Einstellung der Brechzahl optischer CVD-Schichten
Ursprünglich für die Mikroelektronik entwickelt, wird seit etwa zehn Jahren die chemical vapor deposition (CVD) verstärkt für optische Anwendungen eingesetzt, weil sich damit Mehrfachschichten hoher Güte auch auf kostengünstigen Silicium-Wafern oder Quarz abscheiden lassen. Brechungsindex und Schichtdicke sind dabei sehr genau einstellbar. Anders als bei der thermischen Oxidation des Wafermaterials zu SiO2 bei einer Temperatur von mehr als 1000 Grad Celsius, werden bei der CVD-Abscheidung die Ausgangsprodukte gasförmig zugeführt. In der Mikroelektronik nutzt man dazu hauptsächlich Silan (SiH4) und Distickstoffoxid (N2O) und erzeugt zudem Siliciumnitrid-Schichten unter anderem aus Silan und Ammoniak (NH3). Eine für optoelektronische Bauelemente wichtige Anwendung sind auf Mikrochips integrierte Wellenleiter, etwa für die Informationsübertragung in Datenverarbeitung und Telekommunikation oder für Sensoren, die biochemische Reaktionen optisch nachweisen. Wie bei den bekannteren Lichtleitfasern schneller Datennetze werden die signaltragenden Strahlen mittels Totalreflexion innerhalb eines sehr feinen Querschnitts geführt (Bild 1). Voraussetzung ist ein Wellenleiterkern mit einer Brechzahl, die höher ist als die der ummantelnden und umgebenden Medien. Eine bewährte konventionelle Fertigungsmethode ist das Eindiffundieren von Ionen in anorganische Kristalle, doch läßt sich die Brechzahl damit nur in begrenztem Maße einstellen. Hingegen vermag man mit CVD Brechungsindex und Schichtdicke flexibel zu steuern und kann so außer Wellenleitern eine Vielzahl optischer Bauelemente mit der Funktion von Polarisatoren, Filtern oder Linsen herstellen. Die Präzision der Brechzahleinstellung muß allerdings deutlich höher als in den anderen CVD-Anwendungsgebieten sein. Die Welle verläßt den Leiterkern nämlich nur so lange nicht, wie sie flach genug auf die Grenzfläche zum Mantel trifft. Der maximal mögliche Winkel ergibt sich aus dem Verhältnis der Brechzahlen, die ebenso wie die Schichtdicken entsprechend genau einzustellen sind. Zudem beeinflußt der Brechungsindex mitunter die Form des geführten elektromagnetischen Feldes, insbesondere bei sogenannten Streifenwellenleitern, die man durch Einätzen eines Grabens in eine Mantelschicht und nachfolgendes Verfüllen mit Kernmaterial herstellt. Um etwa einen Wellenleiter-Chip an eine Standardlichtleitfaser verlustarm zu koppeln, ist sein optisches Feld dem der Faser anzupassen. Mittels numerischer Designrechnungen lassen sich die erforderlichen Brechzahlen und deren Toleranzen bestimmen; dabei werden aufgrund der Leitergeometrie und Brechzahlverteilung die Maxwell-Gleichungen unter speziellen Bedingungen vor allem mit Finite-Elemente-Methoden gelöst. Demnach muß der Leiterquerschnitt auf weniger als einen Mikrometer (tausendstel Millimeter) genau gefertigt werden, und die Brechzahlen von Leiterkern und umgebenden Medien dürfen um nicht mehr als drei Tausendstel differieren. Im Ausbreitungsgebiet der Wellen entlang der CVD-Schichten sind außerdem Streu- und Absorptionszentren zu vermeiden. Bei typischen Ausbreitungslängen von nur mehr einigen Millimetern bei integrierten Verzweigern, Modulatoren, Lasern und Empfängern könnten immerhin tausend bis zehntausend davon bei der Fertigung entstehen; sie würden nicht nur das Licht stark dämpfen, sondern die Signale untergehen lassen. Seit etwa zwei bis drei Jahren beherrschen Industrie- und Forschungslabors dieses Problem aber so gut, daß bei einem Zentimeter Ausbreitungslänge weniger als zwei Prozent der im Wellenleiter geführten Leistung verlorengehen (dies gilt für typische Wellenlängen von 1,3 und 1,5 Mikrometern). Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Projekts Photonik I hatte unser Institut die Aufgabe, Streifenwellenleiter mit folgendem Aufbau zu fertigen: Auf einem Silicium-Wafer als Unterlage sollte mittels CVD eine Schicht als Mantel abgeschieden werden; darin waren Gräben zu erzeugen und mit einem Polymer als Wellenleiterkern zu füllen (Bild 2 links). Die in Frage kommenden Polymere und deren Brechungsindices waren vorgegeben. Die geforderte Genauigkeit für die Brechzahldifferenz und die Schichtdicke mußten wir mithin allein durch das präzise Steuern der Materialabscheidung erreichen. Die Gräben legten wir mittels reaktiven Ionenätzens an, das nahezu rechtwinklige Querschnitte ermöglicht. Für die Schicht selbst hätte sich konventionell thermisch oxidiertes Silicium angeboten, dessen Brechzahl ist jedoch nicht steuerbar. Außerdem lassen sich damit Schichten von mehr als drei Mikrometern Dicke nur schwer erzeugen. Wie in der Mikroelektronik nutzten wir deshalb CVD mit Silan und Distickstoffoxid als gasförmige Reaktanden. Eine Plasmaaktivierung ermöglicht dabei die gewünschte dicke Schichtabscheidung bei weniger als 400 Grad Celsius. Meist nutzt man dazu Parallel-Plattenreaktoren (praktisch Plattenkondensatoren), bei denen eine Elektrode als Substratteller ausgelegt ist und die andere als Quelle für die Reaktionsgase. Zwischen beiden liegt ein Hochfrequenzsignal von 13,56 Megahertz an, welches das eingeleitete Gasgemisch zum Plasma wandelt, also in Ionen und Elektronen trennt. Das entspricht einer chemischen Aktivierung der Reaktionsgase, die zerfallen und miteinander reagieren. Dieser Prozeß könnte im Prinzip ohne weitere thermische Unterstützung ablaufen, allerdings erhält man erst bei einer Temperatur von mehr als 200 Grad Celsius chemisch und mechanisch stabile Schichten mit wenigen Streuzentren. An unserem Institut arbeiten wir meist mit etwa 350 Grad. Zur Einstellung der Brechzahl könnte man gasförmige Dotanten zugeben, die sich in die Siliciumoxid-Schicht einbauen. Geeignet ist beispielsweise Germaniumwasserstoff, der auch zur Herstellung von Halbzeugen für Glasfasern verwendet wird. Phosphin wiederum ist wegen seiner guten Einebnungseigenschaften in der Mikroelektronik weitverbreitet. Das sind allerdings technisch anspruchsvolle Prozesse – zum einen sind die meisten Dotanten hochgiftig, zum anderen die Prozesse gegenüber Parameterschwankungen sehr sensibel. Wir wählten einen einfacheren Weg. Wenn der Aufschluß der Reaktionspartner durch ein Plasma erzwungen wird, ist man nicht an die verschiedenen Anregungstemperaturen gebunden. Somit lassen sich Reaktionen erreichen, die rein thermisch gar nicht realisierbar wären. Wir koppelten Schichten aus Siliciumoxid und -nitrid zu Mischschichten aus Siliciumoxynitrid (SiON), deren Brechzahl von 1,46 bis 2,0 – also von der des reinen Oxids bis zu der des reinen Nitrids – variiert. Deren Zusammensetzung hängt in erster Näherung nur von den Gasflüssen der konkurrierenden Prozesse – der SiO2- und der Si3N4-Bildung – ab; die Regelung der Brechzahl ist also um so feiner abstimmbar, je feiner die Gasregelung erfolgt. Auch die Homogenität der Schichten wird nur von den Strömungsverhältnissen der Gase bestimmt. Das veranschaulicht eine typische Brechzahl-Tuningkurve (Bild 2 rechts); so zeigt sie das Absinken des Brechungsindex bei einer Erhöhung des N2O-Gasflusses, der die Oxidbildung ermöglicht. Freilich darf man andere technische Parameter nicht völlig vernachlässigen. So wird in einem Plasmaprozeß eine Vielzahl von Verbindungen erzeugt, und eine Änderung der Plasmaparameter kann die Reaktionsprodukte stark beeinflussen. Zudem werden bei der Regelung des Brechungsindex in einem Schwankungsbereich von weniger als 0,003 auch Wechselwirkungen des Plasmas mit den Reaktorwänden beziehungsweise mit Schichten, die sich dort abgeschieden haben, immer folgenreicher: Sie können die gewünschten Lagen verunreinigen und damit ihre innere Struktur stören. Deshalb müssen in regelmäßigen Abständen Tests durchgeführt und aktuelle Einflüsse kompensiert werden. Das Projekt wurde inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Die SiON-Substratbrechzahl ließ sich optimal anpassen, und die Wellenleiterdämpfung wird nur noch von der Eigenabsorption des Polymers bestimmt. Die beschriebene Technologie zur Steuerung der Substratbrechzahl ist inzwischen in weiteren Projekten, unter anderem bei Industriepartnern, angewendet worden. Generell eröffnen CVD-Verfahren, insbesondere mit Plasmaaktivierung, noch zahlreiche neue Möglichkeiten für die Mikrooptik und Optoelektronik. So könnte man andere Materialien verwenden und miteinander kombinieren, um größere Wertebereiche der Brechzahlen abzudecken.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1996, Seite 91
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