Editorial: An der Grenze des Vorstellbaren
Liebe Leserin, lieber Leser,
als Fan von Schwarzen Löchern beeindrucken mich natürlich auch die Neutronensterne. Dabei handelt es sich um kompakte Endzustände von massereichen Sternen, die nach einer Supernova-Explosion übrig bleiben. Rund ein bis zwei Sonnenmassen konzentrieren sich in einer Kugel von nur etwa 20 Kilometer Durchmesser. Schon lange ist klar, dass eine derart immense Massenkonzentration nicht mehr aus normaler Sternmaterie bestehen kann. Beim Zusammensturz wird sie neutronisiert und bei noch höheren Massedichten vielleicht zu etwas viel Exotischerem verändert, zu neuen Materieformen, die auf der Erde gar nicht natürlich vorkommen. Selbstverständlich wollen die Astrophysiker ganz genau wissen, was im Inneren von Neutronensternen steckt.
Nun eröffnet sich mit direkt messbaren Gravitationswellen ein völlig neuer Zugang zu kompakten Sternüberresten. Die Wissenschaftler beobachteten am 17. August 2017 die Verschmelzung zweier Neutronensterne, die sich zuvor umkreisten. Neben Gravitationswellen konnten Astronomen auch elektromagnetische Wellen der Sternkollision messen – eine Kilonova. Auf S. 26 erfahren Sie, warum dieses Ereignis ein absoluter Glücksfall für das neue Gebiet der Multimessenger-Astronomie war. Der Name dieser recht neuen Disziplin bedeutet, dass viele »Boten« eines kosmischen Ereignisses – unter anderem die genannten Wellenformen – den Forschern verraten, was da genau in der Quelle vor sich geht.
Tim Dietrich und Ingo Tews erklären, wie sie die Beobachtungen zusammenführten, um ein tieferes Verständnis für Neutronensternmaterie zu gewinnen. Doch nicht nur das: Es gelang ihnen sogar, mit einer sehr cleveren Methode die Hubble-Konstante zu bestimmen. Die Multimessenger-Astronomie hat damit das Zeug dazu, einen Streit der Kosmologen darüber beizulegen, ob die aktuelle Expansionsgeschwindigkeit unseres Universums eher unterhalb oder oberhalb von 70 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec liegt. Diese Forschungsarbeit finde ich wirklich sehr bemerkenswert.
Husch ins Heft!
Ihr Andreas Müller
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