Editorial: Feintuning
Wenn ich vor der Kühltheke im Supermarkt stehe, schaue ich mir immer auch die Auswahl an pflanzlichen Fleischersatzprodukten an. Ich betrachte mich nicht als Vegetarier, bin mir aber bewusst, dass der Fleischkonsum in der westlichen Welt reduziert werden muss – nicht nur aus gesundheitlicher oder ethischer Sicht, sondern ebenso aus Umweltschutzgründen. Und letztlich geht es mir um den Geschmack. Warum also nicht einem Sojawürstchen oder -burger eine Chance geben? Daher teste ich regelmäßig solche Produkte, die sich tatsächlich mehr und mehr dem Original annähern. Noch merkt man den Unterschied beim Blindverkosten, aber in den nächsten Jahren könnte dieser durch fortgesetztes Optimieren verschwindend klein werden. Bis es allerdings ein täuschend echtes Steakimitat gibt, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen.
Ein Käseersatz soll dagegen schon recht bald aus der Retorte kommen, wie unser Artikel ab S. 44 beschreibt: Milchproteine aus entsprechend modifizierten Mikroben können bereits im großen Maßstab in Bioreaktoren hergestellt und zu einem veganen Imitat weiterverarbeitet werden. Und sogar bestimmte pflanzliche Lebensmittel, deren Erzeugung oft wenig umweltfreundlich ist, stehen auf der Agenda. Beispiele sind der stark wasserverbrauchende Anbau von Avocado oder auch Kaffee, sofern er auf frisch gerodeten Flächen kultiviert wird. In Labors werden Zellkulturen aus den Originalfrüchten gewonnen, massenhaft vermehrt und so prozessiert, dass am Ende ein nutzbares Handelsprodukt entsteht, etwa Avocadopaste oder geröstetes Kaffeepulver. Hier ist ebenfalls ein ausführliches Feintuning der Herstellungsprozesse nötig, um den Unterschied zum Vorbild möglichst zu minimieren.
Das Resultat einer ganz anderen Art von Feintuning sehen Sie in der äußeren Erscheinung des vorliegenden Hefts. Seit unserem »Relaunch« im Herbst 2016, für den das Layout von Grund auf neu entwickelt wurde, sind nun sechs Jahre vergangen. Wie so oft stellt sich erst nach einer gewissen Zeit heraus, welche Veränderungen die Erwartungen auf Dauer erfüllen und welche nicht. Im Wesentlichen hat sich das Layout bewährt, aber in einigen Punkten kristallisierte sich doch Optimierungspotenzial heraus. Ich hoffe, die eher subtilen, aber unserer Ansicht nach wirkungsvollen Änderungen finden Ihre Zustimmung und erhöhen Ihre Freude beim Lesen der Texte; wir freuen uns über Rückmeldungen an redaktion@spektrum.de.
Damit nicht genug: Wir verabschieden uns von der Rubrik »Zeitreise«, die zukunftsweisende, aber auch eher randständige oder skurrile Entwicklungen aus der Welt der Forschung vor 100 und vor 50 Jahren dokumentierte. Für die langjährige gute Zusammenarbeit bedanken wir uns bei Peter Banik von der Forschungsbibliothek für Wissenschafts- und Technikgeschichte des Deutschen Museums, der uns die Ausschnitte aus alten Zeitschriften zur Verfügung gestellt hat.
Stattdessen präsentieren wir Ihnen nun jeden Monat wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse und Zusammenhänge in Form einer Infografik in unserer neuen Rubrik »Im Bild«. Auch zu dieser Veränderung sind wir auf Ihre Meinung gespannt.
Herzlich Ihr
Hartwig Hanser
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