Ein molekularer photochemischer Schalter
Bisher arbeiten Computer auf der Grundlage elektrischer Ströme in Schaltkreisen aus Festkörpermaterialien. Weitaus schneller und kleiner wären optische Computer, deren Funktion auf der Reaktion einzelner Moleküle auf Licht beruhte. Obwohl an den Bau entsprechender Prototypen derzeit noch nicht zu denken ist, werden immerhin bereits photochemische Reaktionen untersucht, die zumindest einige Funktionen von Mikroprozessoren simulieren.
Wichtigste Grundvoraussetzung ist es, ein photochemisches Gegenstück zum elektrischen Schalter zu entwickeln, wie dies jetzt Itmar Willner, Sharon Marx und Yoar Eichen von der Hebräischen Universität Jerusalem gelungen ist ("Angewandte Chemie", Band 104, Seite 1255, 1992). Durch Einstrahlung ultravioletten Lichtes wird an-, durch blaues Licht abgeschaltet. Die Ströme werden also durch Lichtstrahlen bestimmter Frequenz ersetzt, während eine Mischung von Eosin Y (einem biologischen Farbstoff ) und einer Verbindung von Azobenzol mit 4,4'-Bipyridin (Viologen) die Rolle der elektronischen Bauteile übernimmt.
Eosin Y ist ein roter Farbstoff, absorbiert also grünes Licht. Wenn es jedoch mit bestimmten anderen Molekülen einen Ladungstransfer-Komplex bildet, wird es für grünes Licht durchlässig. Die von Willner untersuchte Verbindung von Azobenzol mit Bipyridin ist ein solches Molekül. Zum Schalter taugt es dadurch, daß es in zwei räumlich verschiedenen Konfigurationen (Isomeren) vorkommt, von denen nur eine sich zu einem Komplex mit Eosin Y verbindet und dieses so für grünes Licht durchlässig macht. Entscheidend dabei ist die Azo-Gruppe des Azobenzols mit ihren beiden durch eine Doppelbindung verknüpften Stickstoffatomen (Bild): Beim sogenannten Trans-Isomer liegen die zwei Benzolringe auf entgegengesetzten, beim cisIsomer hingegen auf gleichen Seiten der Doppelbindung.
Durch Lichtabsorption gehen die beiden Formen ineinander über: Bestrahlung des Trans-lsomers mit ultraviolettem Licht einer Wellenlänge von 366 Nanometern (millionstel Millimetern) schwächt die Doppelbindung und läßt das Molekül die Cis-Form annehmen; diese klappt bei Bestrahlung mit blauem Licht, dessen Wellenlänge über 400 Nanometern liegt, wiederum in die Trans-Form um. Beim Übergang ändert sich auch das elektrische Dipolmoment des Moleküls, das ein Maß für die elektrische Ladungsverteilung ist.
Das Farbstoffmolekül Eosin Y bildet ausschließlich mit der Modifikation mit hohem Dipolmoment, also mit der Cis-Form, einen Komplex. Bestrahlt man demnach eine Mischung aus Bipyridinium-Azobenzol und Eosin Y mit ultraviolettem Licht, so daß das aktive Molekül in die Cis-Form übergeht, dann wird die resultierende Komplexverbindung für grünes Licht durchlässig: Der photochemische Schalter als Grundelement eines optischen Computers funktioniert.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1993, Seite 32
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben