Editorial: Gehirn und Güte
Meditieren gehört für viele zu den Dingen, die man unbedingt mal tun sollte – und dann doch bleiben lässt. Sei es, weil einem der spirituelle Überbau nicht so recht behagt. Oder weil sich das Ganze mühsamer gestaltet als gedacht. Denn Meditieren ist, gerade am Anfang, ein hartes Stück Arbeit, wie ich aus eigener Rechercheerfahrung weiß. Man setzt sich hin, kommt zur Ruhe und peng, schon ist man ein neuer Mensch, der konzentriert und gelassen durchs Leben geht – diese Idee ist unrealistisch.
Im Titelthema der Mai-Ausgabe schildert der renommierte Meditationsforscher Richard J. Davidson von der University of Wisconsin-Madison die Resultate seiner jahrelangen Studien (ab S. 40). Gemeinsam mit Antoine Lutz sowie dem buddhistischen Mönch und Molekularbiologen Matthieu Ricard skizziert er die Haupttechniken der geistigen Versenkung und deren Wirkung auf das Gehirn. Demnach ist unser Geist überaus flexibel darin, wie er die Aufmerksamkeit lenkt und Umweltreize bewertet.
Wer das am eigenen Leib erfahren will, braucht allerdings Geduld – und sinnvolle Anleitung. Um Ihnen einen praktischen Einblick zu geben, beschreibt GuG-Mitarbeiterin Judith Merkelt ab S. 47 die Hürden auf dem Weg zu Konzentration, Gelassenheit und Mitgefühl aus eigener Anschauung.
In der Rubrik "Hinter den Schlagzeilen" beleuchten wir diesmal jene psychologischen Faktoren, die immer mehr junge Deutsche in den Dschihad treiben (S. 16). Die meditative Praxis des gütigen Mitgefühls könnte auch hier einen Ausweg weisen. Doch stattdessen träumen viele Konvertiten davon, an etwas vermeintlich Grandiosem teilzuhaben, was sie in der liberalen westlichen Gesellschaft vermissen, erklärt der Anthropologe Scott Atran ab S. 20.
Eine erhellende Lektüre wünscht
Ihr
Steve Ayan
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