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Neurophilosophie: Einmal Moral forte, bitte!

Eine Pille zur Stärkung von Mitgefühl und Hilfsbereitschaft? Klingt abwegig. Doch schon heute können Forscher mit Hilfe verschiedener Botenstoffe im Gehirn unser Urteil in ethischen Fragen manipulieren. Neurophilosophen diskutieren das Für und Wider eines Moraldopings für Jedermann.
Moral auf Rezept

Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer Brücke. Unter Ihnen rast eine führerlose Straßenbahn auf fünf nichtsahnende Gleisarbeiter zu. Neben Ihnen steht ein sehr dicker Mann, schwer genug, um die Bahn zu stoppen. Würden Sie ihn hinunterstoßen, um die Arbeiter zu retten? Anders gefragt: Würden Sie einen Menschen opfern, damit fünf andere überleben?
Dies ist ein klassisches Dilemma, für das es keine ethisch einwandfreie Lösung gibt. Um zu ergründen, wie wir moralische Entscheidungen treffen, hat es Forschern auf der ganzen Welt gute Dienste geleistet. Als die Psychobiologin Molly Crockett von der University of Cambridge das Gedankenexperiment mit Probanden in ihrem Labor durchspielte, stellte sie fest, dass etwa vier von zehn den dicken Mann im Zweifelsfall von der Brücke stoßen würden, die übrigen entschieden sich dagegen.
In einem zweiten Versuchsdurchgang sah das Ergebnis allerdings ganz anders aus: Die Teilnehmer schreckten eher davor zurück, dem unbeteiligten Mann zu schaden – der Anteil derer, die ihn auf die Gleise schubsen würden, sank deutlich. Was war passiert? Crockett hatte die moralische Grundeinstellung ihrer Probanden chemisch manipuliert – mit Hilfe des Neurotransmitters Serotonin ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Die Macht der Hormone

Die Schwangerschaft ist nicht nur eine Zeit eines massiven hormonellen Wandels; Teile der Hirnrinde schrumpfen. Darunter leidet aber nicht etwa die geistige Leistungsfähigkeit – vielmehr stärkt es die Bindung zwischen Mutter und Kind. Auch die Wechseljahre mit ihren Änderungen im Hormonhaushalt bringen mehr als ein Ende der fruchtbaren Jahre. Das Gehirn verändert sich ebenfalls in dieser Lebensphase. Daneben berichten wir über das komplexe Wechselspiel zwischen Kopf und Bauch, das zum Reizdarmsyndrom führt. Untersuchungen der Kognitionsforschung zeigen, dass das Gehirn zum Codieren von Gedanken und Erinnerungen den Orientierungssinn nutzt. In unserem Artikel über Hunde geht es um deren Geruchssinn und dessen Wechselwirkung mit ihren Emotionen und der Kognition. Dieses Thema ist bisher wenig erforscht. Ein weiterer Artikel erklärt, was Orte auszeichnet, an denen wir uns zu Hause fühlen.

Spektrum Kompakt – Depressionen

Mit ihren zahllosen Erscheinungsformen sowie Ursachen kann sich eine Depression auch hinter körperlichen Symptomen verstecken und Betroffene in vielen Lebensbereichen beeinflussen. Doch welche Therapie ist die passende? Und für wen lohnt es sich, experimentelle Verfahren wahrzunehmen?

Gehirn&Geist – Beziehungen: Wie sie prägen, wann sie stärken

Das Dossier widmet sich sozialen Beziehungen in all ihren Facetten: zwischen Partnern, Eltern und Kindern, Freunden oder in Gemeinschaften. Die Beiträge liefern wichtige, aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung. Sie verdeutlichen, wie heilsam und wichtig die Verbundenheit mit anderen ist, aber auch, wann sie schaden kann. So zeigt der Beitrag zum Thema Bindungsfähigkeit, dass die Erfahrungen der ersten Lebensjahre prägend sind. Doch Bindungsstile lassen sich ändern. Mit vernetzten Hirnscannern ergründen Mannheimer Forscherinnen und Forscher die Geheimnisse sozialer Interaktionen, die einiges über die Beziehung verraten. Das Hormon Oxytozin gilt als soziales Bindemittel. Ein reines Kuschelhormon ist es dennoch nicht. Auch Umarmungen spielen im Alltag vieler Menschen eine wichtige Rolle, aber erst jetzt beginnen Psychologen, dieses Verhalten zu verstehen.

  • Quellen

Crockett, M. J. et al.:Serotonin Selectively Influences Moral Judgment and Behavior through Effects on Harm Aversion. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 107, S. 17433-17438, 2010

De Dreu, C. K. W. et al.:The Neuropeptide Oxytocin Regulates Parochial Altruism in Intergroup Conflict Among Humans. In: Science 328, S. 1408-1411, 2010

DeGrazia, D.:Moral Enhancement, Freedom, and What We (Should) Value in Moral Behaviour. In: Journal of Medical Ethics 10.1136/medethics-2012-101157, 2013

Gailliot, M. T. et al.:Self-Control Relies on Glucose as a Limited Energy Source: Willpower Is More Than a Metaphor. In: Journal of Personality and Social Psychology 92, S. 325-336, 2007

Greene, J., Haidt, J.:How (and Where) Does Moral Judgment Work? In: Trends in Cognitive Sciences 6, S. 517-523, 2002

Meyer-Lindenberg, A. et al.:Oxytocin and Vasopressin in the Human Brain: Social Neuropeptides for Translational Medicine. In: Nature Review Neuroscience 12, S. 524-538, 2011

Persson, I., Savulescu, J.:Getting Moral Enhancement Right: the Desirability of Moral Bioenhancement. In: Bioethics 27, S. 124-131, 2011

Savulescu, J., Sandberg, A.:Neuroenhancement of Love and Marriage: The Chemicals Between Us. In: Neuroethics 1, S. 31-44, 2008

Terbeck, S. et al.:Propranolol Reduces Implicit Negative Racial Bias. In: Psychopharmakology 222, S. 419-424, 2012

Tost, H., Meyer-Lindenberg, A.:I Fear for You: A Role for Serotonin in Moral Behavior. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 107, S. 17071-17072, 2010

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