bis 400 Nanometern (millionstel Millimetern). Mögliche Querempfindlichkeiten zu anderen Schadstoffen lassen sich leicht eliminieren. Zudem kann in diesem Bereich die Augensicherheit nach DIN 0837 gewährleistet werden.

Technische Realisierung

Das Kernstück eines LIDAR-Systems ist der Laser. Die Schwierigkeit bestand bisher darin, daß nur wenige geeignete abstimmbare Quellen kohärenten Lichts für den ultravioletten Spektralbereich zur Verfügung standen. Mit der Entwicklung neuer Festkörperlaser in den letzten Jahren wurden jedoch Systeme möglich, die sich mühelos warten und einfach bedienen lassen.

Bei der Firma Elight Laser Systems in Berlin schufen wir speziell zum Einsatz in LIDAR-Systemen einen blitzlampengepumpten Titansaphir-Laser, der über den breiten Bereich von 700 bis 950 Nanometern durchstimmbar ist. Durch Frequenzverdopplung und -verdreifachung beim Passieren optisch nichtlinearer Materialien kann man seine Strahlung in den Ultraviolettbereich verschieben.

Auf der Basis dieses Lasers entwickelten wir ein mobiles DIAL-System namens LIDAR 510M, das so kompakt ist, daß es in einem Kleinbus untergebracht werden kann (Bild 2). Um die zwei Wellenlängen alternierend zu erzeugen, verwenden wir einen von uns patentierten Doppelresonator, durch den sich ein äußerst platzsparender und einfach justierbarer Aufbau der Laseroptik ergibt. Der Laserstrahl wird aufgeweitet und über ein Periskop in die Atmosphäre gesandt. Dies erlaubt die Ausrichtung in beliebige Raumwinkel und damit eine dreidimensionale Erfassung der Schadstoffprofile.

Ein Teleskop mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern bündelt das zurückgestreute Licht auf einen Photomultiplier, der als Detektor fungiert; sein Signal wird von einem Personal Computer verarbeitet. Die Daten lassen sich on-line auswerten und graphisch darstellen. Da das System computergesteuert ist, kann man schnell zwischen verschiedenen Schadstoffen umschalten.

Mit LIDAR 510M lassen sich die oben genannten Gase sowie Aerosole im Umkreis von mehreren Kilometern nachweisen. Die Reichweite hängt dabei allerdings von atmosphärischen Bedingungen wie der Sichtweite ab. Die Nachweisgrenze liegt bei wenigen tausendstel Milligramm pro Kubikmeter Luft und die maximale räumliche Auflösung bei 7,50 Metern.


Ergebnisse

Die mehrdimensionale Erfassung ermöglicht neue Einsichten in das Ausbreitungsverhalten der gemessenen Schadstoffe, was beispielsweise für die Smog-Vorhersage von Bedeutung ist. Ein Beispiel bietet eine Ozonmessung, die während einer Meßkampagne in Athen im September 1994 mit dem LIDAR 510M durchgeführt wurde. Es handelte sich um einen vertikalen Scan; das heißt der Laserstrahl wurde aus der Horizontalen in die Senkrechte geschwenkt. Während das Reizgas am Boden nur in geringen Konzentrationen vorlag, fanden wir in etwa 1000 Metern Höhe eine Speicherschicht mit hohen Ozongehalten.

Turbulenzen können derartige Schichten auflösen und die Schadstoffe in Bodennähe verfrachten. Solche Effekte sind bei Smog-Vorhersagen zu berücksichtigen. Ohne LIDAR-Messungen ließen sich Schadstoffwolken in größerer Höhe nur vom Flugzeug aus orten, was wesentlich aufwendiger wäre.

Eine weiteres Einsatzgebiet von DI-AL-Systemen ist die Fernüberwachung von Emittenten. Ein wesentlicher Vorteil der LIDAR-Meßtechnik gegenüber konventionellen Verfahren liegt hier darin, daß das Betriebsgelände nicht betreten werden muß. Als Beispiel zeigt Bild 3 einen mit dem LIDAR 510M aufgenommenen vertikalen Scan über einer petrochemischen Fabrik in Cubatao (Brasilien). Man sieht deutlich den Schnitt durch zwei Toluol-Abgasfahnen aus den Fabrikschornsteinen. In Bodennähe ist das Ausdampfen aus Speichertanks zu erkennen.

Diese Ergebnisse vermitteln einen guten Eindruck von der Leistungsfähigkeit der LIDAR-Technik. Durch ihre hohe Zuverlässigkeit und zunehmend einfachere Bedienung wird sie in der Umweltüberwachung künftig einen wichtigen Platz einnehmen. Dabei können die dreidimensionalen Daten nicht nur für den exakten Nachweis von Verschmutzungen dienen, sondern auch wichtige Eingangsgrößen für Computersimulationen und Smog-Vorhersagen abgeben.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1996, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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