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Kosmologie: Einzigartiger Einblick in die Urzeit des Universums

Der Satellit Wmap hat die bisher detailreichste Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung geliefert. Sie erlaubt präzise Rückschlüsse auf Alter und Zusammensetzung des Universums sowie Einblicke in die Zeit vom Urknall bis zur Entstehung der ersten Sterne.


Euphorisch sprechen manche von einem Wendepunkt in der Kosmologie. Tatsächlich gab es noch nie so präzise Aussagen über die Anfänge des Alls wie in den 13 umfangreichen wissenschaftlichen Artikeln, die US-Forscher nun bei der Fachzeitschrift "Astrophysical Journal" zur Veröffentlichung eingereicht haben. Die neuen Erkenntnisse beruhen auf der Analyse von Daten des Satelliten Wmap (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe). Benannt nach dem kürzlich verstorbenen Kosmologie-Pionier David T. Wilkinson von der Princeton-Universität, hat er in seinem ersten zwölfmonatigen Beobachtungszyklus den Himmel in fünf Frequenzbändern von 23 bis 94 Gigahertz (bei Wellenlängen zwischen 13 und 3 Millimetern) vollständig erfasst.

Nach dem Start im Juni 2001 bezog die Sonde eine Position in etwa 1,5 Millionen Kilometer Entfernung – an einer Stelle außerhalb der Erdbahn, an der sich die Gravitationskräfte von Erde und Sonne gerade ausgleichen. Dort misst sie die winzigen Schwankungen (Anisotropien) der kosmischen Hintergrundstrahlung, die als Keime der materiellen Strukturen im Universum gelten.

Diese Strahlung im Mikrowellenbereich hatten Arno Penzias und Robert Wilson 1964 bei einer Wellenlänge von 7,35 Zentimetern zufällig entdeckt. Die beiden Forscher erkannten sie als Relikt aus einer Zeit kurz nach dem Urknall, als typische Entfernungen im Universum noch etwa tausendmal kleiner als heute waren und die Temperatur 2980 Kelvin betrug. Damals leuchtete das frühe Weltall plötzlich auf, weil es durch die Vereinigung von Elektronen und Kernen zu neutralen Atomen strahlungsdurchlässig wurde und in die "materiedominierte Ära" überging, die bis heute andauert. Die Wellenlängen dieses Leuchtens haben sich wegen der Raumexpansion seitdem beständig um das Tausendfache in den Mikrowellenbereich hinein vergrößert.

Das Spektrum der Hintergrundstrahlung stimmt gut mit demjenigen überein, das ein so genannter Schwarzer Körper bei einer Temperatur von nur 2,73 Kelvin aussendet. Der Satellit Cobe (Cosmic Background Explorer), den Wilkinson ebenfalls mit initiierte, hat dieses Spektrum im Jahre 1992 erstmals sehr genau gemessen. Außerdem aber durchmusterte er den gesamten Himmel und stellte dabei leichte Variationen in der Temperatur der Strahlung fest (Spektrum der Wissenschaft 3/1990, S. 78, und 6/1992, S. 18). Die neuen Messungen von Wmap sind im Prinzip ähnlich, aber über 35-mal detaillierter als die Cobe-Resultate. Diese drastische Verbesserung erlaubte die nun vorgelegten äußerst präzisen Schlussfolgerungen.

Exakte Werte für die kosmologischen Parameter

So lässt sich der Zeitpunkt, zu dem das Weltall lichtdurchlässig wurde, jetzt auf 379000 Jahre nach dem Urknall datieren. Das Weltalter beläuft sich laut Wmap auf 13,7 Milliarden Jahre, was einer Hubble-Konstanten von 71 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec entspricht. Außerdem kann man den Satellitendaten entnehmen, dass nur 4,4 Prozent des Universums aus gewöhnlicher baryonischer Materie bestehen, wie wir sie aus unserer näheren kosmischen Umgebung kennen. Alles andere ist Dunkle Materie (22 Prozent) und Dunkle Energie (73 Prozent).

Diese Prozentangaben stimmen recht gut mit denen überein, die sich aus älteren Daten der Ballonmessungen Maxima und Boomerang ergeben haben (Spektrum der Wissenschaft 8/2000, S. 13). Allerdings erfassten die beiden früheren Sondierungen nur einen sehr kleinen Bereich des Himmels (bei Boomerang drei, bei Maxima 0,3 Prozent) und erreichten nicht die Genauigkeit von Wmap.

