Direkt zum Inhalt

Editorial: An der Grenze des Vorstellbaren

Andreas Müller

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Fan von Schwarzen Löchern beeindrucken mich natürlich auch die Neutronensterne. Dabei handelt es sich um kompakte Endzustände von massereichen Sternen, die nach einer Supernova-Explosion übrig bleiben. Rund ein bis zwei Sonnenmassen konzentrieren sich in einer Kugel von nur etwa 20 Kilometer Durchmesser. Schon lange ist klar, dass eine derart immense Massenkonzentration nicht mehr aus normaler Sternmaterie bestehen kann. Beim Zusammensturz wird sie neutronisiert und bei noch höheren Massedichten vielleicht zu etwas viel Exotischerem verändert, zu neuen Materieformen, die auf der Erde gar nicht natürlich vorkommen. Selbstverständlich wollen die Astrophysiker ganz genau wissen, was im Inneren von Neutronensternen steckt.

Nun eröffnet sich mit direkt messbaren Gravitationswellen ein völlig neuer Zugang zu kompakten Sternüberresten. Die Wissenschaftler beobachteten am 17. August 2017 die Verschmelzung zweier Neutronensterne, die sich zuvor umkreisten. Neben Gravitationswellen konnten Astronomen auch elektromagnetische Wellen der Sternkollision messen – eine Kilonova. Auf S. 26 erfahren Sie, warum dieses Ereignis ein absoluter Glücksfall für das neue Gebiet der Multimessenger-Astronomie war. Der Name dieser recht neuen Disziplin bedeutet, dass viele »Boten« eines kosmischen Ereignisses – unter anderem die genannten Wellenformen – den Forschern verraten, was da genau in der Quelle vor sich geht.

Tim Dietrich und Ingo Tews erklären, wie sie die Beobachtungen zusammenführten, um ein tieferes Verständnis für Neutronensternmaterie zu gewinnen. Doch nicht nur das: Es gelang ihnen sogar, mit einer sehr cleveren Methode die Hubble-Konstante zu bestimmen. Die Multimessenger-Astronomie hat damit das Zeug dazu, einen Streit der Kosmologen darüber beizulegen, ob die aktuelle Expansionsgeschwindigkeit unseres Universums eher unterhalb oder oberhalb von 70 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec liegt. Diese Forschungsarbeit finde ich wirklich sehr bemerkenswert.

Husch ins Heft!
Ihr Andreas Müller

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Vielfältige Quanten

Wir tauchen ein in die Welt der Quanten, die uns noch immer zahlreiche Rätsel aufgibt. Forscher entwickeln ständig neue Modelle und hinterfragen Grundlegendes, wie beispielsweise das Konzept der Zeit. Gleichzeitig macht die Entwicklung neuer Quantencomputer große Fortschritte und könnte unsere Verschlüsselungssysteme bedrohen. Experten arbeiten an neuen Methoden, um unsere Daten zu schützen. Erfahren Sie, wie diese Herausforderungen gemeistert werden und ob Kryptografen den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen können.

Sterne und Weltraum – 25 Jahre VLT – Jubiläum des Riesenteleskops

Das Very Large Telescope, das seit dem Jahr 2000 beeindruckende Aufnahmen mit seinen vier kombinierbaren 8-Meter-Spiegeln liefert, ist der Auftakt unserer dreiteiligen Serie über Observatorien in der chilenischen Atacama. Lesen Sie unseren Insiderbericht über die Arbeit und Technik des ESO-Riesenteleskops. Wir blicken mit der Raumsonde Juno in die Vulkanschlünde des Jupitermonds Io und und zeigen, wie Wissenschaftler das Phänomen von Glitches – der kurzzeitigen Rotationsbeschleunigung von Neutronensternen – simulieren. Weiter testen wir, wie sich eine innovative neue Astrokamera mit integriertem Nachführsensor im Praxiseinsatz bewährt.

Sterne und Weltraum – Gravitationswellen – Wie ist der Status bei gemessenen Signalen?

Gravitationswellendetektoren messen seit April 2024 wieder Signale von Schwarzen Löchern – in unserer Titelgeschichte erfahren Sie mehr über die neuen Erkenntnisse zu diesen rätselhaften Objekten. Darüber hinaus zeigen wir Ihnen die Technik der JANUS-Kamera auf der europäischen Raumsonde JUICE, die im Juli 2031 Jupiter und seine Monde detailliert erkunden soll. Wir berichten über die erfolgreiche Probennahme von der Mondrückseite mit der chinesischen Sonde Chang’e 6 und zeigen neue Aufnahmen des Weltraumteleskopes Euclid.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.