Wissenschaftsgeschichte: Ein Physiker zwischen Hitler und Stalin
Der Physiker Rudolf Ritschl (1902 – 1982) berichtet in seinen Lebenserinnerungen über die Begegnung mit einem ehemaligen Kollegen in der Berliner S-Bahn im Sommer 1940: "'Mensch Houtermans, ich denke, du bist tot!?' Worauf dieser antwortete: 'fast, aber noch nicht ganz.'" Anlass für die makabre Mutmaßung gab der Lebensweg von Friedrich Houtermans: Im Frühjahr 1933 musste er aus Deutschland emigrieren und fand in der Sowjetunion ein neue Heimat, geriet dort jedoch bald in das Räderwerk des stalinschen Terrors. Er wurde 1937 als vermeintlicher deutscher Spion verhaftet und vom sowjetischen Staatssicherheitsdienst NKWD brutalen Verhören unterzogen. Im Gegensatz zu vielen Leidensgenossen überlebte er und wurde im Gefolge des Hitler-Stalin-Pakts nach Deutschland abgeschoben, wo ihn die Gestapo sofort in "Schutzhaft" nahm. Nachdem prominente deutsche Physikerkollegen ihn als "kriegswichtige Person" reklamiert hatten, fand sein Leidensweg im Sommer 1940 ein Ende. Der Forscher konnte seine Karriere in Nazideutschland halbwegs ungestört fortsetzen und wurde in der Nachkriegszeit Professor an der Universität Bern. ...
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