GEOLOGIE: Eine vielschichtige Angelegenheit
Es war nur eine Formulierung aus dem Stegreif, doch sie prägte eine neue geowissenschaftliche Bezeichnung. Im Jahr 2000 nahm Paul Crutzen – niederländischer Meteorologe und Träger des Nobelpreises für Chemie – in Mexiko an einem Symposium teil. Dort diskutierten Experten über globale Umweltveränderungen im Holozän, jenem erdgeschichtlichen Abschnitt, der vor 11 700 Jahren begann und bis heute andauert. Crutzen, der mit seiner These berühmt geworden war, ein großer Atomkrieg könne einen nuklearen Winter auslösen und alles tierische und pflanzliche Leben auslöschen, wurde sichtlich immer ärgerlicher. Schließlich platzte es aus ihm heraus: "Nein! Wir sind nicht mehr im Holozän. Wir sind im ...", er dachte einen Moment lang nach, "... Anthropozän!". Im Saal wurde es still. Crutzen hatte offensichtlich einen Nerv getroffen. Im weiteren Verlauf der Tagung kam der Begriff immer wieder zur Sprache.
Wirklich neu war die Bezeichnung zwar nicht: Der Kieselalgenforscher Eugene F. Stoermer hatte sie schon einige Jahre zuvor benutzt, und die Begriffe Anthropozoische Ära und Anthropozoikum stammen sogar aus dem 19. Jahrhundert. Nach dem erwähnten Symposium jedoch, als der renommierte und eloquente Crutzen gemeinsam mit Stoermer einen einschlägigen Artikel verfasste, begann sich die Bezeichnung unter tausenden Wissenschaftlern zu verbreiten. Die Anzeichen für einen neuen Abschnitt der Erdgeschichte seien eindeutig, argumentierten die beiden Autoren in ihrem Aufsatz: Seit Beginn der Industrialisierung habe der Mensch die Zusammensetzung der Atmosphäre und Ozeane verändert sowie die Landschaft und die Biosphäre maßgeblich beeinflusst. Der Mensch bestimme ganz wesentlich den aktuellen Zustand der Erde, welcher sich von früheren Epochen deutlich unterscheide. Crutzens und Stoermers Artikel bewirkte, dass der Begriff Anthropozän von nun an überall auf der Welt in der wissenschaftlichen Fachpresse auftauchte. ...
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