Editorial
Sollen wir jetzt nur noch Mineralwasser zu uns nehmen? Wer in diesen Monaten der BSE-Krise jedes Panikgeflatter in den Medien verfolgte und ernst nahm, dem vergällte sich die Lust auf alles und jedes: Rind, Kalb, Schwein (wegen Hormonmast, Maul- und Klauenseuche), Hirsch (in den USA) und Honig (wegen Streptomycin) – bald auch auf Milch oder Joghurt. Die verwirrten Zeitgenossen warten jetzt nur noch auf Hühnerwahnsinn, Fischseuche und Gemüsepest.
Unzureichend untersucht sind vor allem die Übertragungswege vom Rind bis zum Menschen, wo der BSE-Erreger die neuartige Creutzfeldt-Jacob-Krankheit auslöst. Jetzt rächt sich die irrige Annahme, dass sich BSE nicht auf den Menschen überträgt – nur weil sich an der verwandten Traberkrankheit der Schafe nie jemand angesteckt hat. "Man darf sich eben nie sicher sein", äußerte kürzlich der Max-Planck-Präsident Hubert Markl gegenüber der "Welt", "wenn man mit einer neuen Krankheit konfrontiert wird". Doch nun darüber zu klagen, dass zur Übertragung des Rinderwahnsinns fast zwanzig Jahre Forschung versäumt wurden (so lange ist die Krankheit bekannt), hilft niemandem. Hauptsache, jetzt geschieht wenigstens das Richtige.
Bisherige Tests haben große Schwachpunkte: Die krankhaft veränderten Eiweißmoleküle ("Prionen"), die BSE verursachen, können nur an geschlachteten Tieren und frühestens wenige Monate vor Ausbruch der Krankheit nachgewiesen werden. Wegen der mehrjährigen Inkubationszeit bieten heutige Schnelltests auch keine absolute Sicherheit: Negativ getestete Tiere könnten dennoch erkrankt sein, nur unterhalb der Nachweisgrenze. Ihr Gehirn enthält dann unter Umständen immer noch genug Prionen, um infektiös zu sein.
Es fehlt an Tests, die wesentlich empfindlicher sind und deshalb früher anschlagen, wenn möglich am lebenden Rind. Daran wird emsig gearbeitet. Auch Manfred Eigen berichtet in seinem Beitrag ab Seite 40 über entsprechende Bemühungen. Der Chemie-Nobelpreisträger von 1967 entwickelt derzeit einen BSE-Test, der verspricht, millionenfach empfindlicher zu sein als die bisherigen Verfahren. Das würde nicht nur eine frühere Entdeckung von BSE ermöglichen; es würde sich erstmals sogar mit absoluter Sicherheit feststellen lassen, ob bei einem bestimmten Tier eine Infektion vorliegt.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2001, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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