Editorial: Die dunkle Seite der Pilze
Während ich diese Zeilen schreibe, ist vom vermeintlichen Wonnemonat Mai wenig zu spüren. Das Wetter erinnert eher an den Herbst. Allerdings fehlt ein für mich wichtiger Bestandteil dieser Jahreszeit: die im Wald sprießenden Speisepilze wie Steinpilz oder Pfifferling. Sie bereichern unseren Essensplan ab August oder September, etwa als Teil von Soßen oder Nudelgerichten.
Da ich kein Pilzexperte bin, vermeide ich jedoch Experimente. In den Korb kommen nur sehr wenige Arten, die ich wirklich kenne. Alle anderen lasse ich gerne stehen und erfreue mich allenfalls an Form (wie bei der Stinkmorchel) oder Farbe (etwa bei den Fliegenpilzen). Überhaupt bilden Speisepilze nur einen sehr kleinen Teil der Vielfalt in diesem dritten Reich der eukaryotischen Lebewesen.
Unüberschaubar groß ist beispielsweise die Abteilung der Schlauchpilze, zu der unter anderem viele Hefe- und Schimmelpilze gehören, welche Mensch, Tier oder Pflanze schaden können. Der dunklen Seite der Pilze widmen wir eine dreiteilige Serie, die mit dieser Ausgabe beginnt. Pilze können gefährliche Infektionskrankheiten bei Menschen auslösen und sich dabei in Krankenhäusern ausbreiten. Andere werden durch uns und den Welthandel weltweit verschleppt und gefährden Tier- und Pflanzenarten in den betroffenen Gebieten, etwa Amphibien in Südamerika, Fledermäuse in Nordamerika oder Eschen in Europa. Und eine dritte Gruppe zerstört ganze Ernten und bedroht dadurch Millionen Menschen mit Hunger. Mit diesen Schädlingen beginnt auch unsere Serie. Thomas Miedaner von der Universität Hohenheim erklärt ab S. 38, wie die Pilze Pflanzen befallen und wie wir sie bekämpfen können, um Ernten zu sichern.
Ebenfalls in diesem Heft starten wir noch eine zweite Serie, die sich einem besonderen Kosmos widmet: unserem Bewusstsein. Seit Jahrhunderten versuchen wir es zu ergründen, und dennoch sind viele Fragen offengeblieben. Nun sollen künstliche neuronale Netze – der »Geist in der Maschine« bildet ab S. 12 den Auftakt der dreiteiligen Serie – und die Mathematik uns bei der Aufklärung unseres Geistes helfen. Und auch Experimente spielen weiterhin eine Rolle. Eines davon will zwei der prominentesten Modelle auf den Prüfstand stellen – und diese entweder bestätigen oder widerlegen.
Herzlich Ihr
Daniel Lingenhöhl
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