Editorial: Das Versprechen der Wiederkehr
Die Geschichte des Vogelzugs ist die Geschichte eines Versprechens. Es ist das Versprechen der Wiederkehr." Mit diesen Worten beginnt der Dokumentarfilm "Nomaden der Lüfte", der kürzlich in ganz Europa die Kinos füllte. Was er seinen begeisterten Zuschauern fast kommentarlos vorführte: Die Spezialisten des Langstreckenflugs stellen fast alles in den Schatten, was moderne Flugtechnik aufzubieten hat. Wer – wie etwa die Küstenseeschwalbe – jährlich 20000 Kilometer weit fliegt, um seinen Nistplatz aufzusuchen, muss keinen Vergleich scheuen. Und eine 20 Gramm schwere Rauchschwalbe, die für ihren 6000-Kilometer-Flug nach Afrika vorab angespeckte 20 Gramm Fett verbrennt, bietet ein Wunder an Effizienz. Der Film zeigt dies mit atemberaubend schönen Aufnahmen – direkt aus der Flugperspektive der Vögel.
Die Teams des Regisseurs Jacques Perrin segelten im Cockpit von Ultraleichtflugzeugen mit den Zugvögeln durch die Lüfte – an der Spitze typischer Keilformationen. Die Vögel ließen es sich trotz des Heckpropellers auch nicht nehmen, gelegentlich sogar auf dem Vorderteil des Fluggerätes Platz zu nehmen – mit dem Taxi nach Afrika.
Bevor dies aber nun zum Werbetrailer für einen Naturfilm wird, hier ein Blick hinter die schönen Bilder. Aristoteles glaubte noch, dass Schwalben im Winter wie die Frösche in den Sümpfen versinken. Erst als Forscher begannen, Zugvögel zu beringen, verdichteten sich die Erkenntnisse über die transkontinentalen Wanderwege. Dass man heute präzise über Flugrouten und Navigationskunst von immer mehr, auch seltenen und schwer beobachtbaren Vögeln Bescheid weiß, verdankt sich der Satellitenortung der letzten Jahre. Mit abnehmendem Gewicht der Sender gelingt es nun auch, immer kleinere Vögel mit dieser Technik zu verfolgen. "Endlich kann die Forscherneugier lange Strecken mit den Vögeln mitwandern", notieren die Max-Planck-Forscher Peter Berthold und Ulrich Querner (siehe Seite 52).
Nur bei kleinsten Vögeln, wie etwa dem zehn Gramm schweren Teichrohrsänger, versagt die Methode noch aus Gewichtsgründen. Da greifen die Forscher zu scheinbar atavistischen Tricks: Sie richten ein Fernrohr auf den Mond und notieren Standort und Zeiten sowie Richtung und Silhouettengröße der vor der Mondscheibe passierenden Vögel.
Dass nicht alle Vögel wieder zurückkehren, mehr noch, die Forscher oft gar einen dramatischen Schwund beobachteten, ist auch die Sorge der Ornithologen. Strommasten, Bejagung oder Pestizide an Rastplätzen oder im Winterquartier sind Ursachen für teils hohe Verluste. Über die Telemetrie haben Wissenschaftler wichtige Aufenthaltsgebiete entdeckt. Dort haben die Staaten Verhandlungen für gezielte Schutzmaßnahmen aufgenommen. Damit das Versprechen der Wiederkehr auch wirklich eine Chance hat.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2002, Seite 5
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben