Sinne: Das Gefühl von Norden
Sechs Wochen lang sind der Gürtel und ich unzertrennlich. Wenn ich zur Uni fahre, kitzelt er mich an der Wirbelsäule; auf dem Heimweg am Bauch. Leichtes Vibrieren teilt mir mit, wo Norden ist. Der schwarze Gurt an meiner Taille heißt feelSpace-Gürtel, zu Deutsch "fühl den Raum". Unter seiner Kunstfaseroberfläche verbergen sich ein Kompass und 30 kleine Vibrationsmotoren, wie sie sonst ein Handy zum Surren bringen. Stets vibriert einer der Motoren, und zwar derjenige, der zum magnetischen Norden zeigt. So weiß ich ständig, wo diese Himmelsrichtung gerade liegt.
"Unsere fünf Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten – sind gewissermaßen zufällig", sagt Peter König, Leiter des feelSpace-Projekts und Professor für Neurobiopsychologie an der Universität Osnabrück. "Das menschliche Gehirn ist nicht auf sie beschränkt, sondern durchaus in der Lage, neue zu lernen." Die Idee, dass unsere Sinnesorgane nicht nur bestimmte Arten von Reizen wahrnehmen können, ist an sich alt. Schon in den 1960er Jahren sorgte der US-amerikanische Neurophysiologe Paul Bach-y-Rita (1934 – 2006) mit einer Apparatur für Furore, mit der blinde Patienten visuelle Reize wieder wahrnehmen konnten – mit Hilfe ihres Tastsinns. Er entwickelte ein Gerät, das den blinden Probanden ihre Umgebung quasi auf den Rücken malte. Eine Kamera erfasste das Sichtfeld der Personen und war mit einer Vorrichtung aus 400 vibrierenden Platten verbunden. Jede Platte bildete ein Pixel aus dem Kamerabild ab und vibrierte, wenn dort ein gewisser Farbverlauf erreicht wurde. Mit der Zeit waren Bach-y-Ritas Versuchspersonen dadurch in der Lage, einfache geometrische Formen im Raum zu erkennen und sich besser zu orientieren ...
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