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Eckfelder Maar - fossile Schätze aus der Westeifel

Vor 45 Millionen Jahren, als in Mitteleuropa ein subtropisches Klima herrschte, wurden in einem wassergefüllten vulkanischen Aussprengtrichter in der Eifel Pflanzenreste und Tierkadaver unter Tonablagerungen begraben. So entstand eine reichhaltige Fossillagerstätte, in der kürzlich unter anderem einige der ältesten bekannten Überreste von Primaten nördlich der Alpen entdeckt wurden.

Bislang mußte man Eckfeld bei Manderscheid nicht kennen. Seit kurzem steht der Name des Eifeldorfes jedoch für einen bedeutenden Fossilfundplatz, der den Vergleich mit dem Geiseltal bei Halle oder der Grube Messel bei Darmstadt nicht zu scheuen braucht. In einer etwa 400 mal 500 Meter großen Senke steht hier fossilführendes Gestein aus einem Zeithorizont an, der im übrigen Europa nur an sehr wenigen Fundorten zugänglich ist.

Die Entdeckung dieser Lagerstätte hat eine beinahe kuriose Vorgeschichte: Im Jahre 1839 fiel dem Eckfelder Schulmeister Nikolaus Pauly am dorfnahen Pellenbach ein krümeliges Stück schwarzbraunen Gesteins auf, das er für Braunkohle hielt. Wenige Jahre später ließ er das vermeintliche Flöz deshalb als Heizmaterial für eine nahegelegene Eisengießerei abbauen.

Den wahren Sachverhalt klärte erst 1980 eine Forschungsbohrung Trierer Geologen auf. Demnach handelt es sich bei den schwarzbraunen Ablagerungen um eine mehr als 30 Meter mächtige Serie sehr fein geschichteter Tonsteine (Laminite). Deren Ursprung wiederum machten Lockermaterialien vulkanischer Herkunft deutlich, auf die der Bohrmeißel weiter unten stieß.

Dieses Schichtpaket aus Aschen und Lapilli verriet, daß sich rund 50 Meter unter der heutigen Oberfläche ein erloschener Vulkan befindet, den an dieser Stelle niemand vermutet hatte. Wie die weitere Forschung ergab, ist die Talweitung des Pellenbachs ein bislang unbekanntes Maar – ausgesprengt beim Zusammentreffen von heißem Magma mit versickerndem Oberflächenwasser (siehe Spektrum der Wissenschaft, Februar 1982, Seite 26).

Ein Teil der ausgeschleuderten Gesteinstrümmer vermischte sich mit erstarrender Gesteinsschmelze und fiel in den freigesprengten Kessel zurück. Außerdem stürzte im Maarboden die Erdkruste ein, und die frischen Kraterränder brachen nach innen herunter. So entstand jenes bunte Gemenge aus vulkanischem Auswurfgut und explosiv zertrümmertem Gestein des ehemaligen Deckgebirges, das die Basis des Eckfelder Bohrkerns bildet.

Im abflußlosen Aussprengtrichter sammelten sich dann Niederschläge und Grundwasser zu einem Maarsee. Der Regen schwemmte zugleich verwittertes Feinmaterial aus der Umgebung ein und füllte das Becken periodisch auf; deshalb sind die erbohrten Tonpakete oberhalb der vulkanischen Ablagerungen deutlich gebändert – es handelt sich um Warven, wie man solche jahreszeitlich geschichteten Feinsedimente nennt.

Nun sind Maare in der Eifel an sich nichts Besonderes. Allerdings erbrachte die radiometrische Datierung der vulkanischen Lockermassen ein höchst ungewöhnliches Alter: Danach entstand das Eckfelder Maar bereits vor etwa 45 Millionen Jahren – also im Tertiär oder, genauer gesagt, im Eozän – und ist damit sehr viel älter als die übrigen Eifelmaare, die erst vor wenigen zehntausend bis maximal einer Million Jahren ausgesprengt wurden.

Entsprechend interessant sind die in den Ablagerungen eingeschlossenen Fossilien. Seit 1987 hat ein Team vom Naturhistorischen Museum Mainz (Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz) unter der Leitung von Franz-Otto Neuffer und Herbert Lutz dort in mehreren Grabungskampagnen nicht nur Schalenreste mikroskopisch kleiner Kieselalgen (Diatomeen) sowie etwa 170 verschiedene Typen von Pollen und Sporen gefunden, sondern auch über 25000 größere Fossilien.

Die Bergung dieser Stücke ist allerdings recht aufwendig. Die bislang aufgeschlossenen Fundschichten bestehen aus zerstückelten Teilen größerer Plat-ten. Fossilien, die auf den freigelegten Schichtflächen zum Vorschein kommen, müssen sofort mit einem Spezialverfahren konserviert werden, weil das Gestein an der trockenen Luft in kurzer Zeit zerbröselt – und sein fossiler Inhalt mit ihm.

Doch der Aufwand lohnt. Zu den bemerkenswerten Fundstücken zählen zum Beispiel Blätter, die sich an vorzüglich erhaltenen Feinheiten wie Nervatur oder Oberflächenzellmuster zweifelsfrei bestimmen lassen. Unter anderem konnten so Ulmen-, Walnuß- und Rosengewächse nachgewiesen werden – aber auch Palmen, Lorbeer- und Teegewächse, deren Nachfahren heute nur noch in wärmeren Gebieten vorkommen. Ebenso galt die Walnuß-Verwandte Paraengelhardia als ausschließlich nordamerikanisch verbreitete Pflanzengattung, bis 1990 in Eckfeld ei-ne eindeutig identifizierbare Frucht zutage kam.

