Editorial: Wie wir Versuchungen widerstehen
Nachmittags im Büro: Die Konzentration schwindet, der Magen knurrt. Und jetzt – ein Apfel!? Das fällt besonders schwer, wenn in der Redaktionsküche Kuchen steht. Irgendwer feiert ja immer: Geburtstag, Doktortitel oder die Geburt eines Kindes … und niemand serviert zu diesen Anlässen Blattgemüse. Hat die Arbeit das Stirnhirn stark strapaziert, schwächelt die Selbstkontrolle und wir greifen eher nach etwas Süßem. Wie die Biologin Annette Horstmann vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig in unserer Titelgeschichte schildert, gilt das besonders für Menschen, die unter starkem Übergewicht leiden. Sie lassen sich stärker von schlechten Gewohnheiten und kurzfristigen Belohnungen verleiten.
Wie man den Autopiloten ausschaltet und das Essverhalten bewusst selbst steuert, erläutert die Journalistin Melanie Nees ab S. 12. Erstaunlicherweise können unsere Mitmenschen dabei eine entscheidende Rolle spielen; allein indem wir sie von guten Vorsätzen wissen lassen und sie uns nicht in Versuchung führen. Ersatzweise hilft sogar ein auf die Speisekarte gedrucktes Augenpaar. Selbst unter dieser rein symbolischen "Beobachtung" treffen wir überlegtere Entscheidungen und schlagen dann weniger über die Stränge.
Kraft der Gedanken das Verhalten ändern: Davon handeln auch zwei weitere Beiträge in dieser Ausgabe. Die Hirnforscherin Olga Maria Klimecki beschreibt ab S. 52, wie wir lernen können, anderen wohlwollend und fürsorglich zu begegnen – indem wir uns vorstellen, auch den nervigsten Mitmenschen ehrlich und von Herzen Glück und Zufriedenheit zu wünschen. Keine leichte Übung! Wie schwer es fällt, eingefahrene Gleise zu verlassen, zeigt auch der Streit um die Frauenquote, die ab 2016 für bestimmte Aufsichtsräte gilt. Zu diesem Anlass untersucht die Journalistin Liesa Klotzbücher ab S. 30, was Frauen psychologisch am Aufstieg in die Chefetagen hindert und wie sich diese Barrieren überwinden lassen.
Wenn es um gesunde Ernährung geht, haben Hindernisse allerdings auch ihr Gutes. Seit einem Monat hängt in der Redaktionsküche ein Artikel, der vor Antibiotika in Fleisch warnt und manchen schon vor dem Essen schlucken lässt. Wenn wir nun noch ein großes Augenpaar auf den Kühlschrank malen, klappt es demnächst vielleicht auch mit dem Apfel am Nachmittag.
Eine wohlüberlegte Lektüre wünscht Ihre
Christiane Gelitz
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