Editorial: Die Kunst der Stunde
Zusammenhalt, Solidarität, füreinander einstehen – von kaum etwas anderem war in den letzten Wochen und Monaten mehr die Rede. Nur gemeinsam, so die einhellige Meinung, können wir die Covid-19-Pandemie bewältigen. An die Hilfsbereitschaft und das Zurückstehen des Einzelnen zu Gunsten der Gemeinschaft zu appellieren, ist zwar häufig ein fast anrührend vergebliches Bemühen. Doch nicht so angesichts der Bedrohung durch Corona: Hier sah (fast) jeder rasch ein, dass er selbst ebenfalls am meisten davon hat, wenn er seine Nächsten schützt, Kontakte reduziert, Maske trägt et cetera. So wurde die Coronakrise, Gott sei Dank, zu einem beeindruckenden Beispiel dafür, wie es gelingt, das Gros der Menschen zum »Mitmachen« zu bewegen. Und das trotz gravierender, teils existenzbedrohender Einschränkungen.
In diesem Heft werfen wir einen Blick darauf, was uns diese »Kunst der Stunde« über den Moment hinaus lehrt. So erklärt der Sozialpsychologe Stefan Pfattheicher im Interview ab S. 18, man dürfe Eigennutz und prosoziales Handeln nicht getrennt oder gar in Opposition zueinander verstehen. Vielmehr gelte es, sowohl moralische Werte als auch den Herdentrieb und, ja, selbst egoistische Interessen anzusprechen. Ähnlich sieht es die Autorin des Titelthemas ab S. 12, die Psychologin Friederike Haiser. Für sie ist die Coronazeit geradezu ein Lehrstück darin, wie eine Gesellschaft lernen kann, ein Stück enger zusammenzurücken.
Vielleicht werden wir in einigen Monaten, wenn wir dank wieder steigender Temperaturen und der neuen Impfstoffe allmählich aus dem Schlimmsten herauskommen, noch klarer sehen, dass ethisches Handeln und Eigennutz nicht unbedingt Gegensätze darstellen.
In diesem Sinne ein gesundes neues Jahr!
Ihr Steve Ayan
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