Medizin: Einen Tic anders
Daniel Weber schiebt in einer ausladenden Bewegung seinen Unterkiefer zur Seite. Immer wieder, ob er will oder nicht. Der 33-Jährige ist nahezu unfähig, die leere Kauaktion zu stoppen. Sie sei wie ein Zwang, berichtet er. Das belaste ihn nun schon seit mehreren Monaten. Er habe Schmerzen im Kiefergelenk und Abriebspuren an den Zähnen – mal ganz abgesehen von den verständnislosen Blicken seiner Mitmenschen, dem Kichern und den hinter seinem Rücken getuschelten Kommentaren.
Mit diesem Problem stellte sich Daniel vor etwa drei Jahren in unserer Spezialsprechstunde für Bewegungsstörungen bei Kindern und Erwachsenen im Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf vor. Schnell stellte sich heraus, dass der junge Mann bereits seit seiner Kindheit unter einer ganzen Reihe schwer kontrollierbarer Bewegungen leidet: So "muss" er zeitweise mit den Augen rollen, den Kopf in den Nacken werfen oder Grimassen schneiden. Manchmal bellt er auch wie ein Hund, dann wieder entschlüpfen ihm obszöne Ausdrücke. Zuweilen berührt er auch Dinge mit der Hand oder der Stirn – immer wieder, so lange, bis er das Gefühl hat, "jetzt ist es gut". Neurologen sprechen bei dem eigentümlichen Verhalten von Tics.
Die Bandbreite und Ausprägung seiner Tics habe sich über die Jahre verändert, berichtet Daniel. Eine Zeit lang könne er sie auch unterdrücken. Dann aber werde die innere Anspannung so groß, dass sie sich regelrecht entlade. Wenn er gestresst oder gelangweilt sei, werde es noch schlimmer.
Daniel schilderte die klassischen Symptome des Tourette-Syndroms, benannt nach dem französischen Neurologen Georges Gilles de la Tourette (1857 – 1904), der die Störung 1885 erstmals beschrieb. Es handelt sich um eine der häufigsten neuropsychiatrischen Störungen, die typischerweise bereits in der Kindheit beginnt und im Lauf des Lebens zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann ...
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