Editorial: Unterschätzte Pilze
Regelmäßige Leserinnen und Leser von »Spektrum.de« dürften wissen, dass Regenwälder mein liebstes Ökosystem sind: Die Vielzahl an Arten und Interaktionen, der intensive Wettbewerb und der ewige Kampf um Leben und Überleben faszinieren mich seit meiner Kindheit. Schließlich bringen Regenwälder die erstaunlichsten Tiere und Pflanzen hervor. Und auch Pilze gedeihen hier natürlich prächtig.
Besonders beeindruckend finde ich bei den tropischen Pilzen jedoch nicht die großen Schirmträger, die vergleichbar mit unseren Steinpilzen, Saftlingen oder Rotkappen wären, sondern die Kernkeulen: parasitäre Pilze, die Ameisen befallen, von innen her langsam aufzehren und ihre Wirte vor deren Ende noch fernsteuern, damit diese vom Waldboden bis in bestimmte Höhen aufsteigen, wo sie dann sterben – und neue Pilzsporen freisetzen.
Pilze wie diese lieferten die Inspiration für die Fernsehserie »The Last of Us«, in der Menschen durch Pilzbefall zu Zombies werden und unsere Zivilisation untergeht. Noch gibt es keinen Pilz aus der realen Welt, der so etwas bewirken könnte. Dennoch stellen diese Lebewesen für uns eine unterschätzte Gefahr dar, wie unsere beiden Experten Oliver Kurzai und Martin Väth in dem spannenden Interview ab S. 42 erläutern. In den USA beispielsweise breitet sich Candida auris stark aus: ein Hefepilz, der alle möglichen Organe befallen kann und von dem noch niemand weiß, woher er stammt. Zu allem Übel ist die Liste potenzieller Gegenmittel recht kurz. Wir sollten unser Augenmerk zukünftig wohl doch auch stärker auf das Reich der Pilze als Quelle pathogener Krankheitserreger richten.
Ebenfalls in Zukunft interessant werden dürfte die Einlagerung von Kohlendioxid im Untergrund, um das Klima zu schützen. Die Technik dazu wurde bereits in Deutschland erforscht und probeweise eingesetzt, doch durchsetzen ließ sie sich unter anderem wegen politischer und gesellschaftlicher Widerstände nicht. Da die Risiken und Folgen des Klimawandels aber immer offensichtlicher werden, könnte diese Maßnahme allerdings schneller kommen als gedacht. Ab S. 54 erfahren Sie den Stand der Dinge – und welche Probleme und Chancen hier auf uns zukommen.
Eine spannende Lektüre wünscht
Daniel Lingenhöhl
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