Wie lässt sich diese Fülle an präzisen kosmologischen Informationen aus hochaufgelösten Bildern des Himmels im Mikrowellenlicht ableiten? Zunächst sind verschiedene Korrekturen an den Rohdaten vorzunehmen. So bilden Emissionen aus der galaktischen Scheibe einen diffusen "Vordergrund", der vom eigentlichen kosmischen Signal abgezogen werden muss. Ferner erzeugen helle extragalaktische Punktquellen störende Emissionen bei niedrigen Frequenzen; deshalb wurden 700 solche Objekte durch Masken ausgeblendet. Schließlich gilt es jene Verzerrung herauszurechnen, die von der Bewegung der Erde durch den Mikrowellenhintergrund herrührt.

Die derart bereinigten Daten werden dann nach "Multipolen" aufgetragen. Dabei schlüsselt man die Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung danach auf, wie häufig sie auf unterschiedlichen Entfernungsskalen (gemessen in Winkelgraden) auftreten – analog zerlegt beispielsweise auch das Ohr Schallschwingungen nach Frequenzen und ermittelt dabei die enthaltenen Töne. Das Ergebnis dieser mathematischen Umformung ist ein Spektrum der Temperaturfluktuationen mit vielsagenden Maxima, deren Höhe und Position Aussagen über die kosmologischen Parameter ermöglicht. Der ausgeprägteste Höcker liegt bei einem Winkelbereich von etwa 0,9 Grad (Multipol 220). Er war dem Cobe-Satelliten noch nicht zugänglich, ist aber von den Ballonmessungen und anderen Beobachtungen her schon bekannt – wenn auch weit weniger genau. Das zweite Maximum bei kleineren Winkelskalen von etwa 0,3 Grad (Multipol 540) ließ sich nun erstmals klar nachweisen; ein theoretisch vorhergesagtes drittes Maximum bleibt dagegen verschwommen.

Das Spektrum spiegelt Dichteschwingungen im Universum jener Zeit wider, als Kerne und Elektronen noch getrennt vorlagen und ein Plasma bildeten. Dieses wurde von der Gravitation komprimiert, bis der Lichtdruck der Photonen die Bewegung umkehrte. So entstanden – ähnlich wie bei Luft im Telefonhörer – akustische Schwingungen. Dem ersten Maximum bei 0,9 Grad entspricht eine bestimmte "akustische Ausdehnung". Daraus lässt sich das Alter des Universums und seine Geometrie bestimmen.

Expansion ohne Ende

Die gemessene Position dieses Maximums passt zu den Voraussagen für ein flaches Universum. In ihm entspricht die Summe aus Massen- und Energiedichte genau dem kritischen Wert, bei dem die Expansion des Alls gerade nicht mehr aufhört. Das Verhältnis der Amplituden zwischen erstem und zweitem Maximum gibt dagegen die Massendichte zum Zeitpunkt der Vereinigung von Protonen und Elektronen zu Wasserstoff-Atomen an. Das Resultat stimmt mit experimentellen Daten zu den Häufigkeiten der leichten Elemente im Universum überein.

Die Gestalt des Spektrums zeigt ferner, dass die akustischen Oszillationen schon sehr früh Wellenlängen in kosmischen Dimensionen hatten – was nach heutigem Kenntnisstand nur verständlich ist, wenn sich das All Sekundenbruchteile nach dem Urknall für kurze Zeit exponentiell aufblähte. Durch diese "Inflation" erreichten winzige Quantenfluktuationen rasch kosmische Abmessungen, während die Materie- und Energiedichte insgesamt jedoch geglättet wurde, sodass das Universum im wesentlichen homogen und in allen Richtungen gleichförmig erscheint. Die Wmap-Daten liefern sogar einen weiteren Beleg für die Richtigkeit des Inflationsmodells: Sie zeigen eine gegenläufige Korrelation zwischen Temperaturfluktuationen und Polarisation der Mikrowellenstrahlung in Winkelbereichen von ein bis zwei Grad, wie man sie in diesem Modell erwartet.

Während Einstein noch glaubte, in einem expandierenden Universum auf eine kosmologische Konstante in den Gleichungen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie verzichten zu können, lassen sich die jetzigen Daten nur mit einem solchen so genannten Lambda-Term (L) beschreiben. Die ihm entsprechende "Dunkle
Energie" muss sogar den weitaus größten Teil des Kosmos ausmachen, nämlich die schon erwähnten 73 Prozent.

Ihre physikalische Natur wird seit langem diskutiert. Walther Nernst lieferte schon 1916 eine Interpretation auf der Basis der Nullpunktsenergie des elektromagnetischen Feldes, die sich auch im kosmologischen Rahmen gravitativ auswirken sollte. Seit 1988 wird zudem die Möglichkeit eines zeitabhängigen L-Terms untersucht: Dieser hätte anfangs einen sehr hohen Wert, würde sich im Verlauf der Expansion des Alls verkleinern und schließlich verschwinden – ein auch als Quintessenz bezeichnetes Konzept (Spektrum der Wissenschaft 3/2001, S. 32). Anhand des vorliegenden Spektrums der Temperaturschwankungen im Mikrowellenhintergrund lässt sich zwischen den beiden Möglichkeiten allerdings noch keine Unterscheidung treffen.