Wesentlich aufregender als die Blattfossilien, die man in ähnlicher Form auch von anderen Fundstätten aus dem frühen Tertiär kennt, sind allerdings die fossilen Blüten, die anderweitig extrem selten vorkommen (Bild 1). An den mehreren hundert Exemplaren, die unterdessen aus Eckfeld vorliegen, kann man selbst so feine Details wie die Aufhängung der Pollensäcke oder die Anzahl und Stellung der Narbenlappen erkennen. Die vollständige Auswertung dieser Funde sollte auch neue Einsichten in die wechselseitige Evolution zwischen Blüten und ihren Bestäubern vermitteln.

Dies gilt um so mehr, als die Eckfelder Tonsteine zugleich eine Menge fossiler Insekten freigeben, die als frühtertiäre Blütenbestäuber in Frage kommen – darunter die 1992 entdeckte älteste Honigbiene der Welt. Außer Fliegen und Hautflüglern fanden sich aber auch zahlreiche Käfer wie etwa Chrysomeliden, deren Flügeldecken selbst nach rund 45 Millionen Jahren immer noch metallisch bunt schillern (Bild 2 links).

Anhand der Pflanzenfossilien und der Wirbellosenfauna stellt sich das Eckfelder Maar als waldumsäumter Warmwassersee dar, an dessen Ufer üppig wimmelndes Leben herrschte. Daß sein Boden und Wasserkörper nicht minder belebt waren bezeugen die gleichfalls entdeckten Reste von Schnecken, Muscheln, Krebsen und mehr als 700 Fischen (Bild 2 rechts). Unter letzteren befinden sich Raubfische wie Knochenhechte, Knochenzüngler und insbesondere der Barsch-Verwandte Pararhenanoperca eckfeldensis, der bisher nur von Eckfeld bekannt ist. Im Maar lebten im mittleren Eozän aber auch noch größere Räuber, nämlich drei verschiedene Arten von Krokodilen.

Ein weiterer Fund von herausragender Bedeutung ist ein Fledermausflügel. Ein versteinerter Bakterienrasen zeichnet die Flughaut und ihre zarte Behaarung detailliert nach.

Wie dieses Fossil zeigt, wurden auch landlebende Säugetiere in den Maarsee eingeschwemmt. Inzwischen liegen aus Eckefeld die Reste (Zähne sowie Kiefer und andere Knochen) von insgesamt 20 Säugetierarten vor – darunter solche des kleinsten bisher bekannten Paarhufers, der nur so groß wie ein Igel war.

Auch die vor allem aus Messel bekannten Urpferdchen sind vertreten. Der zunächst entdeckte mittlere Schädelteil gehört zu einer Art, die man erstmals in den Braunkohlen des Geiseltales gefunden hatte. Glanzstück einer der letzten Grabungskampagnen ist ein vollständiges, zusammenhängendes (artikuliertes) Skelett des Urpferdchens Propalaeotherium, bei dem auch Teile des Weichkörpers und Reste des Mageninhalts erhalten sind. Offensichtlich handelt es sich um eine ertrunkene trächtige Stute; denn im hinteren Bauchbereich liegt ein weiteres kleines Säugerskelett – der Überrest eines ungeborenen Fohlens.

An der gleichen Grabungsstelle kam auch ein fast komplett erhaltener Schädel (ohne Unterkiefer) zum Vorschein, der unverformt im einbettenden Gestein lag. An ihm läßt sich – unter anderem mit modernsten Untersuchungsverfahren wie Computertomographie und hochauflösender Röntgenanalyse – nun erstmals ein Urpferdkopf genau rekonstruieren.

Die Grabungskampagne 1995 erbrachte schließlich erstmals auch Funde von Primaten – zwei gut erhaltene Backenzähne und einen Unterkieferast mit fast vollständiger Backenzahnreihe (Bild 3). Die drei Objekte gehören zu zwei verschiedenen, lemurenähnlichen Halbaffenarten (Europolemur sp. und eine weitere Art, die möglicherweise eine bisher unbekannte Gattung repräsentiert). Sie zählen zu den ältesten Primatenfunden Mitteleuropas.

All diese Fossilien geben nicht nur Aufschluß über längst ausgestorbene Arten, sondern lassen auch einen besonderen Lebensraum aus der Erdgeschichte gleichsam wiederauferstehen. Eckfeld unterscheidet sich von allen anderen bisher bekannten Eozän-Fundstätten dadurch, daß es damals (wie heute) inmitten einer bewaldeten Mittelgebirgslandschaft lag und somit Einblicke in ein küstenfernes Ökosystem vor rund 45 Millionen Jahren bietet. Es ist ein wertvolles Steinchen in dem generell noch sehr lückenhaften Fundstättenmosaik einer Zeit, als das mitteleuropäische Klima subtropisch feuchtwarm war und die Blütenpflanzen ebenso wie die Säugetiere erst am Anfang ihrer Formenentfaltung standen.

Obwohl der Fundplatz Manderscheid-Eckfeld also zweifellos Weltrang hat und unter Paläontologen zunehmend Aufsehen erregt, blieb die finanzielle Ausstattung der Grabungsvorhaben bislang allerdings mager. In Anbetracht der spektakulären Funde ist die Zurückhaltung der rheinland-pfälzischen Kultusbehörden und anderer Institutionen, die Forschungsmittel zu vergeben haben, nur schwer nachvollziehbar.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1996, Seite 14
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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