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Editorial: Ein Blick hinter den Vorhang

Als vor 25 Jahren die Berliner Mauer fiel, ­begann für die meisten Menschen in Ostdeutschland endlich die ersehnte Freiheit. Für ­einige hingegen brach ein System, das sie ihr ­Leben lang für richtig gehalten hatten, plötzlich zusammen. Sind unsere Werte also relativ und veränderlich? Oder gibt es doch so etwas wie eine Ur-Moral? Worauf gründen unsere Urteile über Gut und Böse? Diese Fragen diskutiert GuG-­Redakteur Steve Ayan im zweiten Teil unserer Philosophie-Serie (ab S. 48).

Welches Unrecht die DDR-Bürger erleiden muss­ten, habe ich mir als Kind in der Bundes­republik der 1980er Jahre nicht vorstellen können – und kann es bis heute nicht. Wie fühlt es sich an, wenn man ständig fürchten muss, dass Verwandte oder Freunde Stasi-Spitzel sein könn­ten und verdächtige Ansichten "melden"? Die Nachwirkungen dieser Atmosphäre der Über­wachung quälen manche Menschen bis heute, berichtet der Psychiater Harald Freyberger vom Hanseklinikum in Stralsund, der zahlreiche Nach­kommen von Stasi-Mitarbeitern behandelt hat (im Interview ab S. 16).

Ob wir die Geschichte eines ganzen Landes nachvollziehen oder die persönliche Geschichte eines Menschen, der uns verletzt hat: Je mehr wir über die Hintergründe wissen, desto schwieriger wird es, die eigenen moralischen Grundsätze zum Maß aller Dinge zu erheben. Die Motive eines Täters zu verstehen, ist deshalb der erste Schritt, um eines Tages vielleicht verzeihen zu können. Was noch dabei hilft und warum ­Vergeben der Gesundheit förderlich ist, erläutert unsere Titelgeschichte ab S. 34. Hirnscans und Therapiestudien bestätigen, was die wohl wichtigste Zutat für Nachsicht ist: Empathie. Sie kann helfen, den eisernen Vorhang aus Bitterkeit und Groll zu lüften.

Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Ihre
Christiane Gelitz

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