Warten auf Planck

Bei konstantem L ergibt sich die beste Anpassung zwischen den Wmap-Daten und dem derzeitigen kosmologischen Modell, wenn der Anteil des Universums an nichtbaryonischer kalter Dunkler Materie 22 Prozent beträgt. Die physikalische Natur dieses unsichtbaren Stoffes, der offenbar die Massen der Galaxien im heutigen Universum dominiert, bleibt dabei unklar. Dennoch ist das Ergebnis glaubwürdig, da insbesondere unabhängige Untersuchungen der Rotation von Galaxien vergleichbare Werte für den Anteil an Dunkler Materie ergeben.

Nachdem sich 379000 Jahre nach dem Urknall neutrale Atome gebildet hatten, entstanden erstmals wieder geladene Teilchen, als die ersten Sterne aufflammten: Die von diesen ausgesandte hochenergetische (ultraviolette) Strahlung ionisierte den umgebenden Wasserstoff, und bei der Streuung an den so entstandenen freien Elektronen wurde das Licht polarisiert. Dadurch erlaubt die Polarisation der Hintergrundstrahlung in Verbindung mit den Temperaturanisotropien Rückschlüsse darauf, wann die Bildung von Wasserstoff-Ionen stattfand. Den entsprechenden Wmap-Daten zufolge geschah das 180 Millionen Jahre nach dem Urknall – etwa 500 Millionen Jahre früher als bisher gedacht. Allerdings ist die Fehlerschranke dieses Wertes mit +220/–80 Millionen Jahren noch sehr groß.

In den nächsten drei Jahren wird sich die Genauigkeit der Wmap-Daten weiter verbessern. Fundamental neue Resultate sind davon aber nicht zu erwarten. Stattdessen dürfte es eine Fülle von theoretischen Arbeiten geben, die auf den Messwerten aufbauen und weitere kosmologische Schlüsse ziehen.

Wesentliche Fortschritte verspricht erst der Satellit Planck der Europäischen Weltraumorganisation Esa, dessen Start für 2007 geplant ist. Er wird eine dreimal so hohe Auflösung erreichen wie Wmap und die Vordergrundstrahlung nochmals deutlich besser ausblenden. Damit sollte es insbesondere gelingen, Lage und Höhe des dritten Maximums im Spektrum präzise zu ermitteln, sodass sich alternative kosmologische Modelle leichter unterscheiden lassen. Bis dahin werden kleine Ausschnitte des Mikrowellenhimmels durch bodengebundene Experimente und Ballonmessungen mit noch höherer Genauigkeit untersucht. Wenn dabei die Polarisation der Strahlung mit erfasst wird, sollten sich vor allem weitere Aufschlüsse über die Entstehung der ersten Sterne ergeben.

Glossar


- Hubble-Konstante: Parameter, der die Expansion des Universums mathematisch beschreibt.
- Inflationsphase: Sehr rasche Expansion des Universums Sekundenbruchteile nach dem Urknall.
- Flaches Universum: Der Raum hat eine euklidische Geometrie; die Summe aus Massen- und Energiedichte ist gerade so groß, dass die Expansion des Alls nicht mehr aufhört. Bei einer höheren Dichte wäre die Geometrie konvex, bei einer niedrigeren konkav. Die zweidimensionalen Analogien zum flachen, konvexen und konkaven Raum sind die Ebene, die Kugeloberfläche und die Sattelfläche.
- Baryonische Materie: Jene "gewöhnliche" Materie, die im All durch elektromagnetische Strahlung nachweisbar ist.
- Dunkle Materie: Materie im Kosmos, die zwar nicht anhand elektromagnetischer Strahlung nachweisbar ist, für die es aber deutliche indirekte Anzeichen gibt. Ihre Natur ist noch ungeklärt. Wahrscheinlich besteht sie aus mehreren unterscheidbaren Anteilen.
- Dunkle Energie: Entspricht dem kosmologischen Glied Lambda (L) in den Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins oder einer analogen zeitabhängigen Größe. Sie bewirkt, dass sich die Expansion des Universums beschleunigt.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 8
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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  • Infos
Einzigartiger Einblick in die Urzeit des Universums ->http://de.arxiv.org/PS_cache/astro-ph/pdf/0302/0302217.pdf

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