Ein exakter Quanten-Fernkopierer?
Wie beamt (sprich biemt; von englisch beam für Strahl) Kapitän Kirk ein Mitglied seiner Raumschiffbesatzung zu dem Planeten hinunter, den die Enterprise gerade umkreist? Ganz einfach: Ein im 23. Jahrhundert handelsübliches Teleportationsgerät an Bord sammelt alle Daten über den atomaren Aufbau des Besatzungsmitglieds – das dabei buchstäblich in seine Bestandteile aufgelöst wird – und sendet diese Information zur Planetenoberfläche, wo sie als Vorlage für eine exakte Kopie des Abgesandten dient.
Der prinzipielle Haken dabei ist freilich die Quantenphysik, deren Heisenbergsches Unbestimmtheitsprinzip exakte Kopien einzelner Quanten ausschließt. Somit hätte Kapitän Kirk den Verlust eines Sternenfahrers zu beklagen, denn auf dem Planeten käme nur dessen unvollkommenes – und das heißt jedenfalls totes – Double an.
Doch nun hat Charles H. Bennett vom Thomas-J.-Watson-Forschungszentrum der IBM in Yorktown Heights (U-Bundesstaat New York) ein theoretisches Schlupfloch entdeckt: Die Quantentheorie wird gewissermaßen mit ihren eigenen Paradoxien überlistet, so daß – wenigstens im Prinzip – doch exakte Quanten-Fernkopien möglich wären ("Physical Review Letters", Band 70, Seiten 1895 bis 1899, 29. März 1993).
Bennett macht sich das berühmte Einstein-Podolsky-Rosen-(EPR-)Paradoxon zunutze, mit dem Albert Einstein (1879 bis 1955) seinerzeit seinen Kontrahenten Niels Bohr (1885 bis 1962) vergeblich zu überzeugen suchte, daß die Quantentheorie in sich widersprüchlich sei. Das EPR-Paradoxon besagt, daß zwei zusammenhängende Quantenphänomene (etwa zwei gleich polarisierte, gleichzeitig aus derselben Lichtquelle emittierte Photonen oder zwei Teilchen mit entgegengesetzten Spins, die beim Zerfall eines Spin-Null-Teilchens entstanden sind) sogar über makroskopische, ja astronomische Distanzen in Zusammenhang bleiben können. Ermittelt man nämlich durch Messung an dem einen Teilchen dessen Polarisation beziehungsweise den Spin, so kollabiert die Wellenfunktion des Zwei-Teilchen-Ensembles, das heißt, durch die Messung wird augenblicklich auch der Spin des Millimeter oder Lichtjahre entfernten zweiten Teilchens eindeutig festgelegt.
Bennetts Teleportierer (vorläufig freilich ein Gedankenexperiment und nur für das Beamen einzelner Teilchen geeignet) sorgt nun zunächst einmal dafür, daß Sender und Empfänger mit je einem solchen EPR-Teilchen versehen sind. Läßt der Sender seines nun mit demjenigen Teilchen wechselwirken, das er beamen möchte, und mißt er den Zustand dieses Zwei-Teilchen-Ensembles, so definiert er damit zugleich den Zustand des EPR-Partners beim Empfänger. Wenn der Sender dann dem Empfänger mittels klassischer Nachrichtenübertragung mitteilt, was er gemessen hat, vermag letzterer dieses Resultat mit seinem EPR-Teilchen derart zu kombinieren, daß es sich in eine exakte Kopie des Teilchens verwandelt, das gebeamt werden soll.
Der Trick dabei ist, daß dieses Teilchen nie direkt und isoliert gemessen wird; darum entwischt es – nach der Devise "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" – dem Verdikt des Unbestimmtheitsprinzips .
Freilich ist das alles ein schwacher Trost für Science-fiction-Fans. Bis man nämlich ein astronomisch auseinandergezogenes EPR-Paar präpariert und jedes der rund 1028 Teilchen des menschlichen Körpers damit exakt vermessen hat, könnte nach einer Vermutung des britischen Wissensch,aftsmagazins "New Scientist" vom 3. April dieses Jahres das Universum längst sein Ende gefunden haben. (M S )
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1993, Seite 30
